2024-04-29T14:34:45.518Z

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Will nun auch Trainer werden: Aktuell ist Mike Hanke beim TuS Reuschenberg, bald könnte er wieder bei Borussia Mönchengladbach sein.
Will nun auch Trainer werden: Aktuell ist Mike Hanke beim TuS Reuschenberg, bald könnte er wieder bei Borussia Mönchengladbach sein. – Foto: Sascha Köppen

Mike Hanke: "Nie mit dem Gedanken an die Zweite Liga gespielt"

Der ehemalige Stürmer von Borussia Mönchengladbach will die Marke Mike Hanke auch ins Trainergeschäft einbringen. Aktuell coacht er mit Oliver Müller die U19 des TuS Reuschenberg.

„Ein Mike Hanke steigt nicht ab“, sagte der Stürmer, als er im Winter 2011 kam. Er erntete Kopfschütteln, doch er behielt Recht. Im Interview erzählt er, warum die Rettung geklappt hat.

Herr Hanke, Sie sind Anfang 2011 von Hannover 96 zu Borussia gekommen mit den Worten: „Ein Mike Hanke steigt nicht ab.“ War dieses Selbstverständnis genau, das, was die Mannschaft damals brauchte?

Hanke Ich glaube schon. Mich haben viele belächelt. Ich habe den Satz aber damals mit voller Überzeugung gesagt, ich war mir 100 Prozent sicher, dass es so kommen würde. Dazu gibt es eine Geschichte: Als ich gerade zwei Tage in Gladbach war, ging ich in den Supermarkt und eine Verkäuferin nahm mich in den Arm und sagte: ,Schön, dass du da bist.‘ Das kam aus dem Nichts. Das ist auch ein Grund, warum ich im Rheinland geblieben bin nach meiner Karriere. Ich bin Westfale und war überall in Deutschland, aber diese Herzlichkeit imponiert mir. Auch Borussia ist nach wie vor eine Familie, in der die Leute das Herz am rechten Fleck haben. Das habe ich vom ersten Tag an gespürt und wusste daher: Wir schaffen das.

Es hat also von Beginn an gepasst mit Mike Hanke und Gladbach.

Hanke Ja, definitiv. Und ich denke, dass meine Überzeugung, es hinzukriegen, dem Team einen Push gegeben hat – wie die anderen Verpflichtungen dieses Winters, Martin Stranzl und Havard Nordtveit.

Stranzls Stabilität, Nordtveits Wucht und Hankes Überzeugung – das kam dazu.

Hanke Ein großer Vorteil war auch, dass wir damals mit der schlechten Hinrunde nichts zu tun hatten. Wir waren unbekümmert und positiv, gerade Stranzl und ich, das hat sicher noch mal Schwung reingebracht, Nordtveit war noch sehr jung. Wir beide hatten aber Erfahrung und waren Typen, die auch mal was sagen, und sind vorne weg marschiert. Und da waren auch andere: Thorben Marx, Roel Brouwers, Filip Daems …

.. aber es fehlte dem Team die klare Kante wegen der Misserfolge der ersten Saisonhälfte.

Hanke Ja, stimmt. Und es hat gefruchtet, allerdings hat es ein wenig gedauert.

Gedauert? Gleich das erste Spiel wurde mit 1:0 beim 1. FC Nürnberg gewonnen, Sie haben das Siegtor vorbereitet.

Hanke Richtig, aber bis eine Konstante im Spiel war, wieder mehr Sicherheit, das hat gedauert, das brauchte seine Zeit. Wir Neuen mussten ja das Team, den Klub kennenlernen. Ein großer Vorteil war, dass die Fans immer hinter uns standen. Weil sie gemerkt haben, dass wir alles gegeben haben, auch wenn wir verloren haben. Das ist schon ganz besonders.

Ein wichtiger Faktor für die Rettung war vor allem das 1:0 in Frankfurt, das ja noch unter dem Trainer Michael Frontzeck passierte. Damit kam Frankfurt, das auf Europa-League-Cup-Kurs war, ins Trudeln und lag am Ende hinter Borussia auf Rang 17.

Hanke Wir hatten danach noch Spiele, die wir abgegeben haben, obwohl wir sie gewinnen konnten. Aber es ist ja immer so, dass man auf einzelne Spiele schaut und sagt: Das war entscheidend oder da hätten wir schon alles klarmachen können. Aber letztlich hat so wie es war alles gepasst und ich glaube, das hätte sich kein Drehbuchautor besser ausdenken können.

Was auffällig war: Borussia hat nach dem Trainerwechsel zu Lucien Favre nicht gegen den Abstieg gekämpft, sondern gegen den Abstieg gespielt. War auch das ein Geheimnis des Erfolgs?

Hanke Zuerst haben wir gekämpft. Das Spielerische hat man auch schon gesehen, aber es kam erst in der Saison danach richtig raus. Aber man hat schon in der Rückrunde gesehen, welche Qualität die Mannschaft hatte. Gerade in den Relegationsspielen gegen Bochum fand ich das Niveau richtig gut für eine Relegation. Es kam nicht jeder Pass an, aber beide Mannschaften wollten Fußball spielen. Es war ja auf Messers Schneide und hätte auch in die andere Richtung ausgehen können.

