2024-05-29T12:18:09.228Z

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Karriere beim DFB: Ulf Schott (links) verantwortet seit sechs Jahren den Bereich Jugend, Spielbetrieb, Trainerwesen, internationale Kooperationen, Talentförderung und Schule. 	Foto: Imago
Karriere beim DFB: Ulf Schott (links) verantwortet seit sechs Jahren den Bereich Jugend, Spielbetrieb, Trainerwesen, internationale Kooperationen, Talentförderung und Schule. Foto: Imago

Weichen bei den Jüngsten stellen

Nachwuchsarbeit: Ulf Schott, Ex-Abwehrspieler des SV Darmstadt 98, setzt beim DFB seit zwei Jahrzehnten Akzente

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Zwei Jahrzehnte hat Ulf Schott beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) in verantwortungsvoller Position entscheidende Themen mitgestaltet. Seine Arbeit wirkt nach – sicher auch über sein Ausscheiden als Direktor für den Bereich Jugend, Talentförderung und Schule beim DFB Ende des Jahres hinaus.

Der 48 Jahre alte gebürtige Dieburger stand sieben Jahre lang als Spieler in Diensten des SV 98, bevor er 1997 beschloss, beim DFB an der Weichenstellung für eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft des Fußballs mitzuarbeiten. Die Talentsichtung und -förderung mussten zwingend reformiert werden – und spätestens, als in der Nationalmannschaft die Erfolge bei der Weltmeisterschaft 1998 und bei der Europameisterschaft 2000 ausblieben, sah man auf allen Ebenen Handlungsbedarf.

Die Bundesligavereine verfügten zwar über eine ausreichende finanzielle Ausstattung, sie investierten aber lieber in ausländische junge Spieler statt in die eigene Nachwuchsarbeit. „Wir kamen zu der Überzeugung, im Nachwuchsbereich durch gute Ausbildung und ein engmaschiges Sichtungssystem so viel Druck von unten aufzubauen, dass sie von alleine ihren Weg nach oben schaffen“, erklärt Schott.

Die Weichen mussten also bei den Jüngsten gestellt werden, um schlussendlich bis in die Nationalmannschaft nachzuwirken. Was folgte, ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht: Seit 2002 wurden 60 000 Talente von mehr als 2400 Trainern an 366 Stützpunkten gefördert. Die Anzahl der in der Bundesliga eingesetzten jungen Spielern (U 21 und jünger) hat sich von 36 im Jahr 2001 auf 76 im Jahr 2016 mehr als verdoppelt. Heute stehen fünf Spieler des Jahrgangs U 23 und jünger im WM-Aufgebot. – bei der EM 2000 traf dies nur auf Sebastian Deisler zu. Alle Spieler des aktuellen WM-Kaders wurden in Leistungszentren oder Stützpunkten ausgebildet. Die Erfolge geben dem System Recht: Ab der Heim-WM 2006 erreichte das DFB-Team bei allen großen Turnieren mindestens das Halbfinale.

Für Schott ist es wichtig, dass Spieler auch in Vereinen unterhalb der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga reifen können. „Für die Nachwuchsentwicklung hat die Dritte Liga eine große Bedeutung. Denn nicht alle jungen Talente können mit zwölf, 13 oder 14 Jahren bei den ganz großen Clubs gefördert werden. Daher ist es wichtig, dass sich solche Spieler unter professionellen Bedingungen in den Nachwuchsabteilungen oder Leistungszentren der Dritt- oder Regionalligisten entwickeln können. Dies unterscheidet uns von vielen anderen Landesverbänden, die unterhalb der Top-Clubs nicht solche Möglichkeiten haben “, umschreibt Schott die Vorzüge der Dritten Liga, an deren Entwicklung er maßgeblichen Anteil hatte.

Gut findet Schott den Ansatz von DFB und DFL, die Nachwuchsförderung durch Mittelzuwendungen zu fördern. „Dass die DFL zukünftig zwei Prozent, sprich mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr, aus der Medienverwertung für den Einsatz junger Spieler in den ersten Mannschaften aufwendet, ist ein schönes Signal. Wenn diese Signale noch mehr Gewicht bekommen würden, wäre das sicherlich für die Entwicklung des Fußballs positiv und wichtig. In Österreich wird ein großer Teil der Fernsehgelder abhängig von der Anzahl der eingesetzten jungen Spieler gezahlt.“

Leistungszentrum muss mit Profibereich verzahnt sein

Ein weiterer Ansatzpunkt für Schott sind die Innovationen der Bundesligaclubs. „Sie haben sehr viel in die Rahmenbedingungen zur Ausbildung der Spieler investiert. Die Rahmenbedingungen für das ausbildende Personal in den Vereinen zu fördern, damit dort die Talente entsprechend entwickelt und neue Impulse gesetzt werden können, wäre ein möglicher nächster Schritt. Vereine, die hier innovativ sind, werden den anderen sicherlich einen Schritt voraus sein. Vereine, deren Leistungszentrum nicht mit dem Profibereich eng verzahnt ist, könnten das Nachsehen haben.“

Seine langjährige Erfahrung wird Schott ab dem kommenden Jahr übrigens an anderer Stelle einbringen. Ob bei einem Verein oder einem anderen Verband, steht noch nicht fest. Sicher ist jedoch, dass sich dort einiges bewegen wird.

Ulf Schott gilt in der Branche als Visionär, und so hat er sich auch seine Gedanken über die sogenannte Spielklassenpyramide gemacht- Es gebe zwei Varianten: Entweder man entscheide sich für einen „Closed Job“, ein Modell nach US-amerikanischem Vorbild, also Ligen ohne oder mit einer sehr beschränkten Anzahl an Auf- und Absteigern. „Das mag vielleicht ökonomisch richtig sein, weil man am Ende nicht wie beispielsweise in Aachen bei einem in die Regionalliga abgestiegenen Verein ein Europa-League-Stadion vorfindet.“

Auf der anderen Seite lebe der Fußball von Auf- und Abstieg. „Das funktioniert aber nur, wenn dies für viele Vereine ein mögliches Szenario ist. Dieser Durchfluss ist ein wichtiges Gut in Deutschland, und das sollte auch bestehen bleiben. Daher sind die mittelgroßen Klubs, adäquate Spielklassen und ligaübergreifende Solidarität wie die Zahlung von Ausbildungsentschädigungen so wichtig."

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Zur Person

Ulf Schott, geboren am 5. Mai 1970 in Dieburg, stand während seiner aktiven Fußballkarriere in Diensten des SV Darmstadt 98 und des SV Wiesbaden. Für die Lilien lief er sieben Jahre als Abwehrspieler unter anderem in der Zweiten Liga auf. Der Diplom-Sportwissenschaftler und Inhaber der Trainer-A-Lizenz wechselte 1997 zum DFB in den Bereich der Talentförderung und beendete seine aktive Laufbahn beim SV Raunheim in der Oberliga. Seit 2012 verantwortet er als Direktor den Bereich Jugend, Spielbetrieb, Trainerwesen, Internationale Kooperationen, Talentförderung und Schule. Zum Ende des Jahres verlässt er den DFB auf eigenen Wunsch.

Aufrufe: 011.6.2018, 15:48 Uhr
Melanie Kahl-SchmidtAutor