2024-04-30T13:48:59.170Z

Analyse
– Foto: Henrik Martinschledde

Vier Monate ohne Fußball: Das gilt es zu beachten!

Seit Ende Oktober 2020 ruht der Amateurfußball. Für die Fitness der Spieler kann dies enorme Konsequenzen haben - vor allem bei unvorsichtiger und zu schneller Belastung im Training. Wir haben mit Physiotherapeuten gesprochen.

Ende Oktober 2020 wurde der Spielbetrieb im deutschen Amateurfußball coronabedingt eingestellt, bestenfalls könnte ab März wieder trainiert werden. Die Fußball-Zwangspause könnte jedoch ebenso gut auch noch länger dauern. Es geht somit also um mindestens vier Monate, in denen kein Spieler gegen einen Ball getreten hat - vom Freizeitkick im Hinterhof oder im eigenen Garten mal abgesehen. Mit dieser langen Zeit sind bei einer Wiederaufnahme des Trainings erhebliche Risiken verbunden. Wie genau diese - sowohl organisatorisch als auch medizinisch - aussehen, klärt FuPa Ostwestfalen im Gespräch mit Trainingsleitern und Physiotherapeuten.

"Das wird ein Hauen und Stechen", beschreibt Jens Fordkort einen gleichzeitigen Trainingsbeginn aller Teams. Schließlich jucke es den meisten im Fuß, sie wollen unbedingt mal wieder gepflegt an den Ball treten. Beim Landesligisten FC Kaunitz ist Fordkort unter anderem für die Trainingsplanung zuständig - also nicht die Trainingsinhalte, sondern das Organisatorische (Platzbelegung, Terminierung etc.). "Wir haben einen Platz mit Flutlicht und viele Mannschaften vom Jugend- bis zum Seniorenbereich. Jeder wird das Lauftraining bald satt haben, schnell wieder auf den Platz und trainieren wollen. Dreimal die Woche - das wird eng."

Allzu optimistisch ist Jens Fordkort auf eine Fortsetzung der Saison derzeit nicht: "Für einen Abbruch mit anschließender Wertung sind ja fünfzig Prozent nötig - die sehe ich nicht. Nach meiner Einschätzung kann allerfrühestens ab Ende März wieder trainiert werden. Selbst wenn die Saison wieder liefe und es käme dann zu einem Corona-Fall in einem Verein, reden wir hier von drei Spielen, die abgesagt werden müssten."

Die Vorwarnzeit, ab wann wieder trainiert werden darf und ab wann wieder gespielt werden soll, spielt für Fordkort eine wesentliche Rolle: "Nur zwei Wochen reichen nicht aus, für den nötigen Fitnesslevel wird wesentlich mehr Zeit gebraucht. Nach dieser langen Pause wäre eine Vorbereitung wie vor einer Saison nötig. Das wären dann sechs bis acht Wochen. Grundsätzlich kann man wohl sagen: Je älter ein Spieler ist, desto gefährlicher wird es für ihn.

Sophia Schlömp
Sophia Schlömp


Um die körperliche Unversehrtheit der Spieler des FC Kaunitz kümmert sich seit dieser Saison Sophia Schlömp. Die 23-jährige Physiotherapeutin, die bereits seit vier Jahren die Mannschaft des Nord-Regionalligisten BSV Schwarz-Weiß Rehden betreut, nennt einige der möglichen Folgen: "Zu Faserrissen im Muskel und Schambeinverletzungen kann es auf jeden Fall kommen. Je größer oder schneller die Steigerung bei der Belastung im Training in einem engen Zeitraum, desto häufiger oder schwerer die Verletzungen. Vom Fitnesstraining, das die Spieler die letzten Monate über betrieben haben, zum Training auf dem Platz ist es eine ganz andere Belastung. Die Muskulatur muss erst wieder auf einhundert Prozent kommen. Ansonsten wird sie schnell fest und verspannt."

Sechs bis acht Wochen Vorbereitung würde sich auch Sophia Schlömp wünschen, die Prognose fällt allerdings weitaus pragmatischer aus. "Zwei bis drei Wochen dürften es wohl werden, maximal vier. Das ist wohl realistisch." Was empfiehlt die Physiotherapeutin, die sich auf die Sportler-Fitness spezialisiert hat, also für die Trainingswochen? "Wichtig ist die Muskelpflege VOR und NACH dem Training!"

"Die Spieler sind natürlich sehr unterschiedlich, die meisten sind aber fleißig. Kraft- und Stabilitätsübungen, Dehnen - das machen sie schon, aber Physiotherapie wird generell unterschätzt. Ich habe auch während der Corona-Zeit viele Anfragen von Spielern per Telefon bekommen: "Was kann ich tun?" Man merkt, dass die lange keine Behandlung hatten. Aber wenn es dann endlich wieder mit dem Training losgeht, muss sich unter anderem nun mal auch das Kreuzband erst wieder daran gewöhnen. Studien zufolge benötigt das Kreuzband mindestens sechs Wochen nach einer so langen Pause, um wieder volle Leistung zu bekommen. Eine Verletzung fällt dann leider oft auf den Physio zurück. Ich habe mir selber durch meinen Leistungssport auch schon alles gerissen und gebrochen, was man sich vorstellen kann. Ich weiß also aus Berufserfahung und aus eigener Erfahrung, wovon ich rede."

Britta Kniepkamp
Britta Kniepkamp


In die selbe Kerbe schlagen auch die Beschreibungen von Britta Kniepkamp, Physiotherapeutin beim Bezirksligisten VfB Schloß Holte: "Das geht nicht von Null auf 100, das muss man anpassen. Da ist ein langsames Steigern nötig, mit Zwischensprints et cetera. Technische und koordinative Fertigkeiten müssen erst wieder trainiert werden - zum Beispiel die Ballannahme und die Ballmitnahme. Die Muskulatur ist nicht sofort bereit dafür. Aber wie man die Fußballer so kennt, die sind einfach ballverrückt." Worauf Britta Kniepkamp hofft, ist eine noch engere Kooperation zwischen Trainern und Physiotherapeuten. "Es gibt schöne und auch abwechslungsreiche Übungen. Das muss längst nicht immer alles eintönig sein."

Aufrufe: 026.1.2021, 12:00 Uhr
Björn Eimer / FuPaAutor