2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
– Foto: Alexander Fischer

Still ruht (einmal mehr) der Ball

KREIS GIESSEN: +++ Fußball-Lockdown stößt bei vielen Vereinsverantwortlichen auf Verständnis und Wohlwollen, aber: Wunsch nach Training besteht +++

GIESSEN - Gießen (bir/mcs/chn/vrn). Rolle rückwärts: Nachdem in den heimischen Fußball-Ligen der Ball zwei Monate lang rollen durfte, bekommt der Spielbetrieb nun wieder einen Riegel vorgeschoben. Bis Ende November darf nicht gekickt werden, die offizielle Verlängerung der Zwangspause bis einschließlich 31. Dezember ist hessenweit nur noch Formsache. Selbst der Trainingsbetrieb ruht. Wie gehen die Vereine mit dem neuerlichen Lockdown um? Wir haben bei einigen Vereinsvertretern nachgefragt.
Daniyel Bulut (FSV Fernwald, Trainer): "Ich vertraue den Verantwortlichen. Die Situation ist schwer einzuschätzen, ich bin kein Mediziner oder Virologe, aber die Gesundheit geht vor. Deshalb ist die Entscheidung, die Spiele abzusetzen, aus meiner Sicht richtig. An diesem Wochenende wären aufgrund von einzelnen Corona-Fällen oder regionalen Vorgaben sowieso fünf Partien in der Hessenliga ausgefallen - und einzelne Spiele abzusetzen oder durchführen zu lassen, macht keinen Sinn. Ich finde, die Verantwortlichen des Hessischen Fußball-Verbandes haben ihre, nicht einfachen Aufgaben bisher gut gemacht. Gespielt hätten wir natürlich gerne, denn wir haben noch 15 einsatzfähige Spieler, die lieben den Wettkampf, und das Wetter ist noch gut. Jetzt acht Wochen lang gar nichts zu machen, geht nicht. Die Spieler gehen alleine joggen oder machen zuhause ihr privates Trainingsprogramm mit Gymnastik und Kraftübungen. Und dann sehen wir, was nach dem 31. Dezember passiert."
Benjamin Höfer (FC Gießen II, Trainer): "Ich sehe es teils so und teils so. Die Entscheidung, den Spielbetrieb auszusetzen, ist richtig. Aber wir müssen auch lernen, mit dem Virus zu leben. Das wird sich nicht ändern und mit der Grippe müssen wir auch leben. Aber das Problem im Moment für mich ist, was mache ich mit den Spielern in den nächsten zwei Monaten. Da ja jeder nur individuell trainieren kann, bekommen die für jede Woche einen Trainingsplan, um zuhause Kraft- und Schnelligkeitsübungen zu absolvieren. Und dann bin ich gespannt, wann es mit der Vorbereitung auf die Restrunde weitergeht." Felix Henkelmann (SG Kinzenbach, Abteilungsleiter Fußball): "Aus rein sportlicher Sicht kommt uns die Unterbrechung natürlich nicht ungelegen, da wir bekanntermaßen ja doch einige Ausfälle zu beklagen haben. Das Wetter wäre gut gewesen, man hätte den Spieltag sicherlich noch durchziehen können. Aber letztlich macht es für die Vereine ja auch keinen Sinn, wenn dann keine Zuschauer erlaubt sind und man weder Einnahmen durch Eintritt noch durch den Verkauf von Getränken oder Würstchen generiert. Dann werden die Spiele noch zu einem Verlustgeschäft."

Frederick Weinecker (TSV Lang-Göns, Trainer): "Aus meiner Sicht ist die Unterbrechung der richtige Schritt. Das Risiko steigt durch die hohen Zahlen immer mehr, man kann auch mit Konzepten nicht alle Gefahren ausschließen. Außerdem muss ich persönlich sagen, dass die letzten beiden Wochen sehr anstrengend waren und mir die Motivation doch wirklich etwas verloren gegangen ist. Man musste ständig in der Mannschaft nachfragen, wie es jedem geht. Bei Schnupfen oder Halsschmerzen haben wir vorsorglich Spieler aus dem Kader gelassen, zuletzt in Büblingshausen gleich drei Stammspieler. So macht das dann - auch aus sportlicher Sicht - wenig bis gar keinen Sinn."

Kai Fechler (FSG Wettenberg, Sportlicher Leiter): "Da es von der Regierung ohnehin beschlossen wurde, finde ich es richtig, am Sonntag nicht nochmals all das zu tun, was einen Tag später verboten ist. Zudem sprechen wir hier nicht von einer Steuersenkung, sondern von einer Pandemie, in der es um Leben und Tod geht. Andererseits hätte man zumindest das Training beibehalten und beispielsweise die Regeln aus der ersten 'Corona-Phase' übernehmen können. Die Junioren, die ja in der Schule oder im Kindergarten den halben Tag zusammen verbringen, warum dürfen die unter freiem Himmel nicht mal 60 Minuten zusammen Sport treiben und dem Fußball nachgehen?"

Bernd Kirchhof (SG Altenburg/Eudorf/Schwabenrod, Spielausschussvorsitzender): "Wir hätten auch gerne noch weitergespielt, aber aufgrund der Lage geht das einfach nicht. Wir haben viele Jungs, die schon zuvor vom Arbeitgeber gesagt bekommen haben: Lasst das erstmal mit dem Fußballspielen. Daher wäre es auch von den Leuten her kaum noch weitergegangen. Da ist immer so ein Rattenschwanz hinten dran. Das ist das Problem bei der ganzen Geschichte. Es ist nun nicht anders machbar, aber bei uns ist das ja auch immer noch Freizeitsport - gerade auch deshalb sollte man in einer solchen Situation auf das Fußballspielen verzichten."

