2024-05-02T16:12:49.858Z

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Fußballhaus des ESV Neuaubing ist in keinem guten Zustand.
Fußballhaus des ESV Neuaubing ist in keinem guten Zustand. – Foto: Privat

ESV Sportfreunde München-Neuaubing: „Mir blutet das Herz, so kann das nicht weitergehen“

Katastrophale Zustände und Machtlosigkeit

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Die ESV Sportfreunde München-Neuaubing kämpfen um ihre Fußballabteilung. Doch nicht alle ziehen an einem Strang und wollen die einst so erfolgreiche Mannschaft erhalten.

München - Fassungslosigkeit und Machtlosigkeit begleitet die Fußballabteilung des ESV schon seit geraumer Zeit, doch das war nicht immer so. Die Sportfreunde aus Neuaubing sind seit Jahren Vorreiter beim Thema Integration und wurden für ihr Engagement bereits ausgezeichnet. Doch die negativen Stimmen nehmen in letzter Zeit immer mehr zu.

Für die Flüchtlingsmannschaft des ESV ging es 2016 gegen die SpVgg Unterhaching

Beschäftigt man sich länger mit dem ESV, erinnert man sich sofort an das damalige Testspiel gegen Unterhaching. Während die Flüchtlingskrise in Deutschland immer mehr Fahrt aufgenommen hat, entschied sich der ESV, aktiv etwas für geflüchtete Menschen zu tun, und integrierte 2015 eine Hobby-Flüchtlingsmannschaft fest in den Verein.

Dieses Engagement hat den Verein bis in den Bundestag gebracht. Neuaubings Abteilungsleiter Olaf Butterbrod wurde im Herbst 2015 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Auch der BFV unter dem damaligen Präsidenten Rainer Koch lobte den Verein für seinen Einsatz. Das Spiel gegen die SpVgg Unterhaching war dann das sprichwörtliche „i-Tüpfelchen“ und wurde sogar im TV übertragen, was dem ESV eine stattliche Summe Geld einbrachte.

Mediale Präsenz nützte der Abteilung Fußball nichts: Zustände werden immer schlimmer

Davide Musso, Daniel Wenzel und Michael Grünen sind - beziehungsweise waren - seit Jahren im Verein tätig und wollen nicht mehr tatenlos zusehen, wie die Fußballabteilung immer mehr in die Vergessenheit gerät. Alle drei haben bereits für den Verein gespielt und auch Mannschaften trainiert, zudem hatten Musso und Grünen die Funktion als Abteilungsleiter inne.

Davide Musso erinnert sich gerne an die Anfänge beim ESV: „Zu der Zeit Anfang der Neunziger war der ESV als Gesamtverein noch der drittgrößte Verein in München nach dem FC Bayern und dem TSV 1860. Ich erinnere mich noch wie die komplette Anlage an den Wochenenden immer voll war, weil immer irgendwer gespielt hat.“ Doch jetzt steht die Abteilung vor dem Aus. „Wir werden höchsten noch ‚verwaltet‘, statt gefördert“, beklagt Musso.

Die Probleme in der Fußballabteilung des ESV häufen sich. Herrenmannschaften wurden abgemeldet, langjährige Funktionäre des Vereins entlassen. Das Hoch startete erst wieder mit der Inklusion der Flüchtlingsmannschaft im Verein. Doch nach dem Ausbleiben der vielen Sponsoren- und TV-Einnahmen sowie dem Abflachen des öffentlichen Interesses kamen neue Probleme zum Vorschein.

Auch Geflüchtete sollen plötzlich Mitgliedsbeiträge bezahlen obwohl ein Spendentopf eingerichtet wurde

„Mehr als 70 Prozent der Leute, die da spielen, können das gar nicht bezahlen“, prangert Grünen die Vereinsführung an. Auch Davide Musso sieht hier ein großes Problem: „Geflüchtete müssen ihren Beitrag selbst zahlen, der darf nicht mehr über den Spendentopf finanziert werden.“ Michael Grünen war irgendwann alles zu viel.

Der ehemalige Trainer der Neuaubinger Herren zog die Reißleine, hat den Verein verlassen und ist mittlerweile mit fast 90 Prozent der Spieler beim DJK Pasing zuhause. Dort liegt der Mitgliedsbeitrag mit 180 Euro fünf Euro über dem des ESV, aber „da wissen wir auch, wofür wir das bezahlen“. Bei Pasing müssen Geflüchtete den Beitrag nicht aus eigener Tasche finanzieren, sagt Grünen.

„Der Beschluss, dass jeder Trainer eine Lizenz braucht, ist Schwachsinn.“

Michael Grünen, ehemaliger Trainer beim ESV

Michael Grünen ist ehemaliger Vorstand der Fußball-Abteilung des Neuaubinger Vereins. „Solche Anforderungen sind reine Schikane, dafür mache ich meinen Job schon zu lange“. Der Trainerschein, den die Vorstände von den Trainern einfordern, sei seiner Meinung nach nur dazu da, dass sich der Verein an der Pauschale bereichern könne. Davide Musso sagt: „Jeder Trainer braucht ab dem Sommer ausnahmslos einen Trainerschein, sogar in der Jugend, wo diese Aufgabe meist von Freiwilligen und Eltern übernommen wird? Dass, selbst wenn jemand gewillt ist diesen Schein zu machen, es in den Zeiten von Corona, Lockdown etc. gar nicht möglich ist, scheint wenig zu interessieren.“

Michael Grünen zieht Sponsor an Land - aber es tut sich nichts

Michael Grünen war auch als Spieler schon vom ESV zum SV Germering gewechselt, weil es Unstimmigkeiten mit seinem alten Trainer gegeben hatte. Davide Musso holte ihn dann als seinen neuen Coach zurück nach Neuaubing. Er war zudem Vorstand der Fußballabteilung und hat versucht, gegen den schlechten Ruf seines Vorgängers anzugehen. Er hatte große Träume mit dem ESV, wollte die Finanzen wieder in den Griff bekommen und mehr Wert auf die Jugendarbeit legen.