Im ersten Spiel gegen Bochum, das bis in die Nachspielzeit 0:0 stand, hätten Sie eigentlich das Tor machen müssen, bevor Igor de Camargo zum ewigen Relegationshelden wurde.

Hanke (grinst) Ich wollte die Vorlage geben und ihm die Geschichte überlassen.

Nach dem Einwurf von Havard Nordtveit gab es mehrere Versuche, bis der Ball drin war. Wie haben Sie diese Sekunden bis zum Tor in Erinnerung?

Hanke Erst mal war ich überrascht, dass der Ball irgendwie zu mir kam. Ich habe ihn nicht richtig getroffen, er flog zu de Camargo und er macht ihn dann super mit der Hacke oder sonstwie rein. Es war die letzte Aktion des Spiels. Wie gesagt: Besser kannst du das Drehbuch nicht schreiben. So sind wir mit einer super Ausgangslage nach Bochum gefahren und da ging der Krimi weiter.

Nordveidt brachte mit seinem Eigentor Bochum in Führung, bevor Marco Reus nach de Camargos Zuspiel das 1:1 erzielte. Wie war es am Ende des Spiels? Fällt dann alles ab, was sich in den Monaten vorher angestaut hat an Anspannung?

Hanke Ich muss ehrlich sagen: Ich habe nie einen wirklichen Druck gespürt für mich persönlich, ich habe das eher in Energie umgesetzt. Ich weiß nicht, ob man das gesehen hat, aber ich habe mich echt immer gefreut auf die Spiele, ich hatte nie Bammel oder Angst.

Also kamen nie Zweifel auf?

Hanke Nein, zu keinem Zeitpunkt.

Wie war es beim Rest, es waren einige junge Leute dabei, die brauchten solche alten Recken wie Stranzl oder Sie, die dann sagten, wo es lang geht?

Hanke Tony Jantschke, Patrick Herrmann, Marc-André ter Stegen, das waren ja auch noch Jungspunde. Aber es gab auch einen Juan Arango, den gar nichts interessiert hat, der wollte einfach nur spielen. Das war auf eine gewisse Art auch gut, weil er sein Ding auf dem Platz gemacht hat und das haben wir auch gebraucht. Dann gab es die Anpeitscher mit Stranzl und mir, aber auch Filip Daems und ter Stegen, der zwar jung war, aber schon eine Persönlichkeit im Tor. Es war eine gute Kombi, es hat alles gestimmt. Und das Gute war: Auch wenn wir verloren haben, hat die schlechte Stimmung nicht lange angehalten in der Kabine. Gleich im nächsten Training ging die Post ab. Das war der Schlüssel in meinen Augen. Das ist im Rückblick beachtlich. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass wir es nicht schaffen würden nach so einer Hinrunde, lag bei 70 Prozent.

Zumal nach dem 1:3 beim FC St. Pauli, nach dem es dann den Trainerwechsel gab.

Hanke Auch in der Phase waren die Köpfe nicht lange unten, ein, zwei Tage mal, aber dann ging es weiter. Wenn es anders gewesen wäre, hätten wir es nicht geschafft. Der Trainerwechsel hat nochmal einen neuen Impuls gegeben, eine neue Ausrichtung. Es ging dann sehr zügig: die defensive Stabilisation und dann Konter fahren. Das hat ganz gut funktioniert.

Nach dem 1:1 in Bochum gab es einen triumphalen Empfang im Borussia-Park.

Hanke In Bochum waren viele Gladbach-Fans dabei, es war wie ein Heimspiel, Wahnsinn. Aber viele konnten nicht ins Ruhrstadion, deswegen wurde das Spiel im Borussia-Park auf einer Leinwand übertragen. Tausende waren da. Das wussten wir vor dem Spiel aber gar nicht. Nach dem Spiel haben wir gesagt: Da gehen wir hin. Die Fans aus Bochum kamen auch. Da ging die Post ab.

Sie haben noch in Bochum dem Kollegen Dante den Schädel rasiert.

Hanke Er hatte es ja so gewollt! Aber da durfte jeder mal ran.

Jetzt muss man ja die Frage stellen: Was war verrückter? Die Relegationsrettung oder das, was danach kam, der Aufschwung vom Fast-Absteiger zum Champions-League-Anwärter?

Hanke So was sieht man oft, wenn ein Zweitligist aufsteigt. Da nimmt man den Schwung und die Euphorie mit. Es war für uns ja fast wie ein Aufstieg, es hatte ja keiner mehr auch nur einen Pfifferling auf uns gesetzt. Wir haben den Schwung mitgenommen, haben in der langen Vorbereitung alles einstudiert, was Favre von uns wollte. Wir haben es relativ schnell verstanden, und die, die es nicht verstanden haben, wurden direkt aussortiert. Da war aber vollkommen in Ordnung, weil sonst die Entwicklung eines Teams blockiert wird. Und die Entwicklung hat Favre Recht gegeben: Wir hatten eine klare Philosophie im Spiel, haben immer wieder zehn, 15 Spielzüge einstudiert, ohne Gegenspieler und irgendwann hat man im Spiel gesehen: Die Laufwege sind gleich, jeder wusste, was der andere tut. Zum Beispiel: Wenn ich entgegenkam, ließ sich Patrick Herrmann in die Tiefe fallen. So kam die Qualität der Mannschaft so richtig zum Tagen.

