2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview der Woche

"Gude? Was soll das denn heißen?"

Nachspielzeit mit Tim Weißmann +++ Der ehemalige Juniorenspieler des SV Wehen Wiesbaden über seinen Weg zum VfB Lübeck und die Chancen auf den Aufstieg in die 3. Liga.

Lübeck. In unserer Interview-Rubrik "Nachspielzeit" befragen wir wöchentlich in lockerem Rahmen interessante Spieler, Trainer oder Persönlichkeiten der Region über ihren Verein und ihre persönlichen Ziele. Heute zu Gast: Tim Weißmann vom VfB Lübeck. Der ehemalige Juniorenspieler des SV Wehen Wiesbaden steht mit seinem Team aktuell auf dem ersten Tabellenplatz der Regionalliga Nord und damit kurz vor dem Sprung in die 3. Liga. In "Nachspielzeit" beschreibt Tim seinen Weg in den hohen Norden, spricht darüber, was den VfB in dieser Saison so stark macht und erklärt, wie der Verein mit der Einstellung des Spielbetriebs umgeht.

FuPa: Tim, wie ist die aktuelle Lage in Lübeck? Hält der VfB den Trainingsbetrieb aufrecht, nachdem der Schleswig-Holsteinische Fußballverband die Austragung der Spiele in der Regionalliga Nord bis auf Weiteres eingestellt hat?
Tim Weißmann: Nein, Mannschaftstraining findet bei uns zurzeit nicht statt. Wir haben vom Verein individuelle Trainingspläne bekommen und sollen uns die nächste Zeit mit Lauf- und Krafttraining fit halten. Am Montag haben wir die Info bekommen, dass der Spielbetrieb vorerst bis zum 19. April pausiert. Was danach passiert und ob die Saison abgebrochen wird, wissen wir leider natürlich auch noch nicht.

Fußballerisch bist du bei Wehen Wiesbaden und dem FSV Mainz 05 groß geworden. Wie bewertest du im Nachhinein deine Zeit im Rhein-Main-Gebiet?

Wenn ich könnte, würde ich das alles genauso wieder machen. Vor allem der Schritt zu Mainz 05 (in der U17, Anm. d. Red.) war im Nachhinein wichtig, weil ich dort in der Juniorenbundesliga spielen und mich fußballerisch noch einmal richtig weiterentwickeln konnte. Das hat mich auch für andere Vereine interessanter gemacht, auch weil Mainz im Jugendbereich eine sehr gute Adresse in Deutschland ist.

Nach der A-Jugend in Mainz bist du dann zur zweiten Mannschaft von Hannover 96 gewechselt. Wie kam es dazu?

Das zweite Jahr in der A-Jugend lief auch aufgrund von Verletzungen leider nicht optimal für mich und die zweite Mannschaft von Mainz spielte damals noch in der 3. Liga, sodass es für mich extrem schwer geworden wäre, dort Fuß zu fassen. Nach einem Probetraining bot Hannover mir einen Vertrag an und ich stand vor der Entscheidung, zwischen einem normalen Beruf und Fußball zu wählen. Ich entschied mich schließlich für Hannover und das eine Jahr dort war wirklich eine tolle Erfahrung, bei der ich sehr viel über mich und darüber gelernt habe, was wirklich wichtig ist. Sportlich lief es dort leider etwas chaotisch ab (lacht).

Über die zweite Mannschaft von Hannover 96 bist du vor zweieinhalb Jahren beim VfB Lübeck gelandet. Was gab für dich den Ausschlag an die Ostseeküste zu wechseln?

Nachdem wir bei Hannover eine gute Hinrunde gespielt hatten, in der ich Stammspieler gewesen war, brach die Mannschaft in der Rückrunde komplett ein, sodass der Trainer entlassen wurde und wir am Ende sogar noch gegen den Abstieg spielen mussten. Ich erkrankte im März an Pfeifferschem Drüsenfieber und verpasste deshalb fast die komplette Rückrunde. Glücklicherweise fand mein heutiger Trainer, dass ich gegen Lübeck eine gute Partie gemacht hatte und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte zum VfB zu wechseln. Das Projekt des Vereins, finanziell gut abgesichert mittelfristig eine Rückkehr ins Profigeschäft anzustreben, hat mir damals sehr gut gefallen.

Mittlerweile spielst du deine dritte Saison in der Hansestadt. Fühlst du dich schon als echter Lübecker?

Lübeck ist wirklich eine super Stadt und ich kann inzwischen auch sagen, dass ich mich hier zuhause fühle, aber ich bin natürlich in erster Linie wegen des Fußballs da und nicht verwurzelt in der Stadt. Vielleicht fehlt da auch einfach noch ein Aufstieg um mich als echter Lübecker zu fühlen (lacht). Die Menschen begegnen einem hier sehr offen und freundlich, obwohl man immer auch die gewisse hanseatische Zurückhaltung und Förmlichkeit spürt. Als ich hier ankam und die Leute mit "Gude" begrüßte, wussten die auf jeden Fall erstmal nicht, was ich denen damit sagen wollte (lacht).

Aktuell steht ihr auf dem ersten Tabellenplatz in der Regionalliga Nord. Ist der Aufstieg für euch das klare Ziel in dieser Saison?

Definitiv, wir haben uns in den letzten Jahren immer weiter verbessert, sodass wir jetzt deutlich sagen können, wir sind die beste Mannschaft der Liga und unser klares Ziel ist der Aufstieg. Letztes Jahr sind wir noch knapp an der zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg gescheitert. Man spürt in dieser Saison auch die gestiegene Erwartungshaltung im Verein und aus dem Umfeld, aber bisher haben wir das alles sehr gut gemacht. Eine Annulierung der Saison wäre für uns natürlich eine Katastrophe.

Was würde der Aufstieg in die professionelle 3. Liga für den Verein aber auch für dich persönlich bedeuten?

Der Verein hat sich in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt auf den Aufstieg vorbereitet und ist finanziell und auch strukturell top aufgestellt. Man merkt hier einfach, dass Lübeck und die Region bereit sind für die 3. Liga. Unser Zuschauerschnitt hat sich im Vergleich zu vor zwei Jahren beispielsweise verdoppelt (auf ca. 3000 Zuschauer, Anm. d. Red.). Für uns als Spieler würde sich außer dem offiziellen Status und der deutlich längeren Auswärtsfahrten nicht wirklich etwas ändern. Wir waren auch in der Regionalliga in den vergangenen Jahren schon alle Vollprofis. Für mich persönlich würde der Traum in Erfüllung gehen, auf den ich mein ganzes bisheriges Leben hingearbeitet habe.

Aufrufe: 018.3.2020, 17:30 Uhr
Niklas HechtAutor