2024-05-02T16:12:49.858Z

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Die Fackelläufer des SV Bad Tölz (v. li.): Willi Hintermeier, Otto Wilka, Helmut Klett, Viktor Hiederer und Peter Riedelsberger durften die olympische Flamme 1972 ein Stück durch Bad Tölz tragen. <em>Foto: Privat</em>
Die Fackelläufer des SV Bad Tölz (v. li.): Willi Hintermeier, Otto Wilka, Helmut Klett, Viktor Hiederer und Peter Riedelsberger durften die olympische Flamme 1972 ein Stück durch Bad Tölz tragen. <em>Foto: Privat</em>

„Frühschoppen dauerte bis 21 Uhr“ - Wilka ist Urgestein bei Bad Tölz

Porträt zum SV-Bad-Tölz-Funktionär

Wenn der Begriff Vereinsnarr auf einen Sportler zutrifft, dann auf Otto Wilka. Endlos ist die Reihe der Aufgaben, die er bei „seinem“ SV Bad Tölz übernommen hat:

Bad Tölz Er war über 40 Jahre lang Kassier, spielte 37 Jahre lang bei den Alten Herren, war Erster und Zweiter Vorsitzender, Nachwuchstrainer und lange Zeit Kapitän der ersten Mannschaft. Auch im Alter von 76 Jahren ist er noch immer Stammgast auf dem Sportgelände.

Wilka stammt aus Böhmen. Geboren wurde er in Neudorf, einem Dorf im Regierungsbezirk Eger, sieben Kilometer entfernt vom Grenzübergang Waidhaus. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam Neudorf erneut zur Tschechoslowakei. In der Folgezeit wurde die Mehrheit der deutschsprachigen Einwohner vertrieben. So auch die Familie Wilka, die sich in Bad Tölz in einer Wohnung im Weinhaus Höckh niederließ. Seine Mutter und Oma arbeiteten auch dort. Wilka lernte seinen Spezl Albert Vosseler kennen – und wurde zu einem richtigen Tölzer Bua.

Ein richtiger Tölzer Bua spielte in den 1950er-Jahren Eishockey. Natürlich auch Wilka. Er stand beim Eisclub-Nachwuchs im Tor. Doch dann kam ein Training, das seine sportliche Laufbahn in eine andere Richtung lenkte. Sein Mitspieler Franz Obermeier schoss, der Puck traf Wilka am Auge. Der damalige Trainer Joe Aitken brachte seinen Torhüter sofort ins Krankenhaus, wo die Wunde genäht wurde. Als seine Mutter die Verletzung sah, sagte sie nur: „Du spielst nicht mehr Eishockey!“ Damit hatte sich seine Eishockeykarriere erledigt. Wilka nahm es gelassen: „Ich habe es nie bedauert und war meiner Mutter deshalb auch nie böse. Es hat einfach so sein müssen.“

Toni Klett nahm seinen Spezl mit zum Fußball, 1957 trat Wilka dem Verein bei, den damals Vorstand Hubert Prechtl führte. „Fußball hat mich mitgenommen, ich bin ein richtiger SV-Narr geworden.“ Die Anfänge waren allerdings unkonventionell: Der Vater von Lorenz Funk senior war damals Clubhaus-Pächter, arbeitete bei der Wach- und Schließgesellschaft und dressierte Hunde.

„Vor unserem Training musste ich immer als Hundetratzer fungieren“, erinnert sich Wilka lachend. Er streifte sich eine Lederkleidung über. „Funk hat geschrien ,Fass!’, und dann sind seine zwei Schäferhunde auf mich losgegangen.“

Schnell zeichnete sich ab, dass Wilka eine Führungspersönlichkeit ist. Der Fußball-Neuling wurde erst Kapitän seiner Nachwuchsmannschaft, dann Kapitän der Ersten. Mit 35 Jahren schloss er sich den Alten Herren an, für die er 37 Jahre lang kickte.

Sein Mentor Fred Hiederer brachte Wilka dazu, auch eine Funktionärslaufbahn zu starten. Über 40 Jahre lang kümmerte er sich um die Vereinsfinanzen, war zwei Jahre lang stellvertretender Vorsitzender, sprang immer wieder ein, wenn irgendwo ein Nachwuchstrainer fehlte. Um die 500 Nachwuchsspieler dürfte er schon trainiert haben, hat Wilka mal ausgerechnet. Die einzige Funktion, die er bis dahin noch nie inne hatte: Erster Vorsitzender. Doch auch diese Lücke wurde im Jahr 2009 geschlossen. „Es war am Vatertag in einem sehr gemütlichen Zustand“, erzählt Wilka schmunzelnd. „Fünf oder sechs Leute haben auf mich eingeredet, dass ich doch bittschön den Vorstand machen soll. Man könnte auch sagen, sie haben mich manipuliert.“ Irgendwann sagte Wilka schließlich Ja und Amen – und blieb vier Jahre im Amt. „Es waren schöne Jahre“, sagt er rückblickend, auch wenn es mit der ersten Mannschaft langsam bergab ging. Wilka sieht es gelassen: „In einem Verein gibt es eben Höhen und Tiefen.“

Generell sieht er die Dinge nicht so verbissen, auch nicht die Rivalität zum SC Rot-Weiß Bad Tölz. „Es gibt auf beiden Seiten Fanatiker. Ich bin zu 100 Prozent SVler, aber gegen die Rot-Weißen habe ich nie etwas gehabt, ich habe mich da immer aus allem rausgehalten.“

Was auch mit seiner beruflichen Tätigkeit zusammenhing. Wilka war 40 Jahre lang kaufmännischer Angestellter bei Moralt und hatte dort auch mit vielen Rot-Weißen zu tun. Erst recht, als er mit 50 Jahren die Leitung der Eishockey-Betriebsmannschaft übernahm, in der Größen wie Vitus Eimansberger, Milan Novotny und Werner Maier spielten. Um 6 Uhr morgens ging es ins Eisstadion. Der Frühschoppen erstreckte sich manchmal bis 21 Uhr abends, wenn die Tölzer Löwen ihr Spiel beendet hatten.

„Eine schöne Zeit“, sagt Wilka. Ihm ist klar: „Ohne die Unterstützung meiner Frau hätte ich so viel Vereinsleben nicht geschafft.“ Es ist kein Wunder, dass so viel Fußball-Begeisterung abfärbt. Sein Sohn Thomas arbeitet als Nachwuchstrainer beim SV. Enkel Florian entwickle sich „fußballtechnisch wunderbar“. Enkel Tobias hat mit 14 Jahren die Schiedsrichter-Laufbahn eingeschlagen, Opa Otto fährt ihn immer zu den Spielen. Jeder Verein brauche solche Fanatiker wie ihn oder Fußball-Leiter Franz Erhart, sagt Wilka. Der Lohn sei reichlich: „Wenn ich bei Veranstaltungen durch Tölz gehe und es kommen alle möglichen Buben auf mich zu, die sagen ,Opa Otto’ – das ist doch eine Schau.“

Aufrufe: 019.6.2019, 09:35 Uhr
Tölzer Kurier / Patrick StaarAutor