2024-04-29T14:34:45.518Z

Ligabericht
Nicht dran lehnen, könnte auseinanderfallen. Das Sportheim am Eulenkopf ist in einem miserablen Zustand.	Foto: Dittrich
Nicht dran lehnen, könnte auseinanderfallen. Das Sportheim am Eulenkopf ist in einem miserablen Zustand. Foto: Dittrich

»...sonst wird es dramatisch«

CORONA-SITUATION: +++ Kleine Gießener Vereine zwischen ausbleibenden Einnahmen, weiterlaufenden Kosten und Sorgen um Jugend / Vorsichtiger Optimismus / Desolates ACE-Sportheim +++

GIESSEN. Zu kämpfen haben sie alle in der Corona-Krise, Großvereine wie der MTV 1846 Gießen mit Mitgliederschwund, die Dorfvereine mit dem brachliegenden Vereinsleben und den fehlenden Einnahmen, die freilich auf‘m Land durch den ein oder anderen vereinsnahen Gönner leichter aufgefangen werden können und die kleinen Gießener Stadtvereine, die nur eine oder wenige Sparten haben, mit erheblichen finanziellen Dellen und den Bedenken, dass insbesondere im Jugendbereich Strukturen wegbrechen könnten.

Wir haben nachgefragt und nachdenkliche Vereinsvorsitzende erlebt – bei den „kleinen Gießenern“, von denen allerdings der Athletic Club Eulenkopf (ACE) das dickste Brett zu bohren hat – das schon vor Corona völlig marode Vereinsheim, das bald über den Köpfen zusammenbricht. Dort geht es schleppend bis gar nicht voran, obwohl bei einer Begehung im vergangenen Sommer zugesichert worden war, dass sich was tun soll. Dem ACE-Vorsitzenden Theo Strippel jedenfalls liegt es schwer auf der Seele, dass „wir in einer solchen Bruchbude unsere Vereinsarbeit machen müssen“, zumal bei einer Ortsbegehung des nur für wenige Jahre ausgelegten Leichtbaues, der jetzt schon Jahrzehnte steht, eine Mängelliste von Schimmel bis zu herunterkommenden Decken erstellt wurde. Gibt es einen (neuen) Stand nach der im letzten Sommer durchgeführten Begehung? Wird das Gebäude saniert, abgerissen und neu gebaut? Und in welchem Zeitrahmen soll das erfolgen? So lauteten die Fragen an die Stadt, die von Pressesprecherin Claudia Boje mit: „Nein, derzeit kein neuer Stand“, beantwortet wurden.

Das heißt für die Fußballer, aber auch die Kraftsportler, die nach strengem Hygienekonzept derzeit mit maximal zwei Personen im Kraftraum aktiv sein können, weiter unter unwürdigen Bedingungen trainieren zu müssen. Bitter für eine Abteilung, die nicht nur eine Vielzahl internationaler Erfolge für Gießen einfahren konnte, sondern auch für ihren integrativen Ansatz viel Lob erhält. „Davon kann man sich aber nichts kaufen“, sagt Strippel, dessen Verein schon über eine Crowdfunding-Aktion versucht hat, „Gelder zu erbetteln, anders kann man das ja nicht nennen“. Und sich immerhin über Unterstützung durch die ehedem als Studenten von Horst-Eberhard Richter am Eulenkopf aktiven Sozialarbeiter freuen konnte. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Insgesamt vermisst der ACE-Vorsitzende eine „Einbindung auch in die Strukturen mit dem neuen Baugebiet, denn da liegt doch unser Potenzial, wenn wir Jugendarbeit für das ganze neu entstehende Viertel anbieten könnten.“ Aber wer wolle schon da seine Kinder hinschicken, wenn „das Sportheim so aussieht“, fragt der Ex-Powerliftingweltmeister rhetorisch.

