2024-05-02T16:12:49.858Z

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Schützenfest im Februar: Durch den 9:0-Sieg im Derby gegen den SV Kehlen steigt der VfB Friedrichshafen um Sascha Hohmann (von links), Denis Nikic und Sebir Elezi voraussichtlich in die Verbandsliga auf. Foto: Günter Kram
Schützenfest im Februar: Durch den 9:0-Sieg im Derby gegen den SV Kehlen steigt der VfB Friedrichshafen um Sascha Hohmann (von links), Denis Nikic und Sebir Elezi voraussichtlich in die Verbandsliga auf. Foto: Günter Kram
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Plötzlich Verbandsligist

Noch ist der Aufstieg nicht in trockenen Tüchern. Doch die Zeichen stehen gut, dass der VfB Friedrichshafen nächste Saison in der Verbandsliga spielt. Weshalb der 9:0-Derbysieg gegen Kehlen dafür wichtig war.

Friedrichshafen / sz - Als Daniel Di Leo Ende Februar ausgelassen mit seiner Mannschaft und den Fans auf der Tribüne feierte, konnte er noch nicht ahnen, dass dem VfB Friedrichshafen soeben nicht nur ein historischer 9:0-Derbysieg gegen den SV Kehlen gelungen war, sondern aller Voraussicht nach auch der Aufstieg in die Fußball-Verbandsliga. Durch den Kantersieg waren die Häfler in der Landesliga-Tabelle am FC 07 Albstadt, der vor dem Spiel das um fünf Treffer bessere Torverhältnis aufzuweisen hatte, vorbeigezogen. Zehn Tage später war die Saison abrupt zu Ende – die Corona-Pandemie stoppte auch den Amateurfußball.

Nachdem lange unklar war, wie es weitergehen wird, führte der Württembergische Fußballverband (WFV) Mitte Mai seine favorisierte Lösung ins Feld: Die Platzierungen werden mithilfe der Quotienten-Regelung bestimmt (bislang gesammelte Punkte geteilt durch die absolvierten Spiele). Der Tabellenführer steigt auf, niemand steigt ab. Bei Punktgleichheit entscheidet das bessere Torverhältnis. Sollten die Delegierten auf dem außerordentlichen Verbandstag am 20. Juni für das vom WFV favorisierte Konzept stimmen, stünde der der VfB Friedrichshafen als Aufsteiger in der Verbandsliga fest. "Ich bin ein Freund von Gerechtigkeit. Nach fast zehn Jahren in der Landesliga wären wir einfach mal dran", sagt Daniel Di Leo.

Der Spielertrainer spricht bewusst im Konjunktiv. Noch ist er nicht ganz davon überzeugt, dass die WFV-Delegierten für die Quotienten-Regelung stimmen werden. Der 35-Jährige ist gut vernetzt im württembergischen Amateurfußball und weiß, dass viele Vereine Vorbehalte gegen das Konzept haben. Di Leo tritt deshalb noch auf die Euphoriebremse. Die vielen Glückwünsche, die ihn in den letzten Woche erreicht haben, nehme er "gerne ab dem 21. Juni an, wenn feststeht, ob wir wirklich aufsteigen", sagt der Stürmer, der aber auch damit rechnet, dass die Delegierten den WFV-Vorschlag durchwinken – und den VfB dadurch in die Verbandsliga schicken. "Ich denke, für 95 Prozent der Vereine geht das in Ordnung."

Mit dem Zweitplatzierten Albstadt hat Di Leo nur bedingt Mitleid. Schließlich hatte es die Möglichkeit für ein echtes Endspiel um den Aufstieg in die Verbandsliga gegeben. Am 6. März – eine Woche nach dem Kehlenspiel und noch zu Zeiten, als Fußball erlaubt war – war das Topspiel zwischen dem FC 07 und dem VfB angesetzt – wurde allerdings wenige Stunden vor Anpfiff von den Albstädtern abgesagt. "Wir waren bereit, wir wollten spielen", sagt Daniel Di Leo, der den Titel für sein Team als "verdient" bezeichnet, es aber schade findet, dass es für den Zweitplatzierten vermutlich nicht die Chance geben wird, sich zumindest über ein Relegationsspiel für die Verbandsliga zu qualifizieren.

Der VfB hingegen kann trotz aller Zurückhaltung seines Trainers für die sechsthöchste Liga planen. Von der aktuellen Mannschaft haben nahezu alle Spieler bereits für die kommende Saison zugesagt – und das, obwohl sie wegen corona-bedingt fehlender Sponsorengelder auf die Hälfte ihres Gehalts verzichten müