2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Zweieinhalb Stunden einfache Fahrzeit nahm FuPa-Reporter Dieter Rebel auf sich, um Benedikt Hotz in Aschaffenburg zu besuchen.
Zweieinhalb Stunden einfache Fahrzeit nahm FuPa-Reporter Dieter Rebel auf sich, um Benedikt Hotz in Aschaffenburg zu besuchen. – Foto: Dieter Rebel

Der größte gemeinsame Nenner

Benedikt Hotz, Sportlicher Leiter von Regionalligist Viktoria Aschaffenburg, im Interview mit FuPa-Reporter Dieter Rebel

Im Fokus der Öffentlichkeit stehen in erster Linie die Spieler, dicht gefolgt vom Trainer. Die Sportlichen Leiter der jeweiligen Teams agieren eher im Hintergrund, treffen aber Entscheidungen, die es überhaupt erst möglich machen, dass sich das Team in den Vordergrund spielen kann. Benedikt Hotz ist Fußballchef bei Viktoria Aschaffenburg. Der 33-Jährige steht also in der Verantwortung des Regionalligsten und gibt die Richtung vor, die "bodenständig-ambitioniert" sein soll, wie der Funktionär im Interview mit FuPa-Reporter Dieter Rebel betont. Eine Eigenschaft, die auch auf ihn selbst zutrifft...

Benedikt, gleich zu Beginn darfst Du mal so richtig über das Corona-Wechselfenster schimpfen...
(schmunzelt) Schimpfen wäre das falsche Wort. Das Corona-Wechselfenster ist eine Sache für sich. Beispiel Elias Niesigk. Bei Bayern Alzenau, das ja fußballerische zu Hessen gehört, war er Amateurspieler. Wir haben ihn als Vertragsspieler verpflichtet, hätten aber Ablöse zahlen müssen, weil ja das Corona-Wechselfenster mit der Winterperiode und den dabei geltenden Regeln gleichgesetzt ist. Das wäre schon ein Dämpfer für uns gewesen.

Und trotzdem konntet ihr mit Marcel Schelle zuletzt noch einen Neuen an Land ziehen.
Eigentlich wollte ich vor meinem Urlaub die Kaderplanung abgeschlossen haben, aber nach den Abgängen von Björn Schnitzer und Pasqual Verkamp hatten wir in der Zentrale und der offensiven Außenbahn noch Handlungsbedarf, somit war es kein richtiger Urlaub. Über seinen Berater sind wir auf Marcel Schelle von Eichstätt aufmerksam geworden, bei dem das Gesamtpaket einfach gestimmt hat. Glücklicherweise konnten wir diesen Transfer jetzt auch klar machen.

Diese besondere Wechselperiode hat Deine Viktoria ingesamt getroffen wie keinen anderen Regionalligisten. Neun Spieler haben Aschaffenburg verlassen. Hat sich diese Abwanderungswelle überrascht?
Ich würde hier nicht von einer Abwanderungswelle reden und so recht getroffen hat uns das auch nicht, ich denke andere Vereine hatten dahingehend auch größere Probleme. Dass uns Björn Schnitzer und Pasqual Verkamp verlassen, hat uns alle richtig getroffen und damit hatten wir nicht zwingend gerechnet. Der Abschied von Silas Zehnder tut ebenfalls weh, aber wir wussten, dass er uns wieder verlässt und es bei Darmstadt packen will. Uns freut es, dass mit ihm ein Spieler unser Kaders es geschafft hat, Profi zu werden. Das ist eine Bestätigung für unsere Arbeit. Alle anderen Abgänge waren mehr oder weniger geplant, da wir angesichts der aktuellen Lage den Kader etwas ausdünnen mussten. Insgesamt, das steht außer Frage, ist der Umbruch größer als erwartet. Wir haben ja fast eine ganze Mannschaft verloren



Der Abgang von Björn Schnitzer ist bitter, aber...



Auf der anderen Seite konntet Ihr auch ein paar Neuzugänge an Land ziehen und wichtige Spieler halten. Ist der Nach-Corona-Kader genauso stark wie der Vor-Corona-Kader?
Bekommen wir für die linke Außenbahn noch einen starken Spieler als Nachfolger von Pasqual Verkamp, haben wir uns qualitativ auf alle Fälle nicht verschlechtert. Klar fehlt die individuelle Klasse, die ein Björn Schnitzer mitbringt. Er ist einfach ein Spieler, der manchmal aus Nichts etwas zaubern kann. Das Kollektiv wird das allerdings auffangen. Wir haben nach wie vor genug Qualität, um unsere Ziel erreichen zu können.

Ist die Saison, die bald forgesetzt werden soll, noch irgendwie vergleichbar mit der bisherigen, wegen Corona unterbrochenen Spielzeit?
Rein sportlich gesehen: Nein. Viele Mannschaften haben sich komplett verändert. Meiner Meinung nach ist der Wettbewerb deshalb verzerrt. Aber wir wollen nicht jammern. Es ist so, wie es ist. Wir nehmen die Situation so an und versuchen das Beste daraus zu machen.

Türkgücü ist weg: Kann die Viktoria nochmal in den Aufstieg miteingreifen?
Erst kürzlich habe ich mit Markus Wolf von Schweinfurt wegen der möglichen Play-Offs telefoniert. Und ja, er hat wohl ein bisschen Angst davor, dass wir da teilnehmen wollen (schmunzelt). Insgesamt gilt: Wir müssen nichts, wir können alles. Kommen wir unter die Top4, wollen wir natürlich an den Play-Offs teilnehmen. Mal schauen, vielleicht können wir Bayreuth und Schweinfurt dann noch ein bisschen ärgern.



