2024-05-16T14:13:28.083Z

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Jeremy Kaatz.
Jeremy Kaatz. – Foto: SSC Südwest

"Muss auch mal betont werden, dass die Spieler einem viel wiedergeben"

Jeremy Kaatz, spricht vor dem Spiel seines SSC Südwest gegen Stern Britz über seinen Wechsel in den Herrenbereich, die ersten Eindrücke und Ziele in der Landesliga-Saison

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Jeremy Kaatz

Jeremy, sportlich war der Saisonstart optimal. Wie bewertest du diesen aus Trainersicht?
Ich möchte den Start nach zwei Spielen nicht überbewerten, s ist eine schöne Momentaufnahme. Außer Frage steht, dass wir natürlich glücklich über die zwei Siege sind. Unser Ziel ist weiterhin nicht alle Spiele zu gewinnen, sondern so viele Punkte wie möglich zu holen. Und trotzdem muss ich sagen, dass noch einige Defizite zu sehen waren. Aber diese Sicht hat wohl jeder Trainer, wir sind eigentlich nie zufrieden. Wir werden aber an uns arbeiten müssen, es stehen noch harte Aufgaben bevor.

Von welchen Defiziten sprechen wir an dieser Stelle?
Es geht dabei um keine großen Dinge, betrifft eher individuelle Sachen innerhalb der Mannschaft. Wir haben eine sehr junge Mannschaft, die den Ball immer schnellstmöglich nach vorne spielen möchte. An manchen Stellen sind wir dabei zu ungeduldig und die Cleverness fehlt. Wir müssen das naive auch mal sein lassen und den Ball einfach in den eigenen Reihen halten. Wir haben zwei Routiniers in unseren Reihen, die versuchen das Geschehen zu leiten, daran müssen wir uns noch mehr orientieren. Mannschaftstaktisch ist die Leistung vollkommen in Ordnung.



Wenn ich mich nicht täusche warst du bereits 2015/2016 als Spieler beim SSC Südwest. Wie kam es nun zu deiner Rückkehr als Cheftrainer?
Ich möchte erstmal festhalten, dass ich den Posten nicht alleine innehabe. Ich führe das Amt zusammen mit Denis Michler aus. Wir sind ein gleichgestelltes Trainer-Duo, mit einer ausgewogenen Aufteilung der Aufgaben. Über meine Freundschaft zu ihm entstand auch der Kontakt. Wir haben beide zuvor als Jugendtrainer gearbeitet, beide eine U17 trainiert. Da ich ein großer Fan von Testspielen bin, habe ich im Laufe der letzten beiden Jahre bei Stern 1900 eine „Kooperation“ mit dem SSC Südwest geschlossen. Wir haben die Mannschaften immer mittwochs gegeneinander spielen lassen. Daraus hat sich die Freundschaft, auch außerhalb des Platzes entwickelt. Die Aufgabe, die 1. Herren zu betreuen, wurde uns beiden dann vorgelegt. Mir macht es die Aufgabe auch leichter, einen Partner an der Seite zu haben. Wir ergänzen uns bei unseren Schwerpunkten und es hat mir zu Beginn der Druck genommen, mit Dennis hier zu arbeiten, der bereits seit 15 Jahren im Verein ist.

Hatte man sich denn in den fünf Jahren generell aus den Augen verloren, oder bestand immer Kontakt?
Teils, teils. Natürlich bin ich einen anderen Weg eingeschlagen, habe bei anderen Vereinen gearbeitet und dadurch hat man sich ein wenig aus der Augen verloren. Aber ich stehe auf ein großes Netzwerk im Fußball und wir sind uns immer mal wieder auf den verschiedensten Plätzen über den Weg gelaufen. Man spricht dann locker miteinander, vor allem zum Vorstand ist der Kontakt so nie abgerissen. Dazu muss ich sagen, dass ich mit einigen Spielern hier noch zusammengespielt habe, oder sie in der Jugend schon trainiert habe. Generell ist der SSC Südwest ein sehr familiärer Verein mit gefestigten Strukturen, der trotzdem immer wieder offen für neue Ideen ist.

Bisher hast du bei Stern 1900 (Co-Trainer U19 und zuletzt zwei Jahre Cheftrainer bei der U17, sowie der U17 vom BSV 1892) nur Jugendmannschaften trainiert. Wie war der Unterschied, der Sprung in den Herrenbereich?
Ich muss sagen, der Bruch zwischen Jugend und Herren war sehr groß. Vor allem der körperliche Faktor spielt hier eine große Rolle. Zudem gibt es andere soziale Gegebenheiten, andere Abläufe, eine andere Trainings und Spielvorbereitung. Ich habe es mit gestandenen Männern zu tun, die alle im Leben stehen und nicht zur Schule gehen. Erzähl mal einem erfahrenen Spieler, dass du mit 27 sein neuer Cheftrainer bist, der guckt auch erstmal komisch. Ich muss sagen, ich habe auch unterschätzt wie das ganze gelebt wird. Wir spielen vor Fans, nicht mehr vor Eltern. Das gefällt mir aber. Man fühlt sich aktiv im Vereinsleben, es gibt ein größeres Knistern, das Feuer wurde neu entfacht. Natürlich ist es auch eine andere Organisation, die Trainingsbeteiligung im Jugendbereich ist zum Beispiel höher.

