2024-05-02T16:12:49.858Z

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"Dieses Profi-Geschäft ist auch sehr dreckig"

Serie - Teil 26: Vier Jahre lebte Lazar beim FC Kaiserslautern den Profi-Traum und betrieb dafür immensen Aufwand - die wertvollen Erfahrungen möchte er nicht missen +++ U-Nationalspieler für Tschechien

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Gau-Odernheim. Der Aufwand, den Lukas Lazar betrieben hat, war immens. Vier Jahre spielte der aktuelle Gau-Odernheimer für den 1. FC Kaiserslautern, von der U16 bis zur U19. Es waren viele lange Tage und, vom Fußball abgesehen, viele kurze Wochenenden. Am Ende stand der Abschied, der Schritt zurück zum TSV am Petersberg, von wo er einst auszog, um sich seinen Profi-Traum zu erfüllen. Ob er alles noch einmal so machen würde? „Zu tausend Prozent.“

Als 14-Jähriger konnte er auswählen, Mainz 05? Köln? Darmstadt? Der FCK wirkte am familiärsten, punktete mit Zuwendung, Perspektiven, Wertschätzung. Was auf den Wechsel folgte, darf man sich als Kulturschock vorstellen. „Du wirst da behandelt wie ein Profi. Das führt ganz schnell dazu, dass du abhebst“, erzählte Lazar nach seiner Rückkehr der AZ. Er hatte das Glück, daheim geerdet zu werden.

Gewaltige Unterschiede zum Alltag

Die sportliche Anpassung dauerte etwas, was sicher auch mit den Rahmenbedingungen zu tun hatte. Die Unterschiede zum Alltag als Amateurspieler sind gewaltig. „Was die Professionalität angeht, mit Physios, Kraftraum, Fahrdiensten“, erzählt Lazar, „und was die Häufigkeit und Qualität des Trainings angeht.“ Anfangs ähnelten sich die Tagesabläufe der Mannschaftskameraden, von Anreiseweg und -dauer abgesehen. Irgendwann änderte sich das.

Lernen auf Auswärtsfahrten

Ein typischer Wochentag sah für ihn so aus: 6.30 Uhr klingelt der Wecker, ab nach Alzey zur Schule, wenn länger Unterricht ist Sachen mitnehmen, sonst kurz heim, gegen 16.20 Uhr auf zum Mitfahrerparkplatz an der Autobahn, 17.30 Uhr Training am Fröhnerhof, danach individuelle Zusatzschichten, mal auf der Massagebank, mal bei Technikübungen, mal im Kraftraum. Und dann, gegen 21 Uhr oder sogar noch später, eigentlich Lernen und Hausaufgaben. Und schlafen, ausruhen, der nächste Tag steht ja schon vor der Tür. Nicht jeder Tag war so, aber viele. Der Lernstoff schaffte es dann oft bei Auswärtsfahrten mit in den Mannschaftsbus. Samstagmorgen Abreise, Spiel, Übernachtung, da war auch am Wochenende in Sachen Freizeit nicht viel zu holen.

Je älter er wurde, desto mehr Mitspieler waren mit der Schule fertig. Und machten oft – nichts. „Manche haben ein Fernstudium begonnen, andere, die schon einen Profivertrag hatten, haben auch mal die Schule abgebrochen.“ Lazar erzählt von Kollegen, die erst aufgestanden sind, wenn bei ihm die Schule vorbei war. „Andere sind sehr diszipliniert“, blickt er beispielsweise auf Keeper Lorenz Otto, dessen Wecker ebenfalls jeden Morgen klingelte – für Extraschichten.

Kaum Schwächen zeigen

Die Umstellung war happig, zumal man sich im kameradschaftlichen Konkurrenzkampf im Training nicht viele Schwachheiten erlauben durfte. Lazar führte sich vor Augen, dass das nun einmal der Preis ist, den man zahlen muss für das große Ziel. Doch der Antrieb muss auch aus dem Alltag kommen, sonst ist der Weg ein viel zu langer und der Fall, sollte es schlussendlich nicht klappen, einer ins Bodenlose. „Zu tausend Prozent“ also würde der 20-Jährige diese Plackerei noch einmal auf sich nehmen. „Die Erfahrungen nimmt dir keiner. Die Mannschaften, gegen die du spielst, die Spieler, die es schaffen und die du kennen lernst.“

Länderspiele für Tschechien

Die Länderspiele für die tschechische U18, die er bestreiten durfte, gaben gewaltig Auftrieb. „Es gibt kein schöneres Gefühl“, sagt der gebürtige Bad Kreuznacher, „du gehst aufs Feld, die Nationalhymne wird gespielt, deine Familie sitzt auf der Tribüne.“ Es war der Höhepunkt einer wechselhaften, hochspannenden Zeit. Lazar erzählt von den Gepflogenheiten in der Kabine („Was zählt, sind teure Marken“), von Freundschaften, die sich allem Konkurrenzkampf zum Trotz entwickeln, von den privaten Entbehrungen, dem Druck, den schillernden Erfolgsmomenten, der gefühlten Einsamkeit, wenn es einmal nicht läuft.