Arbeitet Ihr am Projekt 3. Liga? Ist der Profifußball in Aschaffenburg das große Ziel?
Vom Umfeld her haben wir auf alle Fälle das Potenzial für die 3. Liga. Vereinsseitig fehlen noch gewisse Strukturpunkte, an denen wir aber schon arbeiten. Mittelfristig ist es sehrwohl unser Ziel, in den Profibereich vorzustoßen.

Für welche Werte steht die Viktoria Deiner Meinung nach - und wie lassen diese sich im immer professioneller werdenden Regionalliga-Fußball erhalten?
Viktoria steht die vergangenen Jahre wieder für Bodenständigkeit, für ehrliche und harte Arbeit, aber auch für ein familäres Umfeld. Kurz und knapp: Wir sind bodenständig-ambitioniert. Wir wollen weiter wachsen, aber gleichzeitig ist es unser großen Anliegen, unsere Identität nicht zu verlieren.

Als junger Sportlicher Leiter, der noch relativ frisch ist bei der Viktoria: Wie lange braucht man, einen Verein zu "kapieren"?
Da muss ich etwas weiter ausholen. Ich bin zirka 20 Kilometer von Aschaffenburg entfernt aufgewachsen, bin in der C-Jugend zur Viktoria gekommen und auch länger geblieben. U.a. war ich in damals noch vorhandenden U23 auch Kapitän. Der Kontakt zum Verein ist eigentlich nie abgerissen - selbst während meiner Zeit bei Viktoria Kahl, wo ich erste Erfahrungen als Verantwortlicher hab sammeln können. Die Philosophie des SV habe ich über Jahre hinweg verinnerlicht, wobei man auch klar und deutlich sagen muss, dass in der Vergangenheit gegen diese Identität gearbeitet worden ist. Die ehemaligen Verantwortlichen und wir hatten ein Image wiederherzustellen zuletzt. Und es ist ja irgendwie auch logisch, dass ich einige persönliche Dinge auf den Verein adaptiere - wie jeder Funktionär.

Auf den Geschmack gekommen ist Viktoria Aschaffenburg, wenn's ums Jubeln geht. Die Franken wollen in den Profibereich, wie deren Sportlicher Leiter erklärt.
Auf den Geschmack gekommen ist Viktoria Aschaffenburg, wenn's ums Jubeln geht. Die Franken wollen in den Profibereich, wie deren Sportlicher Leiter erklärt. – Foto: Klaus Rainer Krieger


Wie ist es damals überhaupt dazu gekommen, dass Du von Kahl zurück zu Aschaffenburg gewechselt bist. Eigentlich ist es ja eher unüblich, dass Funktionäre "transferiert" werden...
In Kahl war ich Sportlicher Leiter und Spieler in Personalunion. Nachdem ich nebenbei ein Studium rund um Sport- und Fußballmanagement absolviert habe, bin ich vor der Entscheidung gestanden, ob ich nochmal ein Jahr kicke oder ob ich mich auf die Funktionärssache konzentriere. Letztlich hat mir einfach die Geduld als Spieler gefehlt, zumal viele Verletzungen hinzu gekommen sind. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, die Schuhe an den Nagel zu hängen. Ich habe dann das Angebot der Viktoria angenommen, dort Sportkoordinator bei den Aktiven zu werden.

Ist die Viktoria nur eine Zwischenstation?
Man muss sich zunächst einmal seine Sporen verdienen. Am Liebsten wäre es mir zudem, den Sprung in den Profibereich mit der Viktoria zu schaffen. Das wäre mein erklärtes Karriereziel. Letztlich kann ich aber keine verlässliche Zukunftsprognose aufstellen, da das Geschäft - nicht erst seit Corona - sehr schnelllebig ist.

Viel Arbeit und ein Veto-Recht



Erzähl uns doch mal von Deiner Arbeit. Wie aufwendig ist der Posten eines Sportlichen Leiters?
Ich bin noch hauptberuflich aktiv. Meine Tätigkeit für Viktoria Aschaffenburg beschränkt sich also auf die Abendstunden und auf das Wochenende. Es ist mein Hobby. Und gerade in den Transferperioden kann es ziemlich stressig werden. Es gibt immer wieder mal was zu tun, wobei ich jetzt nicht die Stunden zähle - und meine Frau ein Veto-Recht hat. Und solange wir erfolgreich sind, arbeitet es sich noch einfacher (lacht).

Ist es überhaupt möglich, sich in dieser Position selbst zu verwirklichen - oder sind die allgemeinen Vorgaben des Vereins zu mächtig, um kreativ zu sein?
Es ist genau umgekehrt. Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht gibt der Verein die Richtung vor - und dann muss man kreativ sein. Uns ist es in den vergangenen drei Jahren geglückt, aus dem - im Vergleich - niedrigen Etat das Bestmögliche herauszuholen - also waren wir durchaus kreativ.

Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft. Augen zu und träumen!
2021/22 kommt der nächste direkte Aufsteiger in die 3. Liga aus der Regionalliga Bayern. Es wäre ein Traum, wenn die Viktoria das ist.

Vielen Dank für das Interview, alles Gute für die Zukunft - und ganz wichtig: Gesund bleiben.

Aufrufe: 011.8.2020, 21:15 Uhr
Dieter RebelAutor