München – Bekanntlich ist es auch nonverbal möglich, einem Menschen zu „sagen“, wie wichtig er einem ist. Man kann den großen Sessel im Wohnzimmer freimachen, den Staub aus dem Kissen klopfen und jeden abweisen, der sich auf den Ehrenplatz setzen möchte. Oder aber man nimmt den kleinen Holzstuhl, stellt ihn an die Ecke des Tisches und fängt schon mal mit dem Essen an. Übertragen auf den TSV 1860: Man kann Trikotnummern frei halten wie bei Tim Rieder (23) – oder aber neu vergeben wie bei Nico Karger (ehemals 18) und Herbert Paul (ehem. 28), die nach offizieller Darstellung weiterhin nicht abgeschrieben sind.
Einwenden ließe sich, dass es wohl kein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, einem 17-jährigen Talent wie Lorenz Knöferl die, sagen wir, 15, 16 oder 19 schmackhaft zu machen. Ihm Kargers 18 zu geben, ist wahlweise frech oder ungeschickt. Der Außenstürmer, seit 2009 im Verein, hat verstanden (#gutzuwissen) und liebäugelt nun mit einem Wechsel zu Daniel Bierofkas neuem Club Wacker Innsbruck. Dass es auch anders geht, stilvoller, beweisen die Löwen mit der Personalie Rieder.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Der Leihvertrag mit Rieder, einem der besten Sechser der 3. Liga, ist nach dem Saisonfinale gegen Ingolstadt (0:2) ausgelaufen, der Dachauer nun offiziell wieder Angestellter des FC Augsburg, der zwei Ligen über 1860 spielt – und entsprechend mehr bezahlen kann. Allerdings: Rieders Vertrag beim Bundesligisten endet im Sommer 2021. Ob seine Zukunft beim FCA liegen wird, dürfte sich Ende kommender Woche beim Termin mit FCA-Trainer Heiko Herrlich entscheiden.
Laut Rieders Management lägen dem Defensiv-Strategen auch Anfragen aus der 2. und 3. Liga vor – auch Sechzig bemühe sich weiterhin, finanzielle Wege zu öffnen, um so doch noch zum Zug zu kommen. „Auf unser finanzielles Basispaket kann ja theoretisch auch noch etwas draufgelegt werden“, sagte 1860-Sportchef Günther Gorenzel unlängst. Und falls es so kommt, werde man schauen müssen, „ob Tim Rieder dann noch verfügbar ist“.
Nach Informationen unserer Zeitung ruhen Gorenzels Hoffnungen in erster Linie auf den Transferbeteiligungen für Marin Pongracic und Felix Uduokhai (rund zwei Millionen Euro), die aktuell als Sicherheit für das Not-Darlehen von Hauptsponsor „Die Bayerische“ geblockt sind. Seit Februar verfolgen die Löwen den Plan, diese Sicherheit durch eine Hypothek auf die KGaA-eigene Geschäftsstelle zu ersetzen. Noch fehlt das Grüne Licht der Stadt München, die den Sechzigern das Grundstück auf Erbpacht-Basis zur Verfügung stellt.
Rieder, der blau gewordene Ex-Rote, würde gerne bei 1860 bleiben, wie er schon im Februar verriet. „Von Yannick Stark wusste ich, wie schnell das gehen kann mit dem ELIL-Syndrom“, erinnerte er an die Einmal-Löwe-immer-Löwe-Doktrin. Angesprochen auf seine Pläne für die nächsten fünf Jahre, sagte er: „Ich hoffe, dass wir 1860 bis dahin wieder im Oberhaus des deutschen Fußballs sehen – und ich wäre auch dann noch gerne ein Teil davon.“
Nostalgiker unter den 1860-Fans könnten sich notfalls auch mit einer Rückkehr von Daniel Baier anfreunden (36, ebenfalls FC Augsburg), doch auch in seinem Fall dürfte gelten: Ohne Geld kein Mittelfeldchef. Dabei wäre Baiers frühere Nummer – die 24 – aktuell noch frei.
(ULI KELLNER, LUDWIG KRAMMER)