2024-04-30T13:48:59.170Z

Interview
Marc Zellner (zweiter von re.) in Mitten seiner Mannschaftskollegen bei Fortuna Glienicke.
Marc Zellner (zweiter von re.) in Mitten seiner Mannschaftskollegen bei Fortuna Glienicke. – Foto: Chris Ham Photography Sportiv

"Der Tannenbaum war die „Lieblingsübung“ von Trainer"

Marc "Tanne" Zellner lässt im Interview seine Laufbahn Revue passieren. Der Offensivspieler der Fortuna aus Glienicke spricht über seine Jugendzeit beim VfB Hermsdorf, ausgeschlagene Angebote von Regionalligisten, seiner Umschulung zum Außenverteidiger und seinem Hang zu lauten Unmutsäußerung. Im Landkreis Oberhavel möchte er nach seinem zweiten Kreuzbandriss wieder voll durchstarten.

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Marc Zellner
Marc, ich könnte jetzt die klassischen Fragen zuerst stellen, was hältst du vom Corona-Abbruch, wie kam dein Wechsel zur Fortuna zustande, wie schätzt du die Qualität der Mannschaft ein, etc. – aber ich möchte das ein wenig anders angehen. Erinnerst du dich, was ausschlaggebend war, weshalb du dich der Leidenschaft Fußball hingegeben hast?

Nein, einen ausschlaggebenden Punkt gab es, glaube ich, gar nicht wirklich. Mein Vater ist auch Fußballbegeistert und im Kindergarten/der Schule geht es ja auch früh los mit dem Fußball auf dem Hof. So habe ich dann mit fünf begonnen, kurz aufgehört und mit sechs dann endgültig angefangen.

Einige Jahre standen Spielerväter, darunter dein Papa, bei euch an der Seitenlinie. Wie war das für dich, auch rückblickend betrachtet? Ist man eh immer gesetzt, oder kann es da auch mal krachen?

*lacht* Ich glaube nicht, dass ich dadurch immer gesetzt war. Ich war schon immer sehr ehrgeizig und ja, da hat es dann auch mal gekracht.

Generell gibt es in deiner Familie starken Support. Sowohl bei Hermsdorf, als auch in Zehlendorf oder in Glienicke wurden und werden deine Spiele verfolgt. Macht dich das auch ein wenig stolz, und stärkt es dir den Rücken, diesen Rückhalt hinter dich zu wissen?

Ein wenig ist untertrieben. Das bedeutet mir sehr viel! Und macht mich auch wirklich stolz.

In Bereich der U17 und U19 hast du nochmal einen enormen Sprung nach vorn gemacht, warst auf der „Zehn“ kaum wegzudenken. Laufstark, schnell, dribbel- und kopfballstark, mit dem Auge für den tödlichen Pass und einer gewissen Torgefährlichkeit ausgestattet. Trotzdem hast du den VfB Hermsdorf nicht verlassen. Gab es keine Angeboten oder dafür andere Gründe?

Es gab einige Angebote, aber früher war es mir wichtiger mit dieser geilen Truppe zusammenzuspielen. Wir waren alle enge Freunde und haben auch neben dem Platz sehr viel gemeinsam gemacht.

Es folgte der Sprung in den Herrenbereich. Ein anderes System und zu Beginn Schwierigkeiten einen Stammplatz zu ergattern. Im Nachhinein fragt man immer: woran hat’s gelegen?

Ja, im ersten Männerjahr war es schwer. Es war eine Umstellung von der Härte und auch vom Spielsystem.

In dieser Zeit ist dir auch der Spitzname „Tanne“ verliehen worden. Magst du uns kurz erklären, wie es dazu kam?

*lacht wieder* Ja, also ich bin mir sicher, dass dürftest du auch noch ziemlich gut wissen. Der Tannenbaum war die „Lieblingsübung“ von Trainer (Jörg Schmidt). Ähnlich wie ein Linienlauf waren Hütchen in Tannenbaumform aufgestellt und man musste den so schnell wie möglich beenden und nur sprinten. Dabei wurde mir einmal schwarz vor Augen und das Training war gelaufen für den Tag. Daher der Name Tanne.

Spätestens im zweiten Jahr, als Sturmspitze, gelang dann aber trotz des Spitznamen der Durchbruch. Am Ende hast du die Torjäger-Kanone nur knapp verpasst, weil, ich will nicht lügen, Safa Sentürk im letzten Spiel des BSV Hürtürkel 13 Tore geschossen hatte, und dich damit noch überholt hat. Lange Zeit hat dich das vor allem durch kleinen Sticheleien begleitet. Wie blickst du heute auf die Saison und die verpasste Kanone?

Ja, so war es. Ich hatte 26 Tore in der Berlin-Liga und Safa Sentürk vom BSV hatte 18 auf seinem Konto. Mein Verfolger war eigentlich Christoph Zorn, der glaube ich am letzten Spieltag zwei Tore weniger hatte. Ich dachte, ich habe die Kanone. Dann hat Hürtürkel aber 16:0 gegen Club Italia gewonnen und jeden Treffer hatte Safa Sentürk getroffen. Er war also dann nicht mehr 8 Tore hinter, sondern vor mir.
Die Saison war trotzdem sehr geil. Hat viel Spaß gemacht und bei mir lief es auch mehr als gut.

Und trotz einiger Angebote, ich glaube auch Regionalligisten waren darunter, bist du dem VfB noch eine Saison treu geblieben. Trauerst du der „verpassten Chance“ noch nach?

Nach der Saison habe ich knapp 30 Angebote bekommen, darunter auch vier Regionalligisten.
Den Sprung hätte gerne versucht und gewagt. Das Problem zu der Zeit war, dass ich eine Ausbildungsstelle zum Immobilienkaufmann angenommen hatte und mich für den vernünftigen Weg entschieden habe.

Nach einem starken Saisonbeginn wurden die jungen Wilden beim VfB gefeiert, nach einem Sieg über Tennis Borussia übernahm man sogar kurzzeitig die Tabellenspitze in der Berlin-Liga. Das hatte man an der Seebadstraße auch nicht häufig gesehen. Wie erklärst du den Höhenflug, und warum ist es am Ende doch nur ein Platz im (unteren) Tabellenmittelfeld geworden?

Hermsdorf hat immer vom Kampf und der Geschlossenheit gelebt. Da ist es schwer die ganze Saison konstant zu spielen.

Du hast den Verein dann verlassen. Weitere Leistungsträger sind gegangen. Es folgte der Abstieg in die Landes- und die Bezirksliga, jetzt immerhin die Rückkehr. Verfolgst du das Geschehen noch, oder ist das zu weit weg, um es zu beurteilen?

Nach den ich zu Zehlendorf gegangen bin, habe ich es noch intensiv verfolgt und fand es echt schade. Mittlerweile verfolge ich es nicht mehr wirklich. Drei bis vier Spiele im Jahr gucke ich mir noch an.

Bei Hertha 03 erlebtest du eine Achterbahnfahrt. Kurz nach deinem Wechsel ging der Trainer. Und plötzlich fandest du dich als Außenverteidiger wieder – nicht nur im ersten Moment ungewöhnlich, oder?

Das stimmt, Aber ich muss zugeben, die Position ist gar nicht so schlecht und man nimmt viel am Spiel teil. Ans verteidigen musste ich mich aber natürlich erst gewöhnen. Es waren aber auch nur vereinzelte Spiele.

Es folgte dein erster von zwei Kreuzbandrissen bei den Zehlendorfern. Was macht das mit einem jungen, noch aufstrebenden Kicker?

Es war echt hart. Es deprimiert dich sehr und wirft dich ungemein zurück.

Du hast dich zurückgekämpft, gute Spielzeiten durchlebt, wie groß war der fußballerische Unterschied zu deiner Zeit in Hermsdorf?

Der Unterschied war riesig. Bei Zehlendorf waren wir die spielbestimmende Mannschaft und nicht wie bei Hermsdorf auf Konter bedacht. Auch das Niveau der Mitspieler im Training war deutlich höher.

Dass dein Feuer auch nach der zweiten schweren Verletzung noch nicht erloschen ist, hast du zuletzt in Glienicke gezeigt. Leider ist es etwas über die Stränge geschlagen. Wie erklärst du deinen Hang zu diesem Temperament?

Ja für gelbe Karten war ich leider früher schon bekannt, aber es war tatsächlich meine erste rote Karte. Ich hasse es zu verlieren und will immer gewinnen. Beim Training und natürlich auch im richtigen Spiel. Da bin ich sehr ehrgeizig. Wenn es dann mal nicht so läuft, neige ich dazu, es dann auch lautstark zu äußern. Vielleicht nicht die beste Gewohnheit.

Sportlich lief es schon besser. Einige Vorlagen stehen auf deinem Konto, du spielst wieder ein wenig hängender. Kommt dir das gelegen, ist das noch immer deine heimliche Lieblingsposition?

Ja, ich habe dieses Mal deutlich länger gebraucht als beim ersten Kreuzbandriss, um wieder hereinzukommen. Ich war jetzt vor dem Lockdown auf einem guten Weg und bin da sehr zuversichtlich für die Zukunft. Ich habe bei Zehlendorf zuletzt auch viel auf der Acht gespielt. Das macht mir mittlerweile sehr viel Spaß und ich spiele es lieber, als im Sturm. Mir gefällt es ständig ins Spiel eingebunden zu sein und viele Ballaktionen zu haben. Acht und Zehn sind meine Lieblingspositionen, dort kann ich auch meine Stärken am besten einbringen.

Einbringen kannst du dich mit nun 28 Jahren auch als erfahrener Spieler. In Glienicke gab es im Sommer einen kleinen Umbruch, viele junge Spieler sind neu an Bord. Siehst du dich denen gegenüber nun auch in der Verantwortung, um sie an den „Männer-Fußball“ zu gewöhnen?

Ich würd nicht sagen, an den Männer Fußball zu gewöhnen. Das müssen sie selbst machen. Aber wenn sie das ein oder andere mitnehmen und auch annehmen, freue ich mich darüber natürlich.

Trainer Sascha Flemming hat länger um dich gebuhlt. Auch trotz Verletzung hat er auf dich gebaut. Ist es auch schön, so ein Vertrauen zu erhalten?

Ja, das hat mich sehr gefreut. Er kennt mich noch von früher, aus Hermsdorfer Zeiten, aber dennoch ist es nicht selbstverständlich. Dafür bin ich sehr dankbar. Und man muss auch sagen, es macht auch echt Spaß.

Was darf man, wenn es denn im nächsten Jahr weitergeht, noch von der Mannschaft erwartet werden. Im Pokal habt ihr für einige Überraschungen gesorgt, in der Liga sieht es auch nicht schlecht aus. Im vergangenen Jahr wurde der Aufstieg nur knapp verpasst. Die Konkurrenz ist stark. Kann man trotzdem um Platz eins mitspielen?

Ja wir haben eine gute Truppe und auch noch mehr Potenzial, als wir bisher gezeigt haben. Ich will auf jeden Fall um den Aufstieg mitspielen. Auch abseits des Platzes ist die Mannschaft echt klasse. Wirklich eine geile Truppe.


Zum Schluss möchte ich dich noch mit einem Lob konfrontieren. Einige haben dich von der Art her Fußball zu spielen, mit der Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor und deiner Leidenschaft schon häufiger mit Robert Lewandowski verglichen. Kannst du diesem als großer Bayern-Fan etwas abgewinnen?

Da freu ich mich natürlich, wenn man sowas hört. Für mich der beste Stürmer der Welt. Was der die letzten Jahre abliefert, ist nicht mehr feierlich. Aber das Lob kann ich nur zurückgeben.

Inwiefern?

Es ehrt mich einfach, heute für dein 400. Interview auserwählt worden zu sein. Meine Glückwünsche für diese beachtliche Zahl. Die Arbeit verdient an dieser Stelle auch mal ein Lob.

Vielen Dank.
Aufrufe: 03.12.2020, 09:46 Uhr
Marcel PetersAutor