Für Sie selbst war es quasi eine Neuerfindung an der Seite von Reus.

Hanke Das kann man so sagen. Ich bin ja nicht der Schnellste. Aber ich konnte die Bälle halten, habe den Ball abgeschirmt, es hat einfach gut gepasst. Ich war nicht mehr nur der Strafraumstürmer, der vorne in die Box geht. Die wurden in der Zeit ja immer weniger gebraucht im Tiki-Taka-Stil. Als Wandspieler konnte ich Borussia richtig helfen in Kombination mit dem Speed von Reus.

Der 11. Februar 2012, Ihr 2:0 beim 3:0 gegen Schalke, war der Höhepunkt dieser Spielart, der doppelte Doppelpass, dann das Tor.

Hanke Das war ein geiles Spiel. Wie einige andere. Manchmal saßen wir in der Saison nach den Spielen in der Kabine, haben uns angeguckt und gesagt: Was haben wir jetzt da gemacht, das war unfassbar. Es passte alles zusammen.

Favres Detailversessenheit war das Geheimnis dieser Spielkunst?

Hanke Ja, das war wichtig. Favre hat immer an diesen Details gearbeitet. Zum Beispiel sich nicht wegzudrehen, wenn eine Flanke geschlagen wird, die Sache mit dem Standfuß beim Blocken der Bälle, das schnelle Abschließen nach drei Kontakten, die Fußstellung beim Schuss und natürlich die Spielzüge. Es war irgendwann alles automatisiert. Die defensive Stabilität hatten wir ja in der Saison schon, in der zweiten Saison wurde das Spiel nach vorn ausgearbeitet. Wir standen trotzdem noch tief und haben gekontert. Wichtig war, dass wir alle auch zurückgearbeitet haben, es ist keiner stehen geblieben. Wir waren eine richtige Mannschaft, in der jeder alles für das Team gegeben hat. Das hat Favre auch verlangt.

Welchen Stellenwert hat die Geschichte rund um die Relegation in Ihrer Karriere?

Hanke Ich bin dankbar, ein Teil dieser Geschichte zu sein. In dieser Zeit ist ein Gefühl entstanden, das mich für immer an Borussia bindet. Ich bin immer noch traurig, dass ich nur zwei Jahre in Gladbach war. Aber vielleicht kehre ich bald zurück.

Inwiefern?

Hanke Ich bin mit Borussia in Gesprächen wegen eines Trainerjobs im Nachwuchsbereich. Ich glaube schon, dass es passen würde. Der Klub weiß, dass ich ihm nach wie vor sehr verbunden bin.

Sie sind in Gladbach sogar museumsreif. Die Relegation hat ihren Raum im Klub-Museum, nicht nur Dantes Haare sind dort ausgestellt. Mit der Relegationsrettung wurde ja das Fundament gelegt für die erfolgreiche Dekade, die folgte. Haben Sie eigentlich mal durchgespielt, was gewesen wäre, wenn sich Bochum in der Relegation durchgesetzt hätte?

Hanke Nein, ich habe nie mit dem Gedanken an die Zweite Liga gespielt. Ich finde es aber klasse, dass Bochum jetzt wieder hochkommt. Der Klub war zehn Jahre in der Zweiten Liga verschwunden. Es ist ein toller Klub, der für mich in die Bundesliga gehört. Alleine das Einlauf-Lied von Herbert Grönemeyer zeigt die Tradition. Ich habe immer gern in Bochum gespielt. Und eine der intensivsten Erinnerungen meiner Karriere hat ja auch mit Bochum zu tun.

Nun planen Sie eine Trainerkarriere?

Hanke Richtig, mein Ziel ist es, irgendwann als Coach in der Bundesliga aufzutauchen.

Inwieweit nehmen Sie die Favre-Zeit für Ihre Trainerlaufbahn mit?

Hanke Ich habe viel gelernt von ihm, habe mir viel aufgeschrieben. Aber es gibt viele Trainer, die gute Ansätze für mich haben, ich will aber keine Trainer kopieren, sondern meinen Weg gehen. Aber erst mal will ich im Jugendbereich lernen, werde sicherlich auch viel hospitieren. Dann muss ich mal sehen, wie es sich entwickelt, es ist ja nicht gesagt, dass einer, der ganz gut als Spieler war, auch ein guter Trainer ist. Aber ich habe in den letzten zwei, drei Jahren festgestellt, dass ich Lust darauf habe, den Weg zu gehen.

Aufrufe: 020.5.2021, 12:00 Uhr
RP / Karsten KellermannAutor