2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Die Suche nach Sponsoren ist in Zeiten von Corona so schwer wie nie zuvor, sagt Ludwig Trifellner. 
Die Suche nach Sponsoren ist in Zeiten von Corona so schwer wie nie zuvor, sagt Ludwig Trifellner.  – Foto: Förtsch

„Ohne Hilfe wird es Regionalliga beim VfR Garching nicht mehr geben“

Kein neuer Hauptsponsor für den VfR Garching

Der VfR Garching zahlt nicht mehr. Die Spieler bekommen künftig weder Fahrtgeld noch Punktprämien. Den Abstieg sollen Talente verhindern, die die Regionalliga als Sprungbrett nutzen wollen.

Corona hat zu einer Sponsorenflucht im Amateurfußball geführt. Kaum ein Team hat es so schwer erwischt wie den VfR Garching. Vor dem Re-Start sucht das Team von Benjamin Flicker immer noch einen Hauptsponsor. Der Kader ist auseinandergebrochen. Geld zahlt der VfR Garching seinen Spielern künftig nicht mehr. Neu hinzugekommen sind Talente, die mit einem Versprechen gelockt worden sind: Sie können die Regionalliga als Sprungbrett nutzen. Was droht dem Verein, wenn im Falle des Abstiegs auch dieses Argument bei der Spielersuche wegfällt? Ludwig Trifellner, Sportlicher Leiter beim VfR, spricht über die Ängste eines Amateurvereins in Zeiten der Corona-Krise.

Herr Trifellner, ist der VfR Garching regionalligatauglich?

Wir müssen zumindest davon überzeugt sein. Wir hätten gerne Spieler wie Sebastiano Nappo oder Mohamad Awata geholt. Aber wir können den Spielern nichts mehr bieten: Keine Punktprämie und kein Kilometergeld. Deshalb mussten wir Talente suchen, die die Regionalliga als Sprungbrett nutzen wollen. Wir müssen versuchen, sie so auszubilden, dass sie regionalliga-tauglich werden.

Während Ihnen die Spieler davon gelaufen sind, konnte die SpVgg Bayreuth Markus Ziereis verpflichten. Wie ist das möglich?

Markus Ziereis geht nicht vom TSV 1860 nach Bayreuth, weil die Gegend dort schöner ist. Der Verein bietet Profibedingungen. Die wollen mit aller Macht aufsteigen. Aber es ist mir schleierhaft, wie der Verein trotz Corona diesen Kader finanzieren kann.

Trifellner: „Es wird lange dauern, bis sich die Mannschaft gefunden hat“

In Garching durften 20 Spieler bei einem Casting vorspielen. Das wirkt wie Glücksspiel bei der Kaderplanung.

Wir hatten keine andere Wahl. Jeder Bundesliga-Trainer regt sich darüber auf, wie schwer es ist, fünf neue Top-Spieler zu integrieren. Benny Flicker hat 15 neue Spieler. Es wird lange dauern, bis sich die Mannschaft gefunden hat. Wenn wir es schaffen, eine Euphorie zu entfachen, können wir diese schwere Phase vielleicht überbrücken.

Im Liga-Pokal ist die neue Truppe mit 0:6 gegen den FC Augsburg II untergegangen. Setzt dieses Ergebnis Euphorie frei?

(lacht) Nicht wirklich. Aber die Niebauer-Brüder haben gefehlt. Wenn diese Spieler fehlen, wird es für uns brutal schwer. Auf dem Platz standen Spieler, die im vergangenen Jahr noch in der A-Jugend oder Kreisklasse gespielt haben. An wem sollen sich diese Spieler aufrichten, wenn die Niebauers fehlen?

VfR Garching: Beendet Anführer Dennis Niebauer am Saisonende seine Karriere?

Planen Sie bereits einen Neuaufbau mit den Niebauer-Brüdern in der Bayernliga?

Dennis wollte schon im vergangenen Jahr aufhören. Ich glaube, er wird seine Karriere am Ende der Saison beenden. Wenn wir bis Winter nicht die finanzielle Basis schaffen, müssen wir uns im Verein überlegen, ob wir in der Regionalliga noch richtig sind. Selbst in der Landesliga muss der Aufwand der Spieler über Punktprämien honoriert werden. Wenn das in Garching nicht geht, muss der Verein die Konsequenzen daraus ziehen.

Garching hat in der Corona-Krise keinen neuen Hauptsponsor gefunden. Wie viel Geld braucht ein Verein, um die Regionalliga finanzieren zu können?

Wenn ein Verein keine Probleme bekommen möchte, braucht er 500.000 Euro pro Saison.

Wie wollen Sie dieses Geld auftreiben?