Udo Kreisel (SG Rüddingshausen/Londorf, Sportlicher Leiter): "Wir hatten eigentlich gehofft, dass nur der November betroffen sein wird - nun ist es auch der Dezember. Wir wären auch bereit gewesen, im Dezember ohne Zuschauer zu spielen. Ich sehe nämlich schon die Gefahr, dass der eine oder andere Spieler irgendwann mal kein Interesse mehr hat. Natürlich steht die Gesundheit der Menschen im Vordergrund. Die Spieler können das verstehen, dass der Fußball nicht die Nummer eins ist. Nun ist es, wie es ist, der Trainingsbetrieb und die Spiele werden ausgesetzt. Es ist für alle keine einfache Situation, ebenso wie bei den Verantwortlichen in der Politik oder beim Verband. Die Abwägung zwischen den einzelnen Interessen, der Gesundheit und zum Beispiel dem Fußball nacheifern zu können, ist nicht einfach."

Benjamin Lock (SG Reiskirchen/Bersrod/Saasen, Trainer): "Rational betrachtet, ist das eine vernünftige Entscheidung, denke ich. Menschenansammlungen sollte man tunlichst vermeiden. Wenn das in der Wirtschaft konsequent durchgesetzt wird, dann muss das auch den Sport treffen. Wir hatten mit der Entscheidung sogar schon vorab gerechnet, von daher kam es auch nicht überraschend. Aufgrund der Lage der Pandemie begrüßen wir das auch, denn die Gesundheit steht vor dem Fußball. So toll die Hinrunde auch für uns gelaufen ist, aber die Gesundheit unserer Spieler geht einfach vor."

Yves Lohwasser (SV Annerod, Trainer): "Es ist schwierig, da wir ja keine Experten sind. Wahrscheinlich ist die Ansteckungsgefahr auf dem Feld ja wohl auch selber nicht so groß wie in der Kabine beim Umziehen oder beispielsweise bei der Anreise zu den Spielen. Ich kann die Entscheidung natürlich nachvollziehen, auch wenn man als Sportler gerne weitergespielt hätte. Aber da müssen wir jetzt in den sauren Apfel beißen. Die Gesundheit sollte hier ganz klar im Vordergrund stehen. Es war ja auch von Anfang an klar, dass es eine besondere Saison werden würde. Für uns besteht natürlich durch die Unterbrechung die Gefahr, dass die Konkurrenz nochmals aufrüstet. Aber wir sind weiter ehrgeizig und wollen immer noch aufsteigen. Die Frage wird dann sein, ob es noch eine Hin- und eine Rückrunde geben wird, wenn man im März nach der Winterpause erst wieder beginnen würde. Dann hätte man viele Spiele in wenigen Tagen. Da wir jetzt schon intensive "Englische Wochen" hatten, hoffe ich da auf eine gute Lösung, bei der vielleicht nur die Hinrunde gespielt wird. Wir müssen positiv bleiben und das Beste hoffen. Wir waren ja auch schon froh, dass wir überhaupt schon wieder spielen konnten."

Robel Ambaye (TSV Rödgen, Trainer): "Die Pause ist auf jeden Fall notwendig. Die Gesundheit geht immer vor, das sage ich auch zu meinen Spielern. Ich finde es auch richtig, wenn es einen Lockdown gibt, dass auch der Fußball abgebrochen wird. Ich finde es richtig, aber auch schade, weil ich, wie wahrscheinlich auch jeder Fußballer, natürlich gerne weitergemacht hätte. Für Mannschaften wie uns, die unten drin stehen, ist da natürlich jetzt Druck vorhanden. Es ist ja auch so, dass wir vier Monate pausieren müssten, wenn die Runde erst Anfang März weitergeht. Das ist dann wieder eine neue Situation. Aber man muss das quasi als verlängerte Winterpause sehen und schauen, die verbleibenden Spiele so gut wie möglich zu spielen. Aber anscheinend gibt es keine andere Möglichkeit und deshalb finde ich es auch richtig, dass man jetzt auch so schnell wie möglich einen Cut macht. Das Wichtigste ist jetzt erst mal, dass alle gesund bleiben. Jetzt zählt Solidarität und Zusammenhalt, und dass man sich einfach mal an die Regeln hält. Es gibt ja viele, die das sehr verharmlosen."

Philipp Heinemann (VfR Lich, Trainer): "Ich befürworte die Unterbrechung, keinen Abbruch. Es war klar, dass die Fallzahlen in der normalen Grippeperiode nach oben gehen würden. Dementsprechend müssen wir nun die kalten Monate "aussitzen" und eben ab März mit drei bis vier 'Englischen Wochen' starten. Die Saison könnte auch um einen Monat verlängert werden, dann müssen nicht zu viele Wochenspieltage gespielt werden. Es ist zwar schade, dass wir wieder von vorne anfangen müssen hinsichtlich Spielfluss und Rhythmus, aber die Mannschaft hat Taktik und Spielidee gut verinnerlicht. Das "Refreshen" sollte schnell gehen. Da wir inzwischen einige Verletzte haben, kommt die Pause nicht ungelegen."
Aufrufe: 02.11.2020, 15:11 Uhr
Gießener AnzeigerAutor