2024-04-30T13:48:59.170Z

FuPa Portrait

Mile, waschechter Abräumer aus Kroatien

Bezirksliga: Oerlinghausens spielender Co-Trainer hat eine ereignisreiche Karriere hinter sich. Milko Micanovic blickt zurück. Als TSV-Torwarttrainer an der Seite von Landsmann Miron Tadic bleibt er.

Sein Heimatland kann an diesem Sonntag Fußball-Weltmeister werden. Im Alter von fünf Jahren kam Milko Micanovic mit seiner Familie aus der 35.000-Einwohner-Stadt Vinkovci nach Deutschland. Der gebürtige Kroate machte beim TSV Oerlinghausen in der F-Jugend seine fußballerischen Anfänge. Nach dem letzten Spiel der abgelaufenen Bezirksliga-Saison verabschiedete sich der 31-Jährige als Aktiver und Co-Trainer. Teamkollegen, Funktionäre und Anhänger seines Heimatvereins spendeten bei seiner Auswechslung gegen den FC Augustdorf stehend Beifall. Anerkennung für eine bewegte Laufbahn, in der Milko Micanovic weder Gegenspieler, noch sich selbst schonte.

„Ich bin so froh, dass er aufhört“, sagte seine strahlende Mutter Mara, die im letzten Spiel ihres Sohnes als Zuschauerin mitfieberte. „Sie hat sich immer Sorgen gemacht. Junge, pass auf du wirst jetzt Vater, hast einen guten Job. Sie kennt mich nur zu gut. Ich bin kein Mann für halbe Sachen“, erklärt Milko Micanovic. Sowohl sein jüngerer Bruder Marko, als auch sein Vater erlitten Kreuzbandrisse. Beide spielten ebenfalls für den TSV. So nennen sie Milko Micanovic am Kalkofen ebenso wie seinen Vater einfach nur Mile.
„Zeitlich ist es mir wegen der familiären und beruflichen Situation nicht mehr möglich, weiterzuspielen.“

Der Lagerleiter eines Bielefelder Autohauses feierte im Mai seine Hochzeit, seinen Abschied als Aktiver mit einer Wasserdusche für TSV-Coach Miron Tadic. „Die hat er sich für den Klassenerhalt verdient.“ Sein Landsmann nahm es mit Humor, verbindet die beiden doch eine langjährige Freundschaft. „Milko hatte mich schon vorher häufig gefragt, letztes Jahr hat er dann gesagt: Tu mir einen Gefallen und halt die Klasse mit uns“, sagt Tadic. Was als Freundschaftsdienst begann, nachdem Vorgänger Thorsten Neubauer wegen Erfolglosigkeit zurückgetreten war, mündete in den Verbleib des erfahrenen Coaches.

Abschiedsfeier am Kalkofen: Milko Micanovic (24) verpasste seinem langjährigen Trainer und Freund Miron Tadic nach dem 4:3 gegen Augustdorf eine Wasserdusche. „Die hat er sich für den Klassenerhalt verdient“, sagt Mile nach seinem letzten Spiel für den TSV Oerlinghausen.


Unter ihm feierte Milko Micanovic einen seiner größten Erfolge. „Höhepunkt war der Gewinn der Bielefelder Stadtmeisterschaft mit Arminia Bielefeld III.“ Das war 2008. Und Milko Micanovic war gerade mal ein halbes Jahr beim Landesligisten. Alm-Legende Stefan Studtrucker hatte den Kontakt hergestellt. Denn der heutige Trainer des VfB Schloß Holte war damals Sportlicher Leiter beim TuS Leopoldshöhe. Und dort war Milko Micanovic nach Stationen in der Jugend beim VfB Schloß Holte, dem SC Verl und seinem ersten Seniorenjahr beim TSV Oerlinghausen hingewechselt. „Wir hatten damals einen personellen Aderlass. Auch Florian Müller ist gegangen“, erklärt TSV-Obmann Gregor Kramer. Und mit dem heutigen Asemisser Coach gewann Micanovic 2008 dann auch die Lippische Hallenmeisterschaft. Ein Erfolgsjahr für den waschechten Abräumer.

„Es war eine super Zeit mit ihm. Mile kennt auf dem Feld keine Freunde, ein richtiger Fighter. Nach dem Spiel ist alles vergessen“, sagt Florian Müller. Und auch Miron Tadic lobt Micanovic. „Ich habe Milko zu Arminia geholt. Er ist mir aufgefallen. Ehrgeiz, Schnelligkeit, Disziplin, Bereitschaft, mentale Stärke. So etwas habe ich selten gesehen. Bei seinen blonden Haaren und blauen Augen hätte ich aber nicht gedacht, dass er einer von uns Kroaten ist.“


»Die erste Aktion im Spiel hatte ich frei«

Einen Sonderstatus hatte Micanovic deshalb aber nicht. „Durch unsere kroatischen Wurzeln hat die Chemie von Anfang an gepasst. Aus sportlichen Gründen habe ich in der zweiten Saison oft auf der Bank gesessen. Das habe ich aber nie persönlich genommen“, erklärt Micanovic, der 2010 – durch Tadic taktisch geschult – zum TSV zurückkehrte.

Die Schlitzohrigkeit kam mit der Zeit. Damit er seine obligatorische Gelbe Karte nicht zu früh im Spiel sah, bediente sich Micanovic eines Tricks. „Ich bin vor dem Spiel immer zum Schiedsrichter gegangen und habe dann beispielsweise gefragt, ob ich ein weißes Langarmshirt unter dem weißen Trikot tragen könne.“ Die persönliche Beziehung zum Unparteiischen war aufgebaut. „Die erste Aktion im Spiel hatte ich damit frei und bin ohne Verwarnung weggekommen.“ Vorerst. „Ich kenne Milko ja schon seit er nach Deutschland gekommen ist. Am Ende ist er zwar als kroatischer Heißsporn in keinem Spiel ohne Gelb vom Platz gegangen, aber er gibt immer alles für die Sache. Ein Topkerl. Langfristig möchte ich ihn da sehen, wo ich heute sitze. Mit seinem Sachverstand und seinen Verbindungen ist er dafür prädestiniert“, sagt Gregor Kramer. Doch das Amt des Obmanns ist für Micanovic Zukunftsmusik. Der Bayern-Fan macht am Kalkofen vorerst als Torwart-Trainer weiter. Die Karriere als Aktiver ist für Milko Micanovic vorbei. Und Mutter Mara ist endlich beruhigt. Auch wenn das Heimatland am Sonntag gegen Frankreich im WM-Finale spielt.

Aufrufe: 014.7.2018, 10:30 Uhr
Fabian Terwey / FuPaAutor