Ohne Gespräch verabschiedet

Dreimal wurde sein Vertrag beim FCK verlängert. Es gab aufreibende Phasen im Abstiegskampf, mal mit gutem, mal mit schlechtem Ende. Und, als die Pandemie sich ausgebreitet hatte, nicht einmal mehr ein Gespräch. „Dieses Geschäft ist auch sehr, sehr dreckig“, sagt er. Auf dem Sprung ins zweite A-Jugend-Jahr gab es wieder einige Möglichkeiten zur Auswahl, attraktive Alternativen. Lazar erzählt von Versprechungen, die ihm, dem mitentscheidenden Mann beim Ligaverbleib, gemacht und dann nicht gehalten wurden. „Den einen Tag bist du der Held, zwei Monate später bist du irgendjemand.“ Dieser Punkt in seiner Laufbahn, im Sommer seines Nationalmannschaftsdebüts, war im Rückblick der Knick, der ihn innerlich Abschied nehmen ließ vom Profisport.

Plan B wird nun Plan A: Polizist werden

Jetzt wird Lukas Lazar Polizist, eines von drei Ausbildungsjahren ist vorüber. „Am Anfang war es natürlich etwas sehr Negatives“, blickt er auf seinen Abschied vom FCK zurück, „aber man merkt mit der Zeit, ob es für oben reichen wird oder nicht.“ Es gab Überlegungen, voll auf die Karte Fußball zu setzen, womöglich in Tschechien – und den „Plan B, der eigentlich ein Plan A war“, nämlich der berufliche Werdegang. Man solle die Tür niemals zuschlagen, wenn höherklassige Offerten kommen, müsse man darüber nachdenken. Priorität hat das allem Anschein nach aber nicht.

Einiges hat er mitgenommen aus seinen vier Jahren beim FCK. Den Stolz, sich in den Mannschaftsklamotten, mit dem Wappen auf der Brust zu zeigen. Die Ansprüche an Ordnung und Sauberkeit, die er sich ein Jahr lang im Internat angeeignet hat. Die Erfahrung, wie schnell es gehen kann, nach oben und zurück. Mit Druck umzugehen. „Ich bereite mich immer noch so auf die Spiele vor, wie ich es im NLZ gemacht habe“, erzählt er, „ein Sonntagsspiel fängt Samstagabend an.“ Spätestens. Ein, zwei Tage vorher gilt es auf Trinkvolumen und Essen zu achten, am Abend vorher kommen Blackroll und Fitgun zum Einsatz, auch der Schlaf muss stimmen.

"Weniger als 101 Prozent gibt es bei mir nicht"

Und die Gewohnheit, vor einem Spiel am frühen Nachmittag morgens spazieren zu gehen und dann Konzentrationsübungen zu absolvieren, hat er ebenfalls beibehalten. Lazar spricht vom Anspruch an sich selbst. „Weniger als 101 Prozent gibt es bei mir nicht, sonst kann ich es auch lassen. Ich will immer besser werden.“ Eine Einstellung, die den Jungen aus Albig, der bei der SG Dautenheim/Esselborn angefangen hatte zu kicken, einst bis ins NLZ brachte. „Ich war vom Technischen und Spielerischen her nicht das größte Talent, aber vom Kämpferischen.“ Und weil das so ist, kann er sich nichts vorwerfen. Und mit Zufriedenheit auf seine Zeit am Fröhnerhof zurückblicken, mit den vielen Erfahrungen, die sein Leben bereichern.

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (RW Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)
- Teil 12: Marvin Esser (SG Walluf)
- Teil 13: Patrick Huth (TSG Pfeddersheim)
- Teil 14: Ilker Yüksel (Hassia Bingen)
- Teil 15: Tim Burghold (SV Niedernhausen)
- Teil 16: Noel Wembacher (RW Darmstadt)
- Teil 17: Tobias Schneider (RWO Alzey)
- Teil 18: Noah Michel (Türkgücü Friedberg)
- Teil 19: Marleen Schimmer (San Diego Waves)
- Teil 20: Deniz Darcan (SG Eintracht Bad Kreuznach)
- Teil 21: Max Pflücke (FC Basara Mainz)
- Teil 22: Jann Bangert (SV Rot-Weiß Hadamar)
- Teil 23: Aleksandar Biedermann (Wormatia Worms)
- Teil 24: Volkan Tekin (SV Dersim Rüsselsheim)
- Teil 25: Ilias Tzimanis (SV Unter-Flockenbach)

Aufrufe: 017.3.2022, 06:00 Uhr
Torben SchröderAutor