Er engagierte sich von 2013 bis 2016 als Vorstand und akquirierte das Möbelhaus Höffner als Sponsor. Auch die Bandenwerbung wurde wieder aktiviert. „Wir haben Jugendtrainer auf Fortbildungen geschickt und Trainingsequipment eingekauft“. Ein Aufschwung war zu erkennen. Grünen berichtet zudem, dass sein Onkel Platzwart wurde und seine Frau als Kassiererin in den Verein einstieg - es kehrte Ordnung ein. Ein Sponsor spendete Material für den Umbau der Sanitäranlagen, alles wurde in Eigenregie erledigt.

Im Gespräch mit Fussball-Vorort prangert Grünen weitere Probleme an, die in seiner Zeit als Vorstand auf ihn zukamen. „Das Fußballhaus durfte nicht renoviert werden, auch eine andere Lösung mit Containern wurde nicht akzeptiert, es sind hanebüchene Geschichten“. Die Abteilung Fußball hatte weiterhin das Nachsehen: „Vor uns gesetzt wurden Feuerleitern für die Halle, dann der Fitnessraum und der Umbau des Judoraums und der Schwimmhalle, alles unter der Prämisse: Sie haben kein Geld.“

Michael Grünen ging zu Lochhausen und kehrte nach zwei Jahren wieder als Trainer zurück zum ESV Neuaubing. Doch die Entscheidungen des Vereins sind für Grünen jetzt „nicht mehr tragbar“. Er verlässt den Verein endgültig zum 1. Juli 2021.

Daniel Wenzel ist noch aktiv beim ESV - er weist auch auf Probleme in der Infrastruktur hin

„Ich bin der letzte von den dreien, der noch im Verein ist. Wir wollen als Abteilung gesehen werden, die Konzepte vorstellt und gesehen wird. Wenn wir gar nichts machen, haben wir verloren“. Er prangert zudem auch den desolaten Zustand der Anlage an, gegen den seit Jahren nichts unternommen wird. Die Wasserleitungen sind seit längerem Defekt, das Duschen nach dem Training oder nach den Spielen ist nicht mehr möglich, die Anlagen werden als Lager benutzt. Zudem gäbe es nur Gemeinschaftstoiletten, was bei einigen Besuchern auch schon zu Verwunderung geführt habe.

Katastrophale Zustände: Die Duschräume beim ESV können schon seit langer Zeit nicht mehr genutzt werden.
Katastrophale Zustände: Die Duschräume beim ESV können schon seit langer Zeit nicht mehr genutzt werden. – Foto: Privat

Daniel Wenzel klagt zudem über die Zustände auf dem Feld. Der Ascheplatz ist bei zu viel Regen nicht bespielbar. Um einen Kunstrasenplatz bemühen sich die Vertreter der Fußball-Abteilung bisher erfolglos. Von der Vereinsführung bekommt man zu hören, dass diese Abteilung das meiste Minus macht und kein Geld für eine Sanierung, einen Umbau oder auch einen modernen Kunstrasenplatz da ist, sagt Wenzel. Die finanziellen Mittel fließen in andere Abteilungen, so baut der ESV momentan eine Tennishalle für einen Betrag zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro, berichtet Wenzel.

Das Wichtigste soll immer noch ein MIteinander sein - doch Gespräche finden nicht statt

In den Gesprächen mit Fussball-Vorort betonten alle drei Beteiligten, dass für sie ein Miteinander deutlich wichtiger ist. Gegeneinander hat man schon jahrelang gearbeitet, das soll nun endlich aufhören.

Zu viele Spieler und Funktionäre haben den Verein bereits verlassen und suchen woanders ihr fußballerisches Glück. Attraktive Angebote aus dem Umkreis gibt es: „In der Gleisharfe und Freiham werden tausende neue Wohnungen gebaut, es wird einen regen Zuzug geben. Wissen Sie, welcher Verein hieran nicht partizipieren wird, wenn ringsum mit Germering, Aubing, Gräfelfing, Pasing und Freiham Vereine parat stehen, die ihren Mitgliedern deutlich mehr zu bieten haben?“

„Mir blutet das Herz, aber so kann das nicht weitergehen.“

Davide Musso nach seinem Abschied beim ESV

Die Emotionen sind greifbar, jeder der hier Erwähnten hat sein Herzblut in den Verein gesteckt - und bisher nichts erreicht. Davide Musso wendete sich auch mit einer E-Mail an die Führungsetage. Diese reagierte mit der Aussage, dass man „in diesem Anliegen momentan keine Dringlichkeit sehe und deshalb auch keine Gespräche führen wird.“ (Magdalena Schwaiger)

Aufrufe: 06.7.2021, 14:33 Uhr
Magdalena SchwaigerAutor