2024-06-04T08:56:08.599Z

Interview
Franz Gerber soll der Mannschaft wieder Selbstvertrauen einflößen.  Foto: SSV Presse
Franz Gerber soll der Mannschaft wieder Selbstvertrauen einflößen. Foto: SSV Presse

Gerber übernehmen Sie

>>In diesem Verein bleibt mir nichts erspart

Kontrastprogramm: Statt des zurückhaltenden Hessen Oscar Corrochano leitet nun der fidele Münchner Franz Gerber das Training beim SSV Jahn. Zumindest bis zur Winterpause will der 58-Jährige „retten, was zu retten ist". Bei seiner „Vorstellung" als neuer Coach am Montagmittag verdeutlichte der eigentliche Sportchef des SSV nochmals, dass die Trennung von Corrochano aus seiner Sicht und auch aus der Sicht der Vereinsgremien unausweichlich gewesen sei. Es habe allen Leid getan, aber die sportliche Bilanz mit neun Niederlagen in zwölf Spielen und insbesondere die letzten Vorstellungen der Jahnelf hätten keine andere Wahl zugelassen: „Da war keine Weiterentwicklung mehr zu sehen; eher ein Rückschritt, vor allem was das Engagement betrifft", so Gerber.

Es liege Einiges im Argen, meinte der Sportchef. Konkrete Vorwürfe machte er Coorochano jedoch allenfalls zwischen den Zeilen. So habe man bei der denkwürdigen 2:3-Heimniederlage gegen den 1. FC Köln - der Jahn führte damals bis kurz vor Schluss mit 2:0 und sah wie der sichere Sieger aus - ab der 80. Spielminute eine „Schieflage" im Spiel des SSV sehen können, auf die Corrochano wohl nach Meinung Gerbers nicht richtig reagiert hat. Auch die dauerhafte Ausmusterung von Spielern (beispielsweise Romain Dedola) sprach er kurz an: „Ich habe diese Leute ja nicht geholt, um ihnen das schöne Regensburg zu zeigen", sagte er und unterstrich, dass sich unter ihm jeder im Training aufdrängen könne.

Doch großartig nachkarten will der neue Coach sowieso nicht. Vielmehr gelte für ihn, „in den nächsten fünf, sechs Wochen mit vollem Engagement an die Sache ranzugehen". Unterstützt wird er dabei vorerst von Harry Gfreiter und Markus Baer, bis Mitte der Woche soll die Baustelle „Assistenztrainer" aber dauerhaft geregelt sein. „Es wird ein Trainer-Team geben, vielleicht kommt noch einer dazu", sagte der neue Übungsleiter.

Dass er selbst den Chefposten übernimmt, habe sich bei der Aufsichtsratssitzung am Sonntag abgezeichnet. Dort habe man an den Ex-Profi die Bitte herangetragen, den Posten zu übernehmen. „Wir haben bis zu Paderborn-Spiel darauf gehofft, dass es der Oscar herumreißt. Folglich hatten wir auch keinen Kontakt zu anderen", beteuerte Trainer. Da zum jetzigen Zeitpunkt eine längere Suche mit einem mehrwöchigen Vakuum fatal gewesen wäre, sei die Lösung mit ihm naheliegend gewesen - „auch wenn sie auf meine Kosten geht".

Ein bisschen kokettierte er aber auch mit dieser Lösung: „Mir war klar, dass mir in diesem Verein nichts erspart bleibt", witzelte Gerber, der am Montag nicht einmal ein Engagement auf der Trainerbank über die Winterpause hinaus ausschließen wollte. Gleichwohl betonte er: „Ich bin kein Zauberer, der einem völlig verunsicherten Team einfach die Hand auflegt und dann läuft es wieder."





Seine erste Bewährungsprobe hat der 58-Jährige am Sonntag beim Auswärtsspiel in Ingolstadt. „Viele Gespräche führen, sowohl mit der ganzen Mannschaft als auch unter vier Augen, neues Selbstvertrauen vermitteln und an vielen Dingen arbeiten, um wieder in die Spur zu kommen" - so skizzierte Gerber seine Arbeit der kommenden Tage. „Wir werden alles versuchen, um in Ingolstadt die Wende herbeizuführen, vor allem im Auftreten. Ob es sich gleich punktemäßig auswirkt, werden wir sehen."



Schon jetzt ist jedoch klar ersichtlich, dass der neue Coach in Sachen Selbstbewusstsein und Optimismus mit gutem Beispiel voran geht. Auf die Frage, ob er nach neun Jahren Abstinenz von deutschen Trainingsplätzen (zuletzt trainierte Gerber in der Saison 2003/2004 den FC St. Pauli in der Regionalliga-Nord) bereit sei, antwortete Gerber in einer unnachahmlichen Mischung aus Ernst und Augenzwinkern: „Ich habe vor fünf Jahren als Nationaltrainer von Madagaskar gearbeitet und dabei Erfolg gehabt."

Aufrufe: 07.11.2012, 08:38 Uhr
Rainer WendlAutor