2024-05-15T11:26:56.817Z

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„Die Jungs wissen, was sie drauf haben.“  Thomas Stamm ist von der Qualität der U19 überzeugt. | Foto: Patrick Seeger
„Die Jungs wissen, was sie drauf haben.“ Thomas Stamm ist von der Qualität der U19 überzeugt. | Foto: Patrick Seeger

Thomas Stamm: "Dieser Hunger nach mehr ist da"

BZ-Interview mit SC-Trainer Thomas Stamm vor dem Halbfinale der Freiburger A-Junioren im DFB-Pokal gegen Mönchengladbach

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Von der Faszination des Endspielorts Berlin können sie auch beim SC Freiburg ein Liedchen trällern. Die A-Junioren des Vereins sind mit fünf DFB-Pokalsiegen Rekordhalter. Vier dieser Trophäen sind im Eingang der Fußballschule hinter Vitrinenglas ausgestellt. Dass da eine fehlt, ist Thomas Stamm in fast drei Jahren als U-19-Trainer noch nie aufgefallen. Doch Stamm schaut nicht zurück. Er hat Titel Nummer sechs im Sinn. Bevor seine Mannschaft am Samstag, 14 Uhr, Borussia Mönchengladbach im Möslestadion zum Pokal-Halbfinale erwartet, traf er Matthias Kaufhold zum Interview.
BZ: Sie sind Schweizer, welches Verhältnis haben Sie zu Berlin?
Stamm: Noch kein intensives. Ich war zwei-, dreimal aus privaten Gründen in der Stadt. Verbinden kann ich mit ihr aber noch nichts.

BZ:
Das könnte sich am 19. Mai ändern, wenn in Berlin am Vormittag das Endspiel im DFB-Pokal der A-Junioren steigt.
Stamm: Klar, darauf arbeiten wir praktisch seit Saisonbeginn hin. Du brauchst ja nur vier Spiele, um nach Berlin zu kommen. Bisher haben wir das in jeder Runde auf den Punkt hinbekommen, in Magdeburg (2:1-Sieg im Viertelfinale Anfang Dezember, d. Red.) unter schwierigen Bedingungen, weil es zuvor nicht gut lief. Das zeigt, dass bei den Jungs dieser gewisse Hunger nach mehr da ist.

BZ:
Der SC ist seit 2014 Rekordpokalsieger mit fünf Titeln. Bekommen Sie das in der Fußballschule schon mal gesteckt?
Stamm: Klar wird auf dem Flur schon mal spaßeshalber gefrotzelt, hei, es wär mal wieder an der Zeit. Doch die Qualität der Teilnehmer hat ja in diesem Jahr zugenommen. Neben den 21 Verbandspokalsiegern dürfen nun auch die ersten drei Vereine jeder Bundesligastaffel mitmachen. Freilose gibt es nun nicht mehr.

BZ:
„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“ Haben Sie diesen Slogan für die Mannschaft in den vergangenen Wochen auf den Index stellen müssen?
Stamm: Nein, unsere Arbeit ist nicht allein auf dieses Spiel ausgerichtet, wir haben das nicht groß thematisiert. Die Jungs haben den Fokus Woche für Woche stets auf das bevorstehende Spiel verschoben. Klar, seit dem Wochenende steigt Tag für Tag die Vorfreude auf das Halbfinale.

BZ:
Täuschte also der Eindruck, dass die Konzentration auf die Bundesliga jüngst etwas gelitten hat? Von den letzten neun Ligaspielen gingen sieben verloren.
Stamm: Das liegt an den sehr vielen verletzten und angeschlagenen Spielern, die wir hatten und noch haben. Es begann Ende November, als sich im letzten Vorrundenspiel gegen Mainz vier, fünf Spieler längerfristig verletzten, darunter Akteure wie Lino Tempelmann oder Luca Herrmann. Anschließend konnten wir in keinem Spiel die gleiche Mannschaft wie in der Vorwoche aufbieten. Gegen Frankfurt standen im Februar drei U-16-Spieler auf dem Feld. Jetzt kommt der eine oder andere zurück, allerdings mit wenig Spielpraxis und ohne Rhythmus.

