2024-05-02T16:12:49.858Z

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Türkgücü-Abteilungsleiter Gökhan Bariskan prangert nicht die Strafe, wohl aber die falsche Herangehensweise bei der Urteilsfindung an: "Leider hat keiner hören wollen, warum es überhaupt dazu gekommen ist. Warum er so ausgetickt ist.“ Foto: Luge
Türkgücü-Abteilungsleiter Gökhan Bariskan prangert nicht die Strafe, wohl aber die falsche Herangehensweise bei der Urteilsfindung an: "Leider hat keiner hören wollen, warum es überhaupt dazu gekommen ist. Warum er so ausgetickt ist.“ Foto: Luge

Relative (Un-)Gerechtigkeit

„Ist der Ruf erst ruiniert“: SV Türkgücü reagiert desillusioniert auf das Urteil der Spruchkammer

Bad Kreuznach. Der falsche Film? Ein schlechter Witz? „Ich kann es immer noch nicht fassen und weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll.“ Ekrem Emirosmangoglu, der Fußballcoach des SV Türkgücü Ippesheim, sagt das wenige Tage nach „einer mehr als einseitigen Sportgerichtsverhandlung in Kaiserslautern“. „Ich weiß nicht, ob es an unserem Vereinsnamen liegt, dass keine unserer Aussagen erhört worden ist“, setzt der 29 Jahre alte Spielertrainer des Bezirksligisten fort, „aber unter Gerechtigkeit verstehe ich etwas anderes.“

Knapp drei Wochen nach den Vorfällen am Ende des Ippesheimer Gastspiels beim TuS Mörschied (wir berichteten) hat die Verbandsspruchkammer ein Urteil gefällt. Zu diesem Urteil fällt Türkgücü-Abteilungsleiter Gökhan Bariskan zunächst nur ein Wort ein: „Krass!“ Ihm geht es dabei nicht mal um das Strafmaß für Erhan Kurpejovic, der aus dem unübersichtlichen Rudel heraus mit einem Schlag einem Mörschieder die Nase gebrochen hat. Elf Monate muss der 24 Jahre alte Mittelfeldspieler für seine „Tätlichkeit gegen mehrere Spieler“ (so das Urteil) aussetzen. „Die Dauer der Sperre prangern wir gar nicht an“, sagt Bariskan, „sie hätten ihn auch für zwei Jahre sperren können. Was er getan hat, war falsch. Leider hat keiner hören wollen und hat es auch nicht hinterfragt, warum es überhaupt dazu gekommen ist. Warum er so ausgetickt ist.“ Nein, bestätigt auch Coach Emirosmanoglu, die Ippesheimer Sichtweise habe in den drei Stunden niemanden interessiert. „Wir wollen die schlechte Tat gar nicht rechtfertigen, denn so etwas gehört nicht auf den Fußballplatz, das weiß „Cello“ (Erhan Kurpejovic) am besten. Aber er wird nun dargestellt, als sei er tollwütig auf sechs, sieben Spieler losgegangen, als sei er der Auslöser gewesen – und das war einfach nicht der Fall. Offensichtlich hat man einen Sündenbock gesucht und hat ihn gefunden. Obwohl er erst eingegriffen hatte, als fünf, sechs Mörschieder – zum Teil mit Bierflaschen – auf einen seiner Mitspieler losgegangen sind.“

Sachlage bleibt konfus, Schiri hat das letzte Wort

Die Sachlage stellt sich auch drei Wochen nach den Vorkommnissen so konfus dar wie auf dem Fußballplatz. Die Meinung des Schiedsrichters, der wiederum eine Erklärung geliefert haben soll, die weder von Ippesheimer noch Mörschieder Seite bestätigt worden sei, war ausschlaggebend. Wie so oft hat der Referee das letzte und entscheidende Wort.

„Eigentlich“, sagt Bariskan, „kann man sich den Weg zu so einer Verhandlung sparen, wenn man nur gegen die Wand redet. Am Ende hieß es, Mörschied habe alles glaubhaft dargestellt. Nur als es um die Sperre für den Mörschieder Pascal Stauch ging und Erhan erklärte, dass er mit dem Spieler gar nicht in Berührung gekommen war, wie wiederum vom Schiedsrichter dargestellt, spielte das plötzlich eine Rolle.“ Der Mörschieder Stauch wurde für „eine Tätlichkeit gegen einen Spieler“ für zwei Monate gesperrt – und ist ab dem 11. Januar wieder spielberechtigt. „Da fragt man sich schon, ob man im falschen Film ist“, sagt Bariskan, „und warum die Dinge ausgelegt werden, wie sie ausgelegt werden.“

Für das „rassistische und menschenverachtende Verhalten“ wurde der TuS Mörschied mit einer vergleichsweise milden Geldstrafe in Höhe von 500 Euro belegt. „Da waren Massen auf dem Platz und wir wurden unter anderem als ,Scheiß-Türken‘ bezeichnet und uns wurde der ,Unfalltod‘ gewünscht“, sagt Emirosmanoglu, „und wenige Wochen vorher bekommen wir für einen einzigen Zuschauer, der in einem C-Klasse-Spiel den Schiedsrichter verbal angeht, eine Strafe von 550 Euro aufgebrummt. Da fehlt einfach die Relation.“ Und weiter: „Man fragt sich, ob es bei solchen Entscheidungen eine Rolle spielt, aus welchem Land man kommt oder wie der Verein heißt.“

Seitdem er denken könne, müsse er sich mit dieser Thematik auseinandersetzen, erklärt Bariskan, der desillusionierte Abteilungsleiter. „Ist der Ruf erst mal ruiniert, glaubt dir kein Mensch mehr“. Er wisse durchaus, wie er Blicke oder Gestiken während einer dreistündigen Verhandlung zu verstehen habe und habe deshalb nach der Urteilsverkündung noch mal klar und etwas lauter zum Ausdruck gebracht, dass er sich und seinen Verein ungerecht behandelt fühlt. Allein: Es ändert nichts. „Wir verzichten auf einen Einspruch, aber vielleicht verzichten wir beim nächsten Mal ganz einfach auch auf die Fahrt zu einer so traurigen Veranstaltung.“



Aufrufe: 07.12.2018, 18:00 Uhr
Henning KunzAutor