2024-06-14T14:12:32.331Z

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Wöhrend des Heimaturlaubs in vertrauter Umgebung: Paul Kirdorf in der Umkleidekabine des SV Alemannia Waldalgesheim.	Foto: Jochen Werner
Wöhrend des Heimaturlaubs in vertrauter Umgebung: Paul Kirdorf in der Umkleidekabine des SV Alemannia Waldalgesheim. Foto: Jochen Werner

Alemanne bei Ledernacken

PAUL KIRDORF Waldalgesheims Fußballer berichtet über seine Erfahrungen in den USA

WALDALGESHEIM. Mit 20 Jahren hat Paul Kirdorf den Sprung gewagt, jagt jetzt für die Western Illinois Athletics – in den USA mehr oder weniger bekannt unter dem Spitznamen „Fighting Leathernecks“ (kämpfende Ledernacken, Spitznahme der US-Marines) – dem Fußball hinterher. In Deutschland bleibt er für Verbandsligist Alemannia Waldalgesheim spielberechtigt, für den er in der Saison 2016/17 die Fußballschuhe schnürte und zuletzt im Weihnachtsurlaub beim Binger Hallenmasters mithalf, ins Finale kommen.

Kirdorf studiert seit dem vergangenen Sommer an der Western Illinois University in Macomb (rund 300 Kilometer südwestlich von Chicago), will hier seinen Bachelor in Business Management machen. Dreieinhalb Jahre wird er noch in den USA bleiben, nur in den Semesterferien zurück nach Deutschland kommen und dann vielleicht auch für die Alemannia auf dem Platz stehen.

„Wenn ich nicht kicken könnte, wäre ich nicht hingegangen“, weiß der Bayern-Fan, welchen Qualitäten er sein Auslandsstudium verdankt. Ein Hauptgrund, nach Übersee zu gehen, war außerdem Tim Hansen, der als Torwart vom SV Gonsenheim aus ein Jahr vorher den Schritt wagte. Nach Hinschicken eines Videos habe ihm der Trainer ein tolles Stipendium angeboten, weil er auf der Suche nach einem defensiven Mittelfeldspieler war, berichtet Paul Kirdorf.

Die Anfänge dort bedeuteten für den in Kaub aufgewachsenen Studenten, der in Geisenheim sein Abitur mit den Leistungskursen Englisch und Sport ablegte, eine Umstellung. Das Spielniveau sei nur schwer vergleichbar, alles erinnere ihn eher an Jugendpartien, erzählt er, denn das Gros der Akteure sei zwischen 18 und 24 Jahre alt. Mannschaften wie etwa die Denver Pioneers seien auf einer Stufe mit Verbands- oder Oberligateams, der College-Fußball aber etwas ganz anderes als der Ligafußball hier.

Fußball ist in den USA immer noch Randsportart. Kirdorf brauchte Zeit, um sich mit dem weitgehend körperlosen Spiel und dem im Vergleich zur Verbandsliga ungeheuren Platz, den er als Sechser bekommt, zurechtzufinden. „Am Anfang habe ich viele Gelbe Karten gesehen, ein paarmal war’s auch dunkelgelb“, gibt er zu. Dazu komme, dass es innerhalb seines Teams nach der ersten Elf einen Bruch in der Leistungsdichte gebe. Ein Tor und drei Assists stehen nach den ersten drei Monaten für ihn zu Buche. In den für die Liga gewerteten Spielen, die innerhalb von zehn Wochen absolviert wurden, belegte sein Team Platz zwei, unterlag anschließend 0:2 in den Play-offs zur Meisterschaft gegen die Omaha Athletics.

Das Collegefußballsystem ist völlig anders als das, was Paul Kirdorf gewohnt war. Drei Exhibition-Spiele machte er mit den Leathernecks vor der Saison, dann gab es Spiele, die zwar für die Einstufung zählten, aber keine Ligaspiele waren. In der Liga selbst sieht das System dann in der Regel pro Wochenende entweder zwei Auswärts- oder zwei Heimpartien vor, immer mit einem Tag Pause dazwischen. Zu den Auswärtsbegegnungen ging die Reise mit dem Bus, auch wenn die Spielorte 500 bis 800 Kilometer entfernt lagen. „Einmal sind wir aber geflogen“, sagt Kirdorf, der die Reisezeit zum Lernen nutzt.

Im Herbst stand fünfmal Training pro Woche auf dem Terminplan, jeweils zwei Stunden am Tag. Jetzt im Frühjahr wird dreimal mit dem Ball geübt, daneben geht es ins Fitnessstudio. Bis Sommer gibt es ausschließlich Testspiele, im August beginnt die Vorbereitung auf die neue Saison. „Alles ist aber viel entspannter als bei uns, alles ist an einem Fleck, ob Uni, Trainingsplatz, Physio oder Fitnessraum“, hat Paul das Leben in Illinois längst verinnerlicht.

Und doch war er froh, in der Binger Halle mit den „alten Jungs“ zusammen zu kicken. „Ich wollte endlich mal wieder deutschen Fußball spielen“, juckte es ihn gewaltig in den Füßen. Wen er schon immer cool fand, ist Bastian Schweinsteiger. Passend zur eigenen Spielanlage. Damit werde er innerhalb des Teams oft veräppelt, muss er grinsen. Die Nähe zu Chicago, wo der 121-malige Nationalspieler bei „Fire“ gerade seinen Vertrag verlängerte, tue dabei ein Übriges.

Am 13. Mai kommt Paul Kirdorf zurück nach Deutschland. Rechtzeitig und hoffentlich topfit, um auf ein paar Einsatzminuten in den letzten Saisonspielen der Alemannia hoffen zu dürfen. Daraus, dass er dabei auch das mögliche Pokalfinale mit der Alemannia an Pfingstmontag im Fokus hat, macht er kein Geheimnis.



Aufrufe: 026.1.2018, 12:00 Uhr
Jochen WernerAutor