2024-05-28T14:20:16.138Z

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Waldgirmes-Urgestein Horst Gröger (Mitte) im Kreise seiner Torwart-Schützlinge Fabian Grutza (links), Maik Buss (rechts) und Jan Dühring (vorne).	Foto: Georg
Waldgirmes-Urgestein Horst Gröger (Mitte) im Kreise seiner Torwart-Schützlinge Fabian Grutza (links), Maik Buss (rechts) und Jan Dühring (vorne). Foto: Georg

Mit 74 noch lange nicht müde

HESSENLIGA: +++ Horst Gröger ist bei Waldgirmes Torwart-Trainer mit Leib und Seele / Seit 64 Jahren SC-Vereinsmitglied / Klare Worte und modernes Spiel +++

Waldgirmes. „Komm, noch drei Stück, du musst richtig hochgehen, auf, zwei, eins und den letzten köpfen. Sehr gut.“ Horst Gröger ist in seinem Element, weist an, lobt, korrigiert: „Du sollst nicht springen, hast du es gesehen, du bist wieder leicht gesprungen.“ Grögers Stimme ist dabei stets entspannt, seine Ansagen dennoch deutlich.

In einem kleinen schattigen Bereich des Waldgirmeser Rasenplatzes hat es sich Gröger mit den Torhütern des SC Waldgirmes Maik Buss, Jan Dühring und Fabian Grutza „gemütlich gemacht“. Wobei es das an diesem warmen Sommerabend nicht ganz trifft. Denn es steht schweißtreibende Arbeit auf dem Programm. Gröger, mit seinen 74 Jahren topfit, ist Torwart-Trainer des Fußball-Hessenligisten und gibt seinen drei Keepern am Hütchen-Parcours nicht nur Anweisungen vom Rand, sondern ist aktiv am Training beteiligt, lässt es sich nicht nehmen, ihnen die Bälle zu zuspielen oder zu zuwerfen.

Doch Gröger ist vielmehr als ein Torwart-Trainer, er ist vielleicht der Inbegriff eines Vereinsurgesteins. Seit 1955, als damals Zehnjähriger, ist Gröger Vereinsmitglied bei den Lahnauern. „Aber 1953 hat mich mit acht Jahren hier schon jemand trainiert, das weiß ich sicher“, so Gröger. In mittlerweile 64 Jahren als Waldgirmeser hat „der Horsti“, wie er von allen im Verein genannt wird, alles erlebt: Meisterschaften, Auf- und Abstiege als Spieler und an der Seitenlinie, hat Trainer, Spieler und Vorstände kommen und gehen sehen – und war dabei stets die Konstante des Clubs. Zunächst als Spieler, später als Co-Trainer und schließlich seit den 1990er Jahren als Torwart-Trainer.

Ein Aufwand, der für Gröger nur aufgrund der Unterstützung seiner Familie betrieben werden konnte. „Ich war eigentlich jeden Tag unterwegs. Das geht nur, wenn Frau und Familie mitziehen. Meine Frau hat selbst Handball und Fußball gespielt, war sportbegeistert. Auch meine Tochter hat das mitgemacht. Und auch meine jetzige Lebenspartnerin Heike Bayer unterstützt mich super.“

Der Weg zum Torwart-Trainer hatte sich nicht unbedingt abgezeichnet. Denn als Aktiver spielte auf nahezu jeder Position – stand aber nie zwischen den Pfosten. Doch gute Torhüter waren für ihn schon immer „die halbe Miete“. Über Ex-Teamkollege Jürgen Schäfer, der später Physiotherapeut beim 1. FC Köln wurde, kam der Kontakt zu Toni Schumacher zustande, der Gröger mit Tipps fürs Torwart-Training versorgte.

Seitdem hat ihn diese Leidenschaft nicht mehr losgelassen. In den fast 30 Jahren durchliefen große Namen wie Ex-Profi Jörg Kässmann („Ich habe viel von ihm gelernt und er viel von mir. Das war eine wunderbare Zeit.“) oder Dusan Olujic seine Schule. Mit dem Hessenliga-Keeper Olujic verbindet Gröger bis heute eine Vater-Sohn-Beziehung. „Dusan habe ich schon zur Jugendzeit, als er zwölf oder 13 war, trainiert und wir stehen immer noch in Kontakt“, so Gröger, der prompt eine Anekdote parat hat, die verdeutlicht wie sehr Gröger mit Leib und Seele seinen Job macht. „Ende der 2000er war Dusan bei Stadtallendorf. Wir haben mit Waldgirmes gegen sie gespielt und 1:0 gewonnen. Aber auf das Tor, was er reingelassen hat, war ich sauer. In der Halbzeit habe ich ihm gesagt, wie kannst du denn den Ball reinlassen. Dieser Satz ist mir spontan so rausgerutscht, weil er eben mein Torwart war.“ Doch auch zu anderen ehemaligen „Schülern“ hat der 74-Jährige noch einen guten Draht. „Wenn ich den ein oder anderen ehemaligen Torhüter von mir wieder treffe, dann wird sich sofort gedrückt und lange unterhalten.“ Auf diese Geselligkeit und freundschaftlichen Verhältnisse legt Gröger enorm großen Wert. Aus diesem Grund ist er Waldgirmes, mit einer einjährigen Ausnahme Anfang der 80er Jahre in Oberbiel, auch nie untreu geworden. „Früher waren es überwiegend Spieler aus dem Ort, Schulfreunde, mit denen war ich eng verbunden. Auch die Frauen waren immer mit dabei, zu Hause und auswärts. Das war eine Einheit, wie eine Familie.“

Zwar habe sich die Vereinskultur generell verändert, doch „Waldgirmes hatte schon immer eine tolle sportliche Leitung, die für alle und alles da waren. Das ist heute noch Bestandteil des Vereins, deswegen können wir auch Hessenliga spielen. Da geht es nicht um einzelne Spieler oder mich, ich durfte „nur“ mit dabei sein.“ Auch dies unterstreicht der Familienmensch stets: „Der Vorstand war unsere Lokomotive und ich hatte und habe das Glück, dass ich im Waggon mitfahren darf.“ Dass Gröger selbst viel dafür getan hat, dass diese Lok auch immer mit ordentlicher Geschwindigkeit weiter fährt, erwähnt der ehemaligen Verkäufer bei Buderus nur sehr beiläufig und ungerne.

Viel lieber spricht Gröger über seine eigentliche Arbeit, das Torwart-Training, das er zwar sehr anspruchsvoll gestaltet, dabei aber stets viel Wert auf gegenseitigen Respekt und Transparenz legt. „Ich kann nicht einfach nur trainieren, sondern mache immer klar, wie der Torwart eine Übung im Spiel einsetzen kann. Zum Beispiel ist beim Rückwärtslaufen die richtige Schrittkombination unerlässlich, um noch hochspringen zu können, den Ball so eventuell noch wegzufausten und damit auch mal einen Unmöglichen zu halten.“

Diese offene und direkte Art kommt bei seinen Schützlingen an. Fabian Grutza beispielsweise hat Gröger bereits seit 2007 unter seinen Fittichen. „Das Wichtigste ist die Kontinuität. Der Horsti ist die ganze Zeit dabei, hat mich auch unterstützt, als ich mir das Kreuzband gerissen habe. In dieser Zeit hat er mich mit vielen Einzeltrainings wieder aufgebaut. Wenn er mir das berechnet hätte, sehe mein Konto heute anders aus“, schätzt Grutza das Verhältnis.

„Während seines Kreuzbandrisses haben wir an Fabians Technik als Spieler gefeilt, da hatte ihm einiges gefehlt. Zum Beispiel den Ball mit der Brust annehmen, besser ins Spiel eingebunden werden, sicherer mit dem Ball am Fuß sein. Wichtig ist, dass ein Torwart gut mitspielen kann“, so Gröger, der Grutza die Komplimente zurückgibt. „Wir sagen uns stets die Wahrheit, da sind wir knallhart. Ich will ja, dass er ein Top-Torwart wird. Und hinterher gibt’s Streicheleinheiten“, so Gröger schmunzelnd. Dazu passt, dass Grutza ihn an diesem Tag die Einladung zu seiner Hochzeit überreicht. „Er hat mich hier im Verein hochgezogen und zu einer ernst zunehmenden Konkurrenz zu den großen Namen des SC gemacht.“ Auch Jan Dühring ist voll des Lobes für den „Oldie“. „Der Horsti ist ein sehr gelassener und ruhiger Trainer. Er bringt viel Erfahrung mit. Er kann uns viel beibringen, besonders was die Technik eines Torwarts ausmacht.“

Grutza und Dühring („In der Hessenliga braucht man zwei sehr gute Keeper. Da mache ich keine Unterscheidung zwischen Nummer eins und Nummer zwei.“) seien die Gründe, warum für Gröger noch nicht Schluss ist. „Mein ursprüngliches Ziel war es, 2008 aufzuhören, doch dann ist meine Frau tragisch verstorben. Und da hat es mir sehr geholfen, noch ein paar Jahre die Arbeit als Torwart-Trainer weitermachen zu können. Außerdem kommen immer und immer wieder die Torleute zu mir und fragen, was mich sehr freut, ob ich nicht doch weitermachen kann.“ Und wenngleich Gröger kürzer getreten ist und „nur“ noch montags sowie donnerstags auf dem Platz steht und ansonsten Trainer-Kollege Manfred Erhard („ein super Typ und ein richtig, richtig guter Torwart-Trainer.“) das Training überlässt, ist er noch lange nicht müde. „Solange es mir und allen anderen Spaß macht und solange ich noch, trotz aller Wehwehchen, gegen den Ball treten kann und es körperlich geht, mache ich weiter.“ Ein jährlicher Gesundheitscheck bestätigt ihm seine Fitness: „Letzter Stand: Ich kann alles machen, sollte nur keinen Marathon mehr laufen“, so Gröger zufrieden.

Im nächsten Jahr würde er 65-jähriges Jubiläum als SCW-Mitglied feiern. Voraussetzung: keine große Feier, sondern auf dem Platz beim Hütchen-Parcours stehend, mit klaren Ansagen, Korrekturen und Lob für seine Schützlinge.



Aufrufe: 029.7.2019, 23:00 Uhr
Tim Georg (Gießener Anzeiger / WNZ)Autor