2024-04-29T14:34:45.518Z

Interview
Läuft bei 1860: Mittelfeld-Dauer(b)renner Tim Rieder, hier mit Offensivkollege Albion Vrenezi.
Läuft bei 1860: Mittelfeld-Dauer(b)renner Tim Rieder, hier mit Offensivkollege Albion Vrenezi. – Foto: Imago Images/Kolbert-press

Löwen-Sechser Tim Rieder fordert im Interview: „Wir müssen eklig bleiben!“

1860-Dauerbrenner über die Erfolgsserie, Konstanz und Ziele

Dauerbrenner Tim Rieder hat unter Arigiros Giannikis noch keine Minute verpasst. Im Interview spricht der Sechser über die Serie und blickt voraus.

München – Vor ziemlich genau einem Jahr erhielt er die erschütternde Diagnose: Innenbandriss – bislang die schwerste Verletzung in Tim Rieders Karriere. Es dauerte ein halbes Jahr, bis sich der Sechser zurück ins Team gekämpft hatte. Vorbei und vergessen, denn Rieder ist längst wieder eine feste Größe im Mittelfeld des TSV 1860, ein Dauerbrenner, der bei allen Punktspielen seit dem Jahreswechsel über die vollen 90 Minuten auf dem Feld stand. Der neue Trainer bezeichnet den 30 Jahre alten Rieder als „fleißigen Stabilisator“ – wir trafen ihn zum Interview.

Tim, vier Siege in Folge und in acht Spielen unter dem neuen Trainer keine Niederlage kassiert. Wie viel Spaß macht es aktuell, ein Löwe zu sein?

Es macht eigentlich immer Spaß – aktuell natürlich noch ein bisschen mehr. Gerade, wenn du so Spiele wie in Verl ziehst, was sicher nicht unser bestes Spiel war. Danach macht sogar eine lange Rückfahrt im Bus Spaß (lacht).

„Nach dem 1:0 neulich gegen Essen, kam die Nummer 10 von denen zu mir und klagte, dass wir sehr stabil stehen.“

Tim Rieder über die Kompaktheit unter Argirios Giannikis.

Im neuen Jahr haben Sie noch keine Pflichtspielminute versäumt – als einziger Profi im Team von Argirios Giannikis. Würden Sie sagen, dass Sie ein Jahr nach Ihrer schweren Verletzung Ihr altes Leistungsniveau erreicht haben?

Ja, glaube ich schon. Die ersten Spiele habe ich gemerkt, dass ich ein bisschen brauche, um wieder reinzukommen. Wettkampf ist schon was anderes als nur Training. Ich denke aber, dass ich inzwischen zu alter Stärke zurückgefunden habe. Der Trainer schenkt mir viel Vertrauen – das versuche ich auf dem Platz zurückzugeben.

Dass die Löwen in den letzten fünf Spielen keinen Treffer aus dem Spiel heraus kassiert haben, ist auch ein Kompliment fürs defensive Mittelfeld, oder sehen Sie das anders?

Es gehört schon die ganze Mannschaft dazu. Was schön war: Nach dem 1:0 neulich gegen Essen, kam die Nummer 10 von denen zu mir und klagte, dass wir sehr stabil stehen. Dass sie das Gefühl haben, überhaupt nicht durchzukommen. Ich glaube, diese Kompaktheit zieht sich gerade durch unsere Spiele – und dass wir zur Not hinten raus die Tore machen.

„Wenn wir ins Grünwalder Stadion einlaufen, haben wir das Gefühl, unbesiegbar zu sein.“

Tim Rieder.

Sie selbst kommen aber nicht mehr so häufig vors Tor. Müssen Sie im neuen System defensiver spielen als früher?

Der Trainer will, dass man seine Positionen hält. Früher warst du da ein bisschen, sag ich mal, freier auf dem Platz. Aber genau das, was der Trainer einfordert, macht uns auch gerade so stark. Dass jeder sich nur auf seine Aufgaben konzentriert und nichts Wildes auf dem Platz anstellt. Zum Glück gibt es ja genug andere Spieler bei uns, die die Tore machen (lacht).

Marco Hiller sagt, alle Spieler hätten mehr Selbstvertrauen, Julian Guttau spricht von einem Flow, bei dem vieles von selbst läuft. Wie lautet Ihre Erklärung für den Höhenflug im neuen Jahr?

Ich glaube auch, dass mit jedem gewonnenen Spiel das Selbstvertrauen wächst. Auch dass die Heimstärke wieder da ist. Wenn wir ins Grünwalder Stadion einlaufen, haben wir das Gefühl, unbesiegbar zu sein. Es ist aber auch harte Arbeit, tagtäglich. Es ruht sich ganz sicher keiner bei uns aus.

„Sein Anteil ist riesengroß.“

Tim Rieder über den Aufschwung unter Trainer Giannikis.

Welchen Anteil hat der Trainer am Umschwung? Der Punkteschnitt von 2,25 spricht ja für ihn.

Er hat ein klares System, einen bestimmten Fußball, den er spielen lassen will. Trotz der Kürze der Zeit hat er viel Struktur in unser Spiel reingebracht. Deshalb ja, sein Anteil ist riesengroß.

Der Abstiegskampf dürfte endgültig kein Thema mehr sein. Welche Ziele steckt sich die Mannschaft als nächstes?

Wir wollen in erster Linie unsere Serie fortführen. Als Michael Köllner kam, gab es mal eine Serie mit 16 Spielen – damals (2019/20) war ich auch hier. Ein konkretes Ziel gibt es nicht. Wir sind erst mal froh, dass wir da unten ein bisschen weg sind. Das sah vor ein paar Wochen noch ganz anders aus.

„Wir schauen nicht auf die Tabelle, sondern auf den nächsten Gegner.“

Tim Rieder über die Serie der Löwen.

Wenn 1860 am Samstag Ulm schlägt, sind es nur noch sieben Punkte auf Platz drei. Das ist Ihnen aber schon bewusst, oder?

Wir schauen nicht auf die Tabelle, sondern auf den nächsten Gegner. Ulm steht nicht umsonst da oben. Daher: Gelassen ins Spiel reingehen, unsere Arbeit machen – und schauen, was rauskommt.

Fängt der Kopf an zu arbeiten, weil am Samstag die Chance da ist, richtig vorne ranzukommen?

Meiner sicher nicht. Es gab ein Spiel, wo wir sogar unter dem Strich waren, wo richtig Druck auf dem Kessel war. Da bin ich auch nicht nervös geworden. Ich glaube, es wird auch für alle Zuschauer ein schönes Spiel. Ein Südschlager oder wie man die Partie auch immer nennen möchte. Für mich ist es einfach ein geiles Spiel, auf das wir richtig Bock haben.

„Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen.“

Tim Rieder würde bei den Löwen gerne verlängern.

Seit Giannikis da ist, hat das Team Abstiegsduelle gewonnen, Rückstände aufgeholt, Spitzenteams geschlagen. Was ist die nächste Herausforderung?

Die Konstanz. Dass du das Woche für Woche bestätigst. Dass es eklig bleibt, gegen uns zu spielen. Und dass wir jeden Gegner schlagen können – auch die, gegen die wir in der Hinrunde verloren haben. Wie das Spiel in Ulm mit diesem Sch… Wind-Gegentor (zur 0:1-Niederlage). Da haben wir auf jeden Fall noch was gutzumachen.

Ende Juni läuft Ihr Vertrag bei 1860 aus. Würden Sie gerne bleiben oder haben Sie andere Pläne?

Ich glaube, jeder weiß, dass ich mich hier wohlfühle, dass ich aus der Region komme. Von daher natürlich würde ich sehr gerne bleiben.

Wäre eine Vertragsverlängerung gleichbedeutend mit: Einmal Löwe, für immer Löwe?

Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen.

„Ich denke, wenn man den Kern zusammenhält, kann etwas sehr Positives entstehen.“

Tim Rieder blickt in die Zukunft des TSV 1860.

Dann spielen Sie doch mal Christian Werner: Wie sinnvoll wäre es, das aktuelle Team samt Trainerstab zusammenhalten?

Das ist nicht meine Aufgabe, aber ich habe das Gefühl, dass wir als Mannschaft sehr zusammenwachsen. Es schweißt auch zusammen, wenn man negative Sachen erlebt hat. Man hat diese Saison gesehen, dass wir uns aus schwierigen Situationen gemeinsam rausgeboxt haben. Ich denke, wenn man den Kern zusammenhält, kann etwas sehr Positives entstehen.

33 Punkte sind in dieser Saison noch zu vergeben. Wie viele trauen Sie der Mannschaft zu?

Wir müssen einfach weiter alles reinwerfen – und am Ende schauen wir dann, was dabei rauskommt.

(Interview: Uli Kellner)

Aufrufe: 01.3.2024, 09:10 Uhr
Uli KellnerAutor