Wie sind generell deine ersten Eindrücke von dem Team nach der langen Pause und nach deinen ersten zwei, drei Monaten?
Fußballerisch bin ich mit der Mannschaft mehr als zufrieden. Uns war nicht klar, wie die Kaderstruktur sein würde, nach der langen Pause konnte man das nicht vorhersehen. Wer kommt, wer kommt nicht, wie fit oder unfit sind die Spieler? Wenn man dann als 27-Jähriger die Spieler erstmalig kontaktiert, ich habe es oben bereits erwähnt, kommt erstmal Skepsis auf. Doch wir haben recht schnell zueinander gefunden, sind über die Testspiele auch schnell zusammengewachsen. Wir sind auf einem guten Weg und dabei muss auch mal betont werden, dass die Spieler einem viel wiedergeben. Sie sind nach neun Monaten einfach froh, wieder regelmäßig auf dem Platz stehen zu dürfen. Wir haben das Trainingspensum auch von zwei auf drei Einheiten angehoben. Für die Jungs ist es einfach eine Flucht aus dem Alltag, man hat gemerkt, dass ihnen diese Abwechslung gefehlt hat.

Jetzt ist es so, dass nahezu alle eure Neuzugänge im Sommer von Stern 1900 kamen. Wie ist das zu beurteilen?
Der SSC Südwest profitiert an dieser Stelle natürlich sehr vom Aufstieg von Stern 1900. Die erste spielt in der Oberliga, die zweite ist bei uns in der Staffel. Die Spieler sind gut ausgebildet worden, bringen eine gewisse Qualität mit. Klar ist aber, dass wenn die ersten Spieler diesen Schritt gehen, dass dann eine Spirale entsteht. Da brauchen nur ein, zwei Spieler unzufrieden mit ihrer Spielzeit gehen und schon wechseln sie den Verein. Durch die unmittelbare Nähe kommen wir da natürlich in Betrachtung. So entsteht eine Gruppendynamik, wenn die Neuzugänge ihren Freunden erzählen, wie es im neuen Verein läuft. Das muss natürlich nicht automatisch laufen, der Fußball ist kein Wunschkonzert. Aber bei uns, ich habe letztens mal geschaut, haben 80% der Spieler eine Vergangenheit bei Stern 1900. Das macht es natürlich auch für uns besonders, es ist nahezu keine Integration der neuen Spieler notwendig.

Merkt man dann auch in den Abläufen, dass die Spieler auch mal in der Jugend, oder jetzt im Herrenbereich schon mal zusammen gespielt haben?
Dafür bin ich zu kurz dabei, um das wirklich zu beurteilen. Nicht abzustreiten ist, dass man eine Verbindung unter den Spielern merkt. Wenn zwei Sechser oder Innenverteidiger auf dem Platz stehen, die sich kennen, harmoniert das natürlich sehr gut.

Was sind deine beziehungsweise eure Ziele mit dem Team in dieser Saison und wen siehst du als Aufstiegskandidaten?
Unser persönliches Ziel mit der Mannschaft ist ein einstelliger Tabellenplatz. Dieses Ziel haben wir um Start ins Kalte hinein aufgestellt, ohne weitere Hintergrundwissen. Du wusstest auch nicht wirklich, wie die anderen sich verstärkt haben, konntet aus der Ferne nur die Testspiele bewerten. Doch auch mit dem Saisonstart wollen wir erstmal daran festhalten. Heute spielen wir gegen Stern Britz, ein schon richtungsweisendes Spiel. Für mich persönlich, auch aufgrund der starken Spiele in der vergangenen Saison, einer der Aufstiegsfavoriten. Es wird zeigen, wohin die Reise geht. Mit einem Sieg können wir nach oben blicken, bei einem Remis oder einer Niederlage stehen wir an der gleichen Stelle wie vorher und gehen unseren Weg weiter. Generell gilt es von Spiel zu Spiel zu gucken und das Ziel dann anzupassen. Neben Britz sehe ich Altglienicke II, den FC Internationale trotz Fehlstart, den SC Borsigwalde und den BFC Meteor noch ganz oben. Wir sehen uns hier eher als Underdog.

Danke für die Einschätzung. Wie sieht es mit deinen persönlichen Zeilen aus? Ist das Trainerdasein mehr eine Ergänzung oder eine Ablenkung zum Alltag, oder möchtest du noch deine große Karriere starten?
In erster Linie ist es ein Ausgleich zum Alltag. Es muss einfach Spaß machen und da möchte ich gar nicht kanalisieren, welche Aufgabe ich ausführe, ob Jugend oder Herren, oder in welcher Liga ich am Seitenrand stehe. Auch der Jugendbereich ist weiterhin für mich vorstellbar. Momentan passt es gerade und ich bin sehr froh, dass der Verein mir das Vertrauen ausgesprochen hat. Doch das Leben ist dynamisch und ich bin sehr kontaktfreudig. In meinen Augen gibt es kein jung und kein alt, für mich gibt es nur gute oder schlechte Trainer – und am Ende des Tages muss ich abliefern, um weiter im Verein zu bleiben oder neue Aufgaben zu finden.

Aufrufe: 029.8.2021, 07:00 Uhr
Marcel PetersAutor