BZ:
In den vergangenen vier Spielen blieb die U19 dreimal ohne Torerfolg – liegt das Problem im Kreieren von Torchancen?
Stamm: Torchancen hatten wir zur Genüge. Was vielleicht fehlte, waren die Kaltschnäuzigkeit und das Erfolgserlebnis. Viele, die vorne für Furore sorgen können, waren nicht optimal in der Box besetzt. Luca Herrmann und Carlo Boukhalfa mussten eine Linie weiter hinten spielen, Enzo Leopold und Nico Schlotterbeck haben zeitweise gefehlt. Wenn wir hier Kleinigkeiten justieren, kann der Knopf schnell wieder aufgehen.

BZ:
Immerhin sind sie noch Tabellenfünfter, waren lange auf Tuchfühlung zur Spitze. Ist der aktuelle Kader der stärkste, den sie bislang beim Sportclub hatten?
Stamm: Eigentlich ist der Kader ähnlich zu bewerten wie jener des vergangenen Jahres. Klar, wir haben im Sommer durch Nico Schlotterbeck (vom Karlsruher SC, d. Red.) und Lino Tempelmann (1860 München) Qualität von außen bekommen. Was die aktuelle Gruppe auszeichnet, ist ihre Homogenität. Sie geht sehr ehrlich und offen miteinander um, besitzt einen guten Charakter. Man muss nicht permanent der Antreiber sein, vieles kommt selbst aus der Gruppe heraus. Die Jungs wissen, was sie drauf haben.

BZ:
Sind Sie im dritten Jahr als SC-Trainer nun endgültig hier angekommen?
Stamm: Es hat von Anfang an gepasst, doch es bleibt ein ständiger Prozess, in der Trainingsarbeit und Spielphilosophie eigene Ideen unterzubringen. Man braucht seine Zeit, um ein Gefühl für die Mannschaft, den Verein und das Umfeld zu bekommen. Positiv in diesem Jahr ist auf jeden Fall die Kontinuität im U-19-Trainerstab mit Ewald Beskid und Ali Gasmi. Alle ziehen in die gleiche Richtung.

BZ:
Borussia Mönchengladbach ist in der Bundesliga West lediglich Tabellenelfter – sind Sie deshalb Favorit?
Stamm: Das glaube ich nicht. Bei Gladbach waren in der Hinrunde viele Stammspieler verletzt. Jetzt sind sie wieder gut aufgestellt, haben sich im Winter noch mal verstärkt und von den letzten sieben Pflichtspielen fünf gewonnen. Da kommt richtig viel Qualität auf den Platz. Ich sehe das Spiel als Fifty-fifty-Geschichte.

BZ:
Worauf wird es am Samstag für Ihr Team ankommen?
Stamm: Es geht darum, der Energie eines Heimspiels freien Lauf zu lassen, den Moment vor einer guten Kulisse zu genießen und alles reinzuhauen.

Zur Person:
Thomas Stamm: Der 35-jährige Schweizer mit deutschen Wurzeln (Mutter ist Münchnerin) stammt aus dem kleinen Ort Schleitheim im Nordzipfel des Kantons Schaffhausen an der Grenze zu Deutschland. Als Aktiver spielte Stamm für den FC Schaffhausen und FC Winterthur in der zweithöchsten Liga (Challenge League), eher er in beiden Klubs als Jugendtrainer und Nachwuchskoordinator tätig war, dazu als Co-Trainer der Schweizer U-15-Nationalmannschaft. 2015 holte ihn der SC Freiburg als Trainer der A-Junioren in sein Nachwuchsleistungszentrum. Stamm besitzt die UEFA-Pro-Lizenz (vergleichbar dem Fußballlehrer in Deutschland), doch er hält mehr von der täglichen Weiterbildung auf dem Feld: „Es ist wichtig, im Hamsterrad aktiv zu bleiben.“
Aufrufe: 015.3.2018, 20:00 Uhr
Matthias Kaufhold (BZ)Autor