Das Spezialproblem der Blau-Gelben reicht über die Corona-Problematik hinaus, doch auch Strippels guter Kumpel Erwin Pitz, Vorsitzender von Schwarz-Weiß Gießen, weiß davon ein Lied zu singen: „Das Problem für die kleinen Stadtvereine ist ja, dass die Kosten und Abschläge für Strom, Wasser und Co erst mal weiterlaufen und abgebucht werden“, das sei ohne Einnahmen aus dem Verkauf bei Spielen oder der Kneipe kaum zu bewältigen. Hilfen der Stadt? „Na ja, in einem Jahr gab es 250 Euro. Das ist, gelinde gesagt, sehr, sehr wenig.“Die Hoffnung ist, dass „wir natürlich durch die minimale Nutzung auch fast nichts verbraucht haben“ – ergo setzen Pitz und Strippel auf eine satte Rückzahlung. Bis aber das Vereinsleben wieder in Gang kommt und auch Einnahmen wieder generiert werden können, „wird es noch eine schwere Zeit“, auch wenn Schwarz Weiß und der ACE aufgrund ihrer relativ geringen Kosten für die Mitgliedschaft kaum Austritte haben. Im Gegensatz zu Großvereinen.

Keine Austritte hat aktuell auch Blau-Weiß Gießen zu beklagen, andererseits bietet die „Corona-Krise“ auch keine Möglichkeit, dringend benötigte Mitglieder neu zu werben. Vor allem für die neue Mädchenmannschaft, die sich im Aufbau befindet, ist das äußerst ungünstig. „Das ist natürlich eine sehr schwierige Zeit, zumindest kann im Jugendbereich teilweise und nach Vorgaben ein bisschen trainiert werden, für die Aktiven ist es natürlich ganz dramatisch, seit November so gar nichts machen zu können. Klar ist privat oder online etwas möglich, aber Fußball ist natürlich ein Mannschaftssport. Da geht es ja auch um ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das zum Glück aber noch gut ist“, weiß Norbert Matt um die Probleme in dieser Zeit und dass mögliche Verluste bei den Mannschaften drohen.

Von Vorteil erwies sich während der Krise immerhin die Tatsache, dass der Verein auf „gesunden Füßen“ (Matt) steht, so konnten Verluste durch fehlende Einnahmen aufgefangen oder auch kleine Umbauarbeiten finanziert werden. „Trotzdem ist für mich klar, dass es eine zweite Saison dieser Art nicht geben darf. Es muss jetzt langsam wieder losgehen, sonst wird es dramatisch. Wir sind auf Zuschauer und auf dem Umsatz bei den Heimspielen einfach angewiesen“, führt Abteilungsleiter Matt aus, sieht aber bei möglichen Lockerungen eventuell weitere Probleme. „Sicherlich steigt die Lust auf den Fußball, ob er allerdings Priorität genießt, wenn die Leute vieles so lange nicht machen konnten, wird sich erst noch zeigen!“

„Ich habe hier und da in unsere Mannschaften hineingehört, auch durch die verschiedenen Chatgruppen, und merke, dass alle einfach Bock darauf haben, wenn sie wieder kicken können“, berichtet Björn Watzke, „Mädchen für alles“ beim ASV Gießen, und blickt der näheren Zukunft deswegen optimistisch entgegen. Vor allem im Jugendbereich hat sich viel getan, bis auf die A-Junioren sind alle Jugendjahrgänge besetzt und in der kommenden Saison am Start. Watzke selbst wird dann als Coach der B-Junioren tätig sein. „Positiver Nebeneffekt war zudem, dass wir doch ein wenig Zeit hatten und auch einige junge Helfer gefunden haben, die auch gerne als Trainer einsteigen wollen“, so der 37-Jährige.

