2024-04-30T08:05:46.171Z

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Sebastian Hackl (li.), Ertugrul Bilgili (mi.) und Berat Karabey (re.) haben in ihrer Region auf Jahre hin Rekorde aufgestellt.
Sebastian Hackl (li.), Ertugrul Bilgili (mi.) und Berat Karabey (re.) haben in ihrer Region auf Jahre hin Rekorde aufgestellt. – Foto: Timo Babic

84, 54, 42 – Das sind die Lewandowskis aus unserer Region

Die heimischen Torjäger Sebastian Hackl, Ertugrul Bilgili und Berat Karabey haben die Rekordmarke des Bayern-Stars weit früher übertroffen +++ Das machen sie heute

Wiesbaden/Rheingau-Taunus. Über zwei Wochen ist es nun her, dass Robert Lewandowski mit seinem Treffer kurz vor Schluss gegen den FC Augsburg Gerd Müllers legendäre 40-Tore-Marke knackte. Mit 41 Treffern in einer Saison schrieb der Pole Bundesligageschichte. Anlässlich dieses Rekords haben wir uns auf die Suche nach den Lewandowskis der Region begeben. Denn mit einem Blick in die Chroniken der Amateurligen der vergangenen Jahre fällt schnell auf, dass kein lokaler Fußballliebhaber unbedingt die Reise in die Münchner Allianz Arena anzutreten braucht, um einen echten Torjäger spielen zu sehen. Gab es doch immer wieder Spieler, die sogar mehr als 41 Mal in einer Spielzeit netzten. Exemplarisch stehen dafür die Namen Sebastian Hackl, Ertugrul Bilgili und Berat Karabey.

So hat Sebastian Hackl im Fußball-Kreis Rheingau-Taunus für reichlich Aufsehen gesorgt. In der Saison 2016/16 steuerte er als Torschützenkönig im Trikot des damaligen B-Ligisten TuS Kemel satte 42 Treffer zum Aufstieg bei und übertraf damit die aktuelle Lewandowski-Marke. Für die Kemeler und für ihn ein Coup, denn seinerzeit hatte niemand den TuS auf der Rechnung. Sowohl die Meisterschaft als auch sein Torrekord seien in dieser Saison das Produkt eines perfekt harmonierenden Teams mit „Weltklassetrainer“ Dennis Ulmrich gewesen. „Es werden ja immer nur die Stürmer gelobt. Aber ohne die Jungs wäre so eine Saison von mir nicht im Ansatz möglich gewesen. Da erinnere ich mich besonders gerne an Robin Römer zurück, mit dem ich in der Rückrunde ein überragendes Duo gebildet habe. Das war blindes Verständnis, mehr als 50 Prozent meiner Tore wurden von ihm vorbereitet“, erzählt der Stürmer. Zur kommenden Saison kehrt Hackl nun von der SG Schlangenbad zu seinem Heimatverein SG Meilingen zurück und trifft dort einige seiner ehemaligen Kemeler Weggefährten wieder.

Auf lokaler Ebene rückte in Wiesbaden in der gleichen Spielzeit Ertugrul Bilgili ins Rampenlicht, in dem Lewandowski praktisch täglich steht. Doch was die Ausbeute angeht, stiehlt Bilgili dem Bayern-Star glatt die Schau. Unfassbare 84 Mal traf der Stürmer mit der eingebauten Tor-Garantie in der Saison 2016/17 für den heutigen FSV Wiesbaden 07/23 in der B-Liga und sorgte damit als einer der treffsichersten Amateurkicker Deutschlands für bundesweites Aufsehen. Als B-Ligist zeichnete Bilgili stets Disziplin aus. „Ich habe immer darauf geachtet, auch neben dem Platz die besten Voraussetzungen für mich als Spieler zu schaffen. Ich bin freitags und samstags vor den Spielen immer früh genug ins Bett, ein Feiertyp war ich sowieso nicht. Auch auf meine Ernährung habe ich insbesondere vor den Spielen sehr geachtet. Für die B-Klasse war ich auf jeden Fall sehr diszipliniert, das kann man sagen“, schildert er. Auf dem Platz profitiert der heute 29-Jährige von seiner beeindruckenden Schnelligkeit und seiner Variabilität: „Mein Tempo sehe ich als größte Stärke an. Die Tore habe ich in dem Jahr in allen möglichen Formen gemacht. Ob von der Mittellinie, per Fallrückzieher oder mit dem Kopf, da war wirklich alles dabei.“ Wenig überraschend weckte der Stürmer mit seiner Rekordsaison auch das Interesse anderer Vereine. So klopfte unter anderem ein türkischer Zweitligist an, der Bilgili für ein Probetraining einfliegen lassen wollte. Doch der Goalgetter ging mit dem FSV in die A-Liga, netzte in der Folgesaison satte 70 Mal und lebte Bescheidenheit vor: „Ich habe mir da nie etwas drauf eingebildet. Es war immer noch nur die B-Klasse beziehungsweise dann die A-Klasse, in der ich so getroffen habe.“ Doch seine Fließbandtreffer sorgten auch für Schattenseiten. Der Stürmer legte trotz seiner Erfolge im Winter 2019 eine Pause vom Fußball ein, die bis heute andauert: „Mit dem Erfolg kamen auch die Anfragen. Mir wurde viel versprochen und zugesagt, was nicht eingehalten wurde. Lockversuche aus dem In- und Ausland, falsche Menschen und Manager, die behaupteten mich weiterbringen zu können, aber am Ende nur an sich gedacht haben. Ich hatte Pläne, die nicht aufgegangen sind und brauchte Zeit, das zu verarbeiten.” Nach langer Pause sieht sich Bilgili nun aber bereit für sein Comeback: „Ich warte auf das passende Angebot für mich. Ob ich bereits zur Sommervorbereitung einsteige oder doch erst im Winter, wird sich zeigen. Interesse gibt es aktuell von Kastel 06, Kastel 46, Bosporus Eltville oder auch wieder dem FSV Wiesbaden.”

Berat Karabey hatte in den Jahren vor seiner Rekordsaison hochklassig gespielt. So sammelte er unter anderem mit Kickers Offenbach wichtige Erfahrungen in der U 17-Bundesliga und später im Trikot des FSV Frankfurt Spielminuten in der Männer-Regionalliga. Für den Profibereich reichte es schlussendlich nicht ganz: „Von der Qualität habe ich mir immer alles zugetraut, aber es hat einfach an der Fitness gehapert.“ Bei der TSG Kastel 46 dürfte man froh sein, dass Karabey in der Saison 2015/16 zu seinem Heimatverein zurückkehrte, um eine unvergleichliche Runde zu spielen. Mit 54 Toren in der Kreisoberliga Wiesbaden zeigte der Rechtsfuß allen, was man in Offenbach und beim FSV Frankfurt in ihm gesehen hatte. „Es war wirklich eine magische Saison“, sagt Karabey. Für Magie auf dem Platz sorgte er in seiner Rekordsaison insbesondere mit dem Zehner Mahdi Mehnatgir, der heute in der Regionalliga Südwest für Bayern Alzenau die Schuhe schnürt. „Mahdi kam damals aus dem Iran und sprach überhaupt kein Deutsch. Auf dem Platz verstanden wir uns trotzdem blind“, erinnert sich der 29-Jährige an seinen ehemaligen Teamkollegen. In besonderer Erinnerung blieb Karabey, dessen Vorbild der Brasilianer Ronaldo ist, ein Spiel gegen Amöneburg: „Wir lagen 0:3 zurück. Ich habe dann acht Tore gemacht und wir haben das Spiel gedreht. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass mich in dieser Saison eigentlich nichts halten kann.“ Dass Karabey mit solchen Leistungen das Interesse anderer Vereine weckte, überraschte kaum. „Die Zeit danach war wirklich krass. Es kamen viele Angebote von allen Seiten. Man hatte fast ein bisschen dieses Profifeeling, das einem vorher verwehrt blieb. Das Handy klingelte quasi die ganze Zeit. Ich bin mir sicher, dass Lewandowski heute nicht viel mehr Anrufe hat“, so der Goalgetter scherzhaft. Karabey verschlug es nach seinem Rekordjahr zum VfB Ginsheim und anschließend zu DJK Flörsheim, ehe er im Jahr 2019 wieder zu Kastel 46 zurückkehrte.

Aufrufe: 011.6.2021, 18:00 Uhr
Alexander KnittelAutor