2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Vor 70 Jahren – die ersten Landesligaaufsteiger des VfB 07 Weidenau (im Bild von links): Herbert Göbel, „Männi“ Seidnitzer, Alfred Schreiber, Paul Fuchs, Theo Wodack, Hans Nüssen, Heinz Janson, Edmund „Ede“ Wycisk, Erich Quast, Otto Frisch, Rudi Utsch, Paul Heck und Horst Heinbach. Foto: Archiv Loos
Vor 70 Jahren – die ersten Landesligaaufsteiger des VfB 07 Weidenau (im Bild von links): Herbert Göbel, „Männi“ Seidnitzer, Alfred Schreiber, Paul Fuchs, Theo Wodack, Hans Nüssen, Heinz Janson, Edmund „Ede“ Wycisk, Erich Quast, Otto Frisch, Rudi Utsch, Paul Heck und Horst Heinbach. Foto: Archiv Loos

Aufstieg nach "Geisterspiel"

Weidenau feierte 1948 ersten Landesliga-Aufstieg - Wüste Schlägerei in Grevenbrück

Das Jahr 2018 war für den traditionsreichen VfB Weidenau nicht nur das Jahr der Fusion mit den Siegen Sentinels zum ASV Siegen Weidenau und des Aufstiegs in die Fußball-Kreisliga Siegerland C. Auch ein vor 70 Jahren errungener Landesliga-Aufstieg, der erste von insgesamt sechs Landesliga-Aufstiegen in der blau-weißen Vereinsgeschichte, sollte in diesem Jahr noch gebührend gewürdigt werden. Zusammen mit den stärksten Vereinen des Siegerlandes spielte der VfB Weidenau von 1946 bis 1948 in der Bezirksklasse, die in zwei Zehnergruppen um den Aufstieg in die Landesliga (damals auch Westfalenliga) kämpfen musste.

Nach Sportfreunde Siegen taten dies die „Blauhemden“, die damals noch auf dem alten AdH-Sportplatz am Rande des Tiergartens spielten und sich einige hundert Meter weiter in ihrem Verkehrslokal Becker („Beckers Louis“) in Boschgotthardshütten umziehen mussten. Dort wurde auch den Schiedsrichtern in dem zur späten Stunde rot erleuchteten „Papageienstübchen“ der Kleidungswechsel ermöglicht.

Am Ende der Saison 1947/48 wurde die Meisterschaftsrunde von der SpVg Olpe und dem VfB Weidenau punktgleich an der Tabellenspitze abgeschlossen. Das notwendige Entscheidungsspiel um den Titel in Grevenbrück gewann Olpe mit 2:1 in der Verlängerung. Als nunmehriger Tabellenzweiter behielt der VfB aber eine weitere Aufstiegschance. Gegen den Zweiten der anderen Gruppe, den damaligen TuS Netphen, gelangen zwei Siege (5:2 in Kaan-Marienborn und 3:1 in Kreuztal).

Dadurch war man teilnahmeberechtigt an den Aufstiegsspielen zur Landesliga, die damals die höchste westfälische Spielklasse war. Diese Spiele mussten ebenfalls auf neutralen Plätzen ausgetragen werden. Eigens für diese Runde hatten die VfBer sich übrigens den Handballer und Leichtathleten Robert Hummel vom heimischen „Platzherren“ TuS AdH-Weidenau ausgeliehen. Im ersten Spiel wurde in Olpe Alemannia Dortmund vor 3000 Zuschauern mit 3:0 bezwungen.

Im nächsten Spiel gab es in Plettenberg gegen den TuS Iserlohn ein 2:2-Unentschieden. Beim folgenden 2:0-Erfolg über den SV Herringen in Arnsberg gab es hohen Besuch durch den Regierungspräsidenten, wie VfB-Chronist Werner Haas für die Jubiläumsschrift zum 100-jährigen Vereinsbestehen recherchiert hatte.

„Der hatte aber offensichtlich mehr mit dem Verlierer sympathisiert als mit dem VfB“, so Haas, Fregattenkapitän i.R. aus dem hohen Norden. Die Tabellenkonstellation sorgte dafür, dass die abschließende Partie zwischen den Kuzorra-Schützlingen von Teutonia Riemke und dem VfB Weidenau in Grevenbrück die Entscheidung um den Aufstieg bringen musste. Riemke führte in der 82. Minute mit 2:1. Aus Weidenau waren fast 2000 Zuschauer mit Sonderzügen angereist, aus Riemke etwa 1800!

Allerdings hatten die Riemker Fans deutlich mehr Alkohol „getankt“ als die solideren Siegerländer, zumal die Kumpels aus dem Ruhrgebiet damals Sonderrationen von dem glückselig machenden „Stoff“ zugeteilt bekamen. Dies hatte zur Folge, dass sich etliche gut abgefüllte „Sportkameraden“ beider Seiten am Rande des Platzes nicht mehr unter Kontrolle hatten, kurz vor Schluss das Spielfeld stürmten und eine wüste Schlägerei veranstalteten. Unglücklich war wohl auch, dass der Schiedsrichter aus dem Riemke benachbarten Herne kam und angeblich auch „Insasse“ des Riemker Sonderzuges war. Der Pfeifenmann soll zudem – so wurde kolportiert – ebenfalls kein Kostverächter des Alkohols gewesen sein. Jedenfalls war sein Elfmeterpfiff, der acht Minuten vor Spielende zum Riemker 2:1-Vorsprung geführt hatte, mehr als zweifelhaft.

Fernsehen gab es damals noch nicht, erst recht keinen Videobeweis. Das Spiel wurde abgebrochen. Die zuständige Spruchkammer verfügte Spielwiederholung unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur neun Augenzeugen auf jeder Seite waren für dieses „Geisterspiel“ erlaubt. Nach einigem Hin und Her fand die Partie schließlich am 29. August 1948 auf neutralem Platz in Hagen-Boelerheide statt. Unter der „zugelassenen“ Augenzeugen befand sich auch der Weidenauer Sportfotograf Rudi Loos. Ihm gelang es als einzigem, auch ein Mannschaftsfoto der legendären Weidenauer Elf zu „schießen“. Außerdem sollen einige ganz hartnäckige Weidenauer Fans heimlich dem Mannschaftsbus gefolgt sein und das Geschehen aus einem Gebüsch heraus verfolgt haben.

Der VfB siegte schließlich nach prachtvoller Energieleistung 2:1, wobei Spielmacher Paul Heck und „Linksinnen“ Paul Fuchs die Weidenauer Tore erzielten. Überragend auch Torhüter Rudi Utsch. Der in seinem zweiten Sport-Engagement auch als Tischtennisspieler erfolgreiche Keeper wehrte u. a. einen Handelfmeter ab.

In Weidenau löste die Siegesmeldung einen unbeschreiblichen Jubel aus, wie die Siegener Zeitung damals berichtete. Obwohl der Mannschaftsbus erst gegen 22 Uhr Weidenau erreichte, säumten noch Tausende die Straßen. Die Fahrt war allerdings schon bei der Katholischen Kirche zu Ende, da der Bus keinen Weg mehr durch die Massen fand. So ging es unter den Klängen der Feuerwehrkapelle zu Fuß zur Bismarckhalle, wo der Erfolg gebührend gefeiert und begossen wurde.

Am nächsten Tag konnten die große Weidenauer Fangemeinde dann die Fotos von Rudi Loos im Schaufenster seines Geschäftes an der damaligen Weidenauer Wilhelmstraße sowie im Vereinslokal Barschdorf an der Haardter Brücke betrachten. Und diese Gewohnheit behielt Rudi Loos auch in den weiteren Nachkriegsjahren sehr zur Freude der fußballbegeisterten Weidenauer Bürgerschaft bei.

Insgesamt ist das traditionsreiche Weidenauer Fotohaus Loos von durchweg sportfreudigen Inhabern geprägt. Gründer Carl Loos gehörte schließlich zu den erfolgreichen Turnbrüdern des TuS AdH- Weidenau, Rudi Loos fotografierte und berichtete aus dem VfB-Umfeld mit großer Leidenschaft, dessen Sohn Rolf-Dieter Loos war als Geschäftsführer bei erfolgreicher Trainerlaufbahn auch viele Jahre als Vorsitzender der heimischen Kreisjugendspruchkammer aktiv, und die heutige Inhaberin, Fotografenmeisterin Mareike Loos, wurde im Jahre 1987 gar Deutsche Meisterin im Ringtennis.

Soweit brachte es der VfB allerdings nicht. Vielmehr gab es ein häufiges „Auf und Ab“, den Aufstiegen folgten meist bald darauf wieder Abstiege. Insgesamt gab es nach dem Landesliga-Aufstieg von 1948 noch fünf weitere Aufstiege dieser Art, denen allerdings die Erringung der Bezirksklassen- bzw. Bezirksligameisterschaft vorausging: 1951 unter Trainer Paul „Männi“ von der Heyden, 1955 mit Coach „Ali“ Kubitza von Sportfreunde Siegen, 1960 mit dem gebürtigen Netphener und ehemaligen VfB-Spieler Gerhard Vitt an der Seitenlinie und 1967 schließlich mit der eigenen Torwartlegende Martin Jäger als verantwortlichem Trainer.

1998 erfolgte dann der bislang letzte Landesliga-Aufstieg mit dem in der Jugend des VfL Klafeld-Geisweid großgewordenen Trainers Günter Thielmann, der bei weiteren erfolgreichen Trainerstationen u. a. zuletzt auch die A-Junioren der Sportfreunde Siegen von Erfolg zu Erfolg führte.

Aufrufe: 016.1.2019, 15:45 Uhr
hb Autor