Das ist eine gute Frage. Bei den großen Firmen bekommen wir nicht einmal einen Termin. Dort werden wir schon am Telefon abgewimmelt. Dass der FC Bayern jedem Regionalligisten 20.000 Euro hat zukommen lassen, war Weltklasse. Aber das alleine wird nicht reichen. Ohne Hilfe wird es Regionalliga-Fussball in Garching nicht mehr geben.

Trifellner: „Wenn Du einen Spieler nicht zahlen kannst, geht er zum nächsten Verein“

Viele Firmen haben im Moment andere Sorgen, als einen Regionalligisten zu retten. Zudem ist Garching nicht der einzige Verein, der ums Überleben kämpft.

Am Ende wird entscheidend sein, wer bei der Sponsorensuche die besten Argumente und die besten Verkäufer hat. Die Situation war bereits vor Corona sehr schwer. Daniel Weber hat den VfR Garching aufgebaut. Er musste jahrelang mit diesen Problemen kämpfen. Wenn Firmen investieren wollen, gehen sie zu den großen Vereinen.

Warum muss ein Amateurverein Spielern überhaupt Geld bezahlen? In anderen Sportarten ist das nicht üblich.

Hier gilt Angebot und Nachfrage. Wenn du einem Spieler nichts zahlen kannst, geht er zum nächsten Verein. Da hilft es wenig, dass wir in Garching einen tollen Platz und super Trainingsbedingungen haben. Wenn ich mich als Spieler entscheiden muss, ob ich im Supermarkt arbeite oder über mein Hobby mein Studium finanzieren kann, würde ich auch lieber Fußball spielen. Uns bleibt im Moment nur noch das Zuckerl, dass wir Talenten das Sprungbrett Regionalliga bieten.

Triffelner über Jugendarbeit: „Gerade dort brauchen Vereine richtig gute Trainer“

Droht bei einem Abstieg der Zerfall?

Ohne finanzielle Unterstützung bleibt einem Verein nur die Chance, den Jugendbereich aufzubauen. Hier sind wir auf einem guten Weg. Wir haben in sehr gute Jugendtrainer investiert. Unsere U19 ist aufgestiegen. Wir konnten sechs Spieler in den Regionalliga-Kader aufnehmen.

Die zweite Mannschaft kickt in der Kreisklasse, die A-Jugend in der Kreisliga. Wie sollen diese Spieler den Sprung in die erste Mannschaft packen?

Der Abstand ist natürlich viel zu groß. Die Idealvorstellung wäre eine zweite Mannschaft in der Bezirksliga und eine A-Jugend in der Bezirksoberliga. Aber das ist ein harter Weg. Dieser Weg beginnt bereits in der D-Jugend. Gerade dort brauchen Vereine richtig gute Trainer. Aber die bekommen keinen Cent. Im Gegenteil: Die müssen noch Geld mitbringen. Zusätzlich steht der Trainer noch mit einem Fuß im Gefängnis, weil er bei kleinen Kindern für alles Mögliche haftet.

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Ein Beitrag geteilt von fussball-vorort.de (@fussballvorort) am Sep 22, 2020 um 2:21 PDT

„Ohne Hilfe werden viele Reigonalliga-Vereine die Coronakrise nicht überleben“

Was wäre die Lösung?

Ein Trainer, der gut ausgebildet ist, verdient in der Landesliga gutes Geld. Warum sollte er dann bei uns die D-Jugend trainieren? Der Staat muss hier Anreize schaffen. Wir sprechen immer über Themen wie Integration. Hier leistet der Jugend-Fußball einen großen Beitrag. Dort, wo ein Verein gute Jugendarbeit anbietet, gibt es weniger Probleme.

Würden Sie mit dem Wissen von heute die Aufgabe in Garching erneut annehmen?

Ich habe es für Dani Weber gemacht. Ich bin mit ihm seit 20 Jahren befreundet. Wenn er mich wieder fragen würde, würde ich es wieder machen. Ich fahre drei, vier Mal die Woche aus Kufstein nach Garching. Je nachdem, welche Richtung der Verein in Zukunft einschlägt, muss ich mich aber fragen, ob der Aufwand und eine sportliche Leitung noch Sinn machen. Bis Winter ziehe ich es auf jeden Fall durch. Das habe ich den Spielern versprochen.

Das hört sich bereits nach einem Abschied an.

Ich bin immer ehrlich. Das ist mir sehr wichtig. Fakt ist: Ohne Hilfe werden viele Regionalliga-Vereine die Coronakrise nicht überleben.

(Christoph Seidl)

Aufrufe: 01.10.2020, 12:45 Uhr
Münchner Merkur (Nord) / Christoph SeidlAutor