Auch bei den Aktiven ist aktuell alles im Lot, statt Abgängen hat der Kreisoberligist den Kader für die kommende Runde noch ein wenig mit Zugängen vergrößert. Eifrig nutzen die Spieler – natürlich unter Einhaltung der Coronavorgaben – den „Fitnesscontainer“ am Vereinsgelände, um in Form zu bleiben. Und auch was die Finanzen angeht, so sieht der ASVler zumindest keine existenzbedrohenden Einschnitte. „Natürlich fehlen uns aktuell die Einnahmen, ganz klar. Dafür sind die Ausgaben aber doch relativ gering, zudem konnten wir das eine oder andere drohende Loch mit Coronahilfen stopfen“, ist Watzke für die Zukunft guten Mutes.

Sorgen macht man sich beim benachbarten 1. SC Sachsenhausen nach der langen Zwangspause, vor allen Dingen um den Nachwuchs. „Kinder sind nun mal die Zukunft, auch die unserer Sportart. Für sie ist das lange Verbot, ihren Sport auszuüben, natürlich besonders schlimm. Insgesamt müssen wir als Verein viel tun, um unsere Mitglieder anzusprechen und bei Laune zu halten, beispielsweise auch die Schiedsrichter, die ja ebenso lange raus sind wie die Spieler“, berichtet Ümit Koc, selbst ja schon seit vielen Jahren an der Pfeife tätig. Zudem haben die Weststädter auch damit zu kämpfen, dass ihnen wichtige Einnahmen durch Festivitäten oder Turniere weggebrochen sind, Beiträge wurden von den Mitgliedern zudem nicht erhoben. „Wir sind sehr froh darüber, dass uns unsere Sponsoren auch hier und da weiter unterstützt und doch so manches Loch gestopft haben“, führt der Abteilungsleiter aus. Äußerst positiv war zudem, dass das lang anhaltende Problem des Hasenschutzes in Zusammenarbeit mit dem Sport- und dem Gartenbauamt behoben und das Sportgelände nun eingezäunt wurde. „Es hat insgesamt fast fünf Jahre gedauert, aber jetzt können wir endlich Vollzug melden. Das war uns ein wichtiges Anliegen, daher geht unser Dank an die zuständigen Stellen der Stadt“, lobt Koc.

Positiv blickt die Freie TSG Gießen der Zukunft entgegen, zumindest um das kickende Personal macht sich der Verein von der Liebighöhe trotz der langen Pause keine Sorgen. Der Grund hierfür: Stefan Hassler. Bereits ab der Rückrunde der Saison 2020/21 hätte der Coach, der zuvor für den Gruppenligisten SG Kesselbach/Odenhausen/Allertshausen tätig war, das Traineramt übernehmen sollen, baut nun aber das Team für die kommende Runde auf. „Stefan ist – vor allem auch in dieser Situation – ein absoluter Glücksgriff für unseren Verein. Es ist ihm eine Herzensangelegenheit, er ist schließlich schon seit rund 20 Jahren Mitglied“, freut sich „Mister Freie TSG“, Willi Klein, und führt noch aus. „Ohne ihn wäre es womöglich schwierig geworden, aber Stefan hat natürlich einen Plan, einen guten Namen und kennt sehr viele Spieler. Daher bin ich hinsichtlich der kommenden Saison sehr guter Dinge!“

Klein, der positiv erwähnt, dass auch die Tennisabteilung ihrem Sport – zumindest mit der coronabedingt erlaubten Anzahl – nachgehen kann, fügt aber noch an, dass trotzdem auch der eine oder andere Euro fehlt. „Uns fehlen natürlich vor allem die Einnahmen aus der Bewirtung im Sportheim. Leider können wir dafür auch keine Coronahilfe beantragen, weil ich davon ja nicht lebe, sondern das praktisch nebenher mache. Aber wir bleiben positiv gestimmt, immerhin fallen ja auch die Strafen für Roten Karten oder Ähnliches weg“, nimmt Willi Klein die Situation gelassen und mit dem ihm eigenen Humor.



Aufrufe: 018.5.2021, 08:00 Uhr
Marc Steinert und Rüdiger Dittrich (Gießener AnzeiAutor