2024-05-16T07:18:09.875Z

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Abwehrmotor: Andi Knobloch spielte im Herrenfußball nur für die DJK Waldram.  Andreas Mayr (Archiv)
Abwehrmotor: Andi Knobloch spielte im Herrenfußball nur für die DJK Waldram.  Andreas Mayr (Archiv)

"Mir sind die Tränen runtergelaufen. Das war es mit Fußball"

Knieverletzung beendet Kreisliga-Karriere von Andreas Knobloch

Es gibt Amateuekicker, für die steht ihre Mannschaft über allem. Für sein Kreisliga-Team fuhr Andi Knobloch drei Mal die Woche 200 Kilometer von München in die Provinz nach Waldram. Wie verkraftet solch ein Spieler-Typ das Karriereende?

Ein falscher Schritt. Dann wars das. In der 20. Minute ging die Karriere von Andi Knobloch zu Ende. Der Pass kam von rechts, Knobloch blieb mit dem Stollen im Rasen hängen. „Mein Bein hat noch einen wunderschönen Michael-Jackson-Tanzmove für das Publikum zum Besten gegeben. Es hat richtig schön laut geknackt. Dann war die Karriere vorbei“, erzählt Knobloch. Das Ende einer Kreisliga-Laufbahn, wie es sie in Deutschland x-fach gibt.

Der 27-Jährige war für seinen Heimatverein DJK Waldram da, wenn ihn seine Jungs gebraucht haben. Er war körperlich zur Stelle, wenn wieder mal ein Kreisliga-Messi einen Haken zu viel schlagen wollte. Er war immer im Training. Urlaub kam nur in Frage, wenn kein Fußball zur gleichen Zeit statt fand. Und er blieb sitzen, wenn nach dem Training noch die ein oder andere Halbe floss. Wer mit Knobloch spricht, begreift die Faszination Kreisliga-Fußball, für die ein junger Mann drei Mal die Woche von München nach Waldram fährt. 200 Kilometer insgesamt, nur um mit seinen Jungs kicken zu können.

„Es gibt nichts Schöneres im Leben als Mannschaftssport“

„Die Autofahrten nach Waldram sind lang. Ich habe mir oft überlegt, warum ich trotz Studium oder Arbeit immer wieder nach Hause fahre“, sagt Knobloch. Die Antwort war immer wieder die gleiche. „Es gibt nichts Schöneres im Leben als Mannschaftssport. Nach dem Training bist du körperlich kaputt und im Kopf frei. Wer zu Hause sitzt, wird von Gedanken zerfressen. Beim Sport triffst du dagegen deine Jungs, die du schon seit 15 Jahren kennst.“

15 Jahre, in denen immer wieder die selben Sprüche in der Kabine fielen. Es sind diese Momente, die Knobloch am meisten fehlen werden.

„Die sitzen daheim und müssen mit der Freundin Bachelorette anschauen“

Der Kabinentalk oder die Gesprächsthemen im Bus sind in der Kreisliga mindestens genauso wichtig, wie das Ergebnis. „Jetzt sitzt du in der Umkleide und denkst dir: Das ist einfach nicht sein Ernst. Muss der diesen dämlichen Sexwitz jetzt zum hundertsten Mal erzählen? Aber ein Dienstagabend in der Waldram-Kabine ohne den Sexwitz geht einfach nicht“, lacht Knobloch. Künftig hat Andi Knobloch am Dienstagabend frei. Der Fußball hat immer seine Woche bestimmt. Seine Arbeitszeiten plante er zwei Monate im Voraus so, dass er in jedem Training und bei jedem Spiel dasein konnte. Wenn ein Spiel kurzfristig von Samstag auf Freitagabend verschoben wurde, war Katastrophenzustand angesagt. „Wenn ich dann nach dem Spiel wieder mit meinen Jungs zusammensaß, habe ich mir oft gedacht: Jetzt sitzt du schon wieder mit denen zusammen und trinkst deine Halbe. Aber was machen denn andere in meinem Alter? Die sitzen daheim und müssen mit der Freundin Bachelorette anschauen. Ach hör mir doch auf“, sagt Knobloch. Der Verein und seine Mitspieler stehen für ihn über allem.

„Bin mit den Wanderstöcken meines Vaters zum Orthopäden gelaufen“

Aus, vorbei. Nach dem MRT-Termin stand fest: Ein Comeback wird es nicht mehr geben. Das Kreuzband ist gerissen, der Außenmeniskus ist kaputt, den Innenmeniskus hat es ebenfalls erwischt. „Ich stand nach der Untersuchung in der Maximilianstraße zwischen Gucci und Dior. Ich hatte noch keine Krücken und bin deshalb mit den Wanderstöcken meines Vaters von dort zum Orthopäden gelaufen. Mir sind die Tränen runtergelaufen, weil ich wusste: Das war es jetzt mit Fußball. Wegen einem falschen Schritt im Spiel gegen Lenggries“, sagt Knobloch.

In Erinnerung bleiben legendäre Busfahrten, wie sie jeder Amateurfußballer erlebt hat. Mit Zwischenstopps auf der Autobahn, die nur Kicker kennen die in der Zugspitz-Kreisliga oder tiefer kicken. Wer für die DJK Waldram spielt, landet immer wieder bei der „besten Tankstelle der Welt“.

„Mir sind die Tränen runtergelaufen, weil ich wusste: Das war es jetzt mit Fußball.“

„Wenn du in Hausham 1:0 verlierst, ist das bitter. Aber wenn du dann bei der Tankstelle in Gmund aussteigst und dir die Kassiererin sagt: ,Jungs, nehmt das Männerhandtascherl mit sechs Bier. Das ist günstiger’, ist das ein Karriere-Highlight“, lacht Knobloch.

Der Abwehrmotor hat das Vereinsleben genauso ernst genommen wie den Sport. Den Gedanken, was alles im Leben für den Kreisliga-Fußball hinten ansteht, darf man nicht haben, sagt er. „Wer für einen Verein wie Waldram spielt, würde schwerverletzt noch seine Wade aufs Spielfeld werfen, nur um zu gewinnen“, erklärt Knobloch. „Du bist in dem Dorf geboren, aufgewachsen, baust dort ein Haus und stirbst dort. Du spielst nicht für dich, sondern für ein Dorf. Und der Verein steht dort einfach an erster Stelle.“

Ein Gedanke, der für Kicker in der Stadt kaum mehr vorstellbar ist. Hier ist das Freizeitangebot riesig. Immer mehr Fußballer geben wegen des Studiums oder der Arbeit ihren Sport auf. In München gibt es zum Beispiel mehr männliche Fitnessclub-Mitglieder als Amateurfußballer.

„Ich weiß nicht, ob es Flucht vor daheim ist“

„Wenn ich sehe, dass dort Männer in meinem Alter ihre Arme vor dem Spiegel-Selfie noch einölen, bekomme ich Aggressionen. Aber die muss ich kontrollieren. Wenn ich mich mit diesen Typen anlegen würde, wäre mein Kreuzbandriss das geringste Problem“, lacht Knobloch. Für ihn gibt es keine andere Freizeitbeschäftigung, die ihm so viel geben könnte, wie der Fußball. Wenn er wieder fit ist, will er Joggen gehen. Doch beim Laufen hat er kein Ziel. Beim Fußball kann er sich am Ende der Woche immer die Frage stellen: Habe ich alles für meine Jungs und die drei Punkte gegeben?

Knobloch wollte diese Antwort Woche für Woche liefern. Für ihn gibt es nichts Schöneres, als sich auf dem Platz nach einem Zweikampf von zwei Bauern anschreien zu lassen: „Schon wieder der Vierer. Der Brutalo. Der Gratler.“ In solch einem Kreisligaspiel ist ein Sieg Pflicht. „Nach dem Schlusspfiff musst du dich direkt vor die beiden hinstellen und ganz langsam deine Stutzen und Schienbeinschoner ausziehen. Dann schaust du ihnen ins Gesicht und grinst.“ Für Knobloch sind das die Momente, für die sich der Aufwand dann gelohnt hat. Seinen Mitspielern geht es nicht anders. „Wir haben zweifache Familienväter, die jedes Training genießen. Ich weiß nicht, ob es Flucht vor daheim ist oder ob sie sich die Quälereien gerne antun. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem“, sagt Knobloch lachend.

„Dort triffst du dann die Rentner, die dich feiern“

Von seinen Freunden und Mitspielern kann noch keiner glauben, dass die Verletzung wirklich das Karriereende sein soll. Doch das Prozedere mit Arztbesuchen und Reha-Terminen will Andi Knobloch kein zweites Mal erleben. „Viele vergessen, wie sehr man seine Familie und Freunde bei solch einer Verletzung beeinträchtigt. Noch einmal möchte ich das einfach niemandem zumuten“, sagt Knobloch. In Waldram wird er weiterhin bei jedem Spiel dabei sein. „Mit den Jungs aus meiner Mannschaft werde ich mir dann oben ohne die Spiele unserer Reserve reinziehen. Dort triffst du dann die Rentner, die dich feiern, weil du für den Verein deine Knochen hingehalten hast. Das ist auch ein geiles Erlebnis“, sagt Knobloch. Nach einer kurzen Pause sagt er: „Besser wäre nur, selbst auf dem Platz zu stehen und zu spielen. Das sollte jeder Fußballer tun, so lange es geht.“

Aufrufe: 018.9.2019, 10:00 Uhr
Isar-Loisachbote / Christoph SeidlAutor