2024-05-10T08:19:16.237Z

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Enge Freunde und am Freitag Kontrahenten: Marcus Spahn (links) und Peter Seitel. 	Foto: Karl-Heinz Bärtl
Enge Freunde und am Freitag Kontrahenten: Marcus Spahn (links) und Peter Seitel. Foto: Karl-Heinz Bärtl

"Für den VfB ist das ein Märchen"

Hessenliga: Die Sportlichen Leiter von Griesheim und Ginsheim über die kommende Saison und das Derby zum Start

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Die beiden Hessenligisten Viktoria Griesheim und VfB Ginsheim starten am Freitag (19.15 Uhr) im direkten Vergleich in die Saison. Die Sportlichen Leiter Peter Seitel (Viktoria) und Marcus Spahn (VfB) sind seit Jahren eng befreundet. Im FuPa-Interview sprechen sie über das anstehende Südhessen-Derby, die Aussichten für die neue Saison und darüber, wie man als Klub mit kleinem Etat in der fünfthöchsten Liga bestehen kann.

FuPa: Herr Seitel, Herr Spahn, ruht Ihre Freundschaft am Freitag für 90 Minuten?

Seitel: Nein, auf keinen Fall. Wir unterstützen uns in unserer Arbeit, sind ständig im Austausch. Der VfB Ginsheim und Viktoria Griesheim haben einen sehr engen Draht.

Spahn: Richtig, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

FuPa: Was für ein Spiel erwarten Sie?

Seitel: Wir sind sicher nicht Favorit, werden aber auf Sieg spielen. Danach müssen wir gegen Rot-Weiß Frankfurt und Bayern Alzenau ran, da sind wir zum Auftakt fast schon zum Siegen verdammt.

Spahn: Wir müssen als Aufsteiger die Klasse erst einmal kennenlernen. Allerdings sollten wir in Griesheim auch punkten, denn es ist ein Gegner, gegen den man punkten kann.

FuPa: Ist der Vergleich der beiden südhessischen Klubs überhaupt ein Derby für Sie?

Spahn: In dieser Liga schon. Wir werden sicher auch einige Zuschauer mitbringen.

Seitel: Für mich als Rüsselsheimer ist es ein Derby. Und ich hoffe, dass auch neutrale Zuschauer zum Saisonauftakt kommen. 400 wäre schon eine gute Zahl.

FuPa: Mit Jörg Finger, Lukas Görlich und Kamil Kwiaton spielen drei ehemalige Griesheimer Leistungsträger in Ginsheim. Gibt es noch mehr Verbindungen zwischen beiden Klubs?

Seitel: Uns beide. Wir haben schon als Spieler in der Oberliga gegeneinander gespielt, er in Oberrad, ich in Raunheim. Und auch als Trainer in der Verbandsliga, er in Oberrad, ich in Griesheim. Daraus ist eine echte Freundschaft entstanden.

FuPa: Sie sind beide in der Region fußballerisch groß geworden. Was hätten Sie jemandem gesagt, der vor zehn Jahren prophezeit hätte, dass der „Dorfklub“ VfB Ginsheim einmal in der Hessenliga spielen würde?

Spahn: Ich hätte ihn für verrückt erklärt. Für den VfB ist das ein Märchen.

Seitel: Vor zehn Jahren hätte ich gedacht: Das ist ambitioniert. Vor fünf Jahren hätte ich gesagt: Warum nicht? Die Ginsheimer haben vor 20, 25 Jahren angefangen, systematisch eine Super-Jugendarbeit aufzubauen. Und dann kam Marcus Spahn als Glücksfall, der an allen Fronten wirbelt und mit den beiden Trainern Carsten Hennig und Artur Lemm ein tolles Team bildet. Der Aufstieg des VfB war also auch eine logische Folge der letzten Jahre.

FuPa: Wie schätzen Sie die Chancen des Aufsteigers in dieser Saison ein?

Spahn: Wir haben gute Außenseiterchancen, die Klasse zu halten, aber es wird sehr schwer. Ich denke, du brauchst 35 bis 40 Punkte, und die musst du erst einmal holen in der Hessenliga. Wir haben eine sehr junge Mannschaft mit wenig Hessenliga-Erfahrung. Der Abstieg wäre schade, aber kein Beinbruch für den Verein. Klar ist: Wir legen alles in die Waagschale, was wir haben.

Seitel: Ich glaube, Ginsheim kann eine gute Rolle spielen.

FuPa: Und was ist für Griesheim drin?

Seitel: Wir hatten jetzt zwei relativ sorgenfreie Saisons ohne Abstiegsgefahr, nachdem wir zuvor auch mal nur dringeblieben sind, weil andere Mannschaften zurückgezogen hatten. Aber wir gehören auch zu den Mannschaften mit den niedrigsten Etats der Liga. Die Absteiger in der Saison 2016/17, Rot-Weiß Darmstadt und Viktoria Kelsterbach, waren nicht viel schlechter als wir. In der Liga herrscht schon ein starkes Gefälle, dennoch wollen wir versuchen, zwischen Platz acht und zehn zu landen.

Spahn: Das ist ein gestandener Hessenligist, der in seine sechste Saison geht. Die Griesheimer werden wieder kämpfen müssen, aber mit dem Etat ist es wie bei uns eine starke Leistung, wenn sie die Liga halten.

FuPa: Wer sind die Meisterschaftsfavoriten und wer zählt zum Kreis der Abstiegskandidaten?

Seitel: Titelfavoriten sind Dreieich, Alzenau, Fulda und Watzenborn. Abstiegskandidaten die Aufsteiger wie jedes Jahr, aber auch zwei, drei andere Teams müssen aufpassen, dass sie gut aus den Startlöchern kommen.

Spahn: Ich sehe das genauso.

FuPa: Griesheim und Ginsheim zeichnet eine gute Jugendarbeit aus. Ist diese die Basis des Erfolgs?

Seitel: Ja. Wir haben immer wieder Topspieler aus der A-Jugend herausgebracht wie Rudi Hübner oder Dominik Lewis. Auch dieses Jahr konnten wir sechs A-Jugendliche in den Erstmannschaftskader integrieren. Ohne den Stamm, der aus dem eigenen Verein kommt, kannst du dich in der Hessenliga nicht halten.

Spahn: Gerade bei unseren Etats. Die Jugend ist der Unterbau für den Verein, sie muss aber weiter wachsen, die Lücke ist da noch zu groß bei uns. Die A-Jugend ist jetzt in die Verbandsliga aufgestiegen, das ist der erste Schritt. Spieler wie Tobias Bednarz und Giuseppe Carbone haben gezeigt, dass sich Eigengewächse bei uns durchsetzen können. Das macht mir Spaß – und den Zuschauern auch.

FuPa: Die Arbeit der Trainer Suat Türker bei der Viktoria und von Artur Lemm/Carsten Hennig beim VfB ist über den Verein hinaus anerkannt. Befürchten Sie, dass die Trainer dem Ruf höherklassiger Vereine folgen werden?

Seitel: Unser Trainer hat in allen Profiligen gespielt, unter anderem natürlich in Offenbach. Er bringt so viel in den Verein ein, dass er ein Riesen-Glücksfall ist. Aber uns muss bewusst sein, dass er wieder in den Profi-Bereich will.

Spahn: Ich würde es unseren Trainern gönnen. Sie sind jetzt fünf Jahre ein Team bei uns, da wird ein Wechsel irgendwann passieren.

FuPa: Herr Spahn, es hieß, die Ginsheimer wollen der „SV Darmstadt 98 der Hessenliga“ werden. Was heißt das?

Spahn: Mit kleinem Etat und wenig Möglichkeiten viel erreichen. Schon in der Verbandsliga gab es Mannschaften, die mit Spielern bestückt waren, wo wir eigentlich keine Chance hatten. Aber wir haben uns als Mannschaft mit großem Teamgeist durchgesetzt.

FuPa: Herr Seitel, was wollen dann die Griesheimer werden?

Seitel: Wir sind ja schon der Verein, der die letzten Jahrzehnte am stabilsten höherklassigen Amateurfußball in der Region bietet – mit mehr als überschaubarem Etat. Wenn man überlegt, welche Vereine in den letzten 20, 25 Jahren an der Viktoria vorbeigezogen sind – Erzhausen, Urberach, Wald-Michelbach, Ober-Roden, RW Darmstadt –, und am Ende spielt dann doch wieder Griesheim am höchsten.

FuPa: Wie ist die Hessenliga wirtschaftlich darstellbar? Ist sie für Sponsoren attraktiv oder müssen Sie Klinken putzen gehen?

Spahn: Klinken putzen ist der falsche Ausdruck. Wir haben keinen Förderer, der mal eben fünfzig-, sechzigtausend Euro in den Verein reinpumpt, sodass wir mit dem gleichen Etat wie in der Verbandsliga antreten. Aber wir haben viele kleine Sponsoren, die wir pflegen. Grundsätzlich ist die Sponsorensuche sehr schwer. Und wir haben nicht genug ehrenamtliche Mitarbeiter, die sich tagtäglich damit beschäftigen.

Seitel: Bei jeder Hauptversammlung der Viktoria wird darüber gesprochen, ob sich die Kosten für Schiedsrichter und die weiten Fahrten wirklich lohnen. Da fragen sich manche, ob man nicht lieber gegen Alsbach oder RW Darmstadt in der Verbandsliga spielen sollte. Wenn unser Vorstand sich entschließen würde, eine Klasse tiefer zu spielen, würde keiner aus allen Wolken fallen, das wäre nachvollziehbar.

FuPa: Welchen Zuschauerschnitt erwarten Sie?

Spahn: Ich glaube nicht, dass wir über 300 kommen, weil eine gewisse Übersättigung im Fußball zu spüren ist.

Seitel: Das sehe ich genau so. Wenn 200 bis 250 kommen, sind wir hochzufrieden. Das Freizeitverhalten hat sich geändert. Bei unattraktiven Gegnern haben wir mehr Leute in der Gaststätte, die das Lilien-Spiel vor dem Fernseher schauen, als auf dem Platz.

FuPa: Wie geht es aus am Freitag?

Seitel: Es wird eng, aber wir gewinnen. 1:0 wäre okay.

Spahn: 1:1. Wir dürfen das Auftaktspiel nicht verlieren, das ist wichtig.

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Zu den Personen

Peter Seitel (46) ist seit fast 15 Jahren Viktoria Griesheim verbunden – zunächst als Spieler, heute als Co-Trainer und Sportlicher Leiter- Nach den Anfängen beim TV Haßloch und Eintracht Rüsselsheim wechselte er als Aktiver zur SKV Mörfelden. Danach war er für die Oberligisten SG Egelsbach und SV 07 Raunheim sowie Regionalligist Kickers Offenbach am Ball. Seine Karriere beendete der Industriekaufmann bei der DJK/SSG Darmstadt und in Griesheim.

Marcus Spahn (50) ist seit 2011 Sportlicher Leiter des VfB Ginsheim. Zuvor hatte er sich bereits als Spielertrainer und Trainer beim aktuellen Hessenliga-Aufsteiger engagiert. Der Vertriebsleiter begann mit dem Fußballspielen bei den Sportfreunden Frankfurt 04. Später trug er das Trikot von Rot-Weiß Frankfurt, der Spvgg. Oberrad und der SG Dornheim, wo er auch als Spielertrainer wirkte. Außerdem coachte Spahn in seiner Laufbahn auch die Spvgg. Oberrad.

Aufrufe: 026.7.2017, 09:50 Uhr
Heiko WeissingerAutor