2024-04-25T14:35:39.956Z

Im Nachfassen
Matchwinner: In der 1. Halbzeit ließ Phil Beckhoff gute Chancen aus. Dann aber zeigte sich der Wiedenbrücker Stürmer zweimal eiskalt.
Matchwinner: In der 1. Halbzeit ließ Phil Beckhoff gute Chancen aus. Dann aber zeigte sich der Wiedenbrücker Stürmer zweimal eiskalt. – Foto: Jens Dünhölter

SC Wiedenbrück-Akteure bekommen zwei Tage frei

Regionalligist schießt in Unterzahl drei Tore und gewinnt bei Rot-Weiß Ahlen mit 4:2. „Turbo“ Phil Beckhoff avanciert zum Matchwinner.

Der SC Wiedenbrück setzt als Rückkehrer weiter Ausrufezeichen in der Regionalliga West. Obwohl er fast die gesamte 2. Halbzeit in Unterzahl agieren musste, gewann der Aufsteiger das von nachbarschaftlicher Rivalität und persönlicher Brisanz aufgeladene Derby bei Rot-Weiß Ahlen am Samstag (26. September 2020) mit 4:2. „Das war sehr imponierend“, kommentierte Trainer Daniel Brinkmann den Auftritt seiner Mannschaft im Wersestadion. Mit sieben Punkten aus vier Spielen rangiert der auf den Klassenerhalt ausgerichtete SCW als Neunter in der oberen Tabellenhälfte, obwohl er ein oder zwei Partien weniger absolviert hat als die meisten Konkurrenten. Björn Mehnert sprach ohne jede Beschönigung von einer verdienten Niederlage. „Unser Defensivverhalten in Überzahl war nicht Regionalliga-würdig“, bedauerte der Ahlener Coach.


Auch wenn sie sich in der Beurteilung einig waren, gab es den üblichen Handschlag zwischen den Trainern beider Teams nach dem Schlusspfiff nicht. Nach der speziellen Vorgeschichte war das aber auch nicht zu erwarten gewesen: Mehnert war im Januar als Coach des Oberliga-Spitzenreiter SC Wiedenbrück entlassen worden – der bisherige Spieler Brinkmann, wie viele in der Mannschaft nicht mehr einverstanden mit dem Trainer, hatte die Aufgabe übertragen bekommen und war mit nur drei Spielen als Meister in die Regionalliga aufgestiegen. Zu sehen von der gegenseitigen Abneigung war am Spielfeldrand aber nichts. Dafür gingen die Spieler auf dem Platz ordentlich zur Sache. Schiedsrichter Martin Tietze zückte elf Mal die gelbe Karte. Saban Kaptan sah zwei davon und musste deswegen mit Gelbrot vom Platz. Der Wiedenbrücker Mittelfeldspieler mischte sich in der 10. Minute überflüssigerweise in einen Streit zwischen Lucas Klantzos (SCW) und dem Ex-Wiedenbrücker Sven Höveler (RWA) ein – und zwar so heftig, dass sich Höveler nach einem Bodycheck theatralisch auf den Boden werfen konnte. Selbst über Rot hätte sich Kaptan in diese Szene nicht beschweren dürfen.

Den Platz verlassen musste er dann in der 48. Minute: Sauer über einen (zurecht) ausgebliebenen Freistoßpfiff brachte Kaptan in der 48. Minute mit Matthias Tietz einen weiteren Ex-Wiedenbrücker absichtlich zu Fall und erwies seiner Mannschaft damit einen Bärendienst. „Darüber reden wir noch, aber er hat sich entschuldigt“, sagte der im Jubel über den Sieg milde gestimmte Daniel Brinkmann. Die Unterzahl drohte eine Partie vollends zu Ungunsten des SC Wiedenbrück zu kippen, die längst zugunsten des SC Wiedenbrück hätte entschieden sein müssen. „Wenn alles normal läuft, führen wir zur Halbzeit 3:0 oder 4:0“, verwies Brinkmann auf eine ganze Ansammlung bester Torchancen. Es stand aber 1:1, weil Leon Tia in der 36. Minute eine Hereingabe von Ahlens Mike Pihl nicht verhinderte. Luca Steinfeldt verpasste den Ball, aber dahinter war Arda Nebi per Kopf zur Stelle.

Ausgeglichen wurde damit eine Wiedenbrücker 1:0-Führung, die schon aus der 2. Minute datierte. Nach einem Ballgewinn am eigenen Strafraumeck hatte Saban Kaptan einen glänzenden Steilpass auf Lucas Klantzos gespielt. Der erstmals für die Anfangself nominierte Stürmer setzte sich auf dem linken Flügel gegen zwei Gegenspieler durch und passte nach innen, wo Niklas Szeleschus den Ball nur noch einschieben musste. Mit weiteren Angriffen über den linken Flügel, wo Phil Beckhoff mehrfach den Turbo zündete, zwang der SC Wiedenbrück den Gegner schon früh zur Änderung der Grundformation: Mehnert („Die Probleme am Anfang nehme ich auf meine Kappe“) stellte von Dreier- auf Viererkette um. Verhindern konnte das die Chancenfülle für das Brinkmann-Team nicht. Beckhoff mit seinem schwächeren rechten Fuß (20., 29.), und Oliver Zech (35., Schmidt rettet auf der Linie) brachten den Ball aber nicht im Ahlener Tor unter. Und in der 41. Minute zirkelte Beckhoff einen Freistoß, dismal mit links, an den Pfosten.

„In der Pause war der Kopf unten“, gestand Phil Beckhoff, „aber die Jungs haben mich wieder aufgebaut.“ Auch der Platzverweis für Saban Kaptan ließ den 20-Jährigen nicht verzweifeln. Nur zwei Minuten danach bot sich ihm die nächste Chance, und er nutzte sie mit einem Heber über Torhüter Bernd Schipmann zum 2:1. Und in der 57. Minute – wieder hatte der SCW mit seinem offensiven Pressing den Ball erobert – schob er zum 3:1 ein. „Dass wir das in Unterzahl geschafft haben, zeigt, was für eine geile Mannschaft wir sind“, schwärmte Beckhoff hinterher vom Teamgeist.

Den, und einen mehrfach glänzend reagierenden Torhüter Marcel Hölscher benötigte der SC Wiedenbrück anschließend, um den Anschlusstreffer der bemüht, aber ohne erkennbares Konzept angreifenden Gastgeber zu verhindern. Als der gerade eingewechselte Christian Will mit seinem ersten, von Philipp Aboagye abgefälschten Ballkontakt das 4:1 erzielte (90.), war die Partie längst entschieden. Dass Max Wilschrey, der dritte Ex-Wiedenbrücker im RWA-Team, in der Nachspielzeit noch verkürzte, war nurmehr eine Randnotiz, die die Zufriedenheit von Daniel Brinkmann nicht mindern konnte. „Wir haben über 90 Minuten gezeigt, dass wir die deutlich bessere Spielanlage hatten“, sagte der 34-jährige Ex-Profi. Und weil er neben der taktischen Reife auch stolz auf die kämpferische Energieleistung war („Obwohl wir auf dem letzten Loch gepfiffen haben“), gab er der Mannschaft zur Belohnung zwei Tage frei.

Aufrufe: 027.9.2020, 14:30 Uhr
Wolfgang Temme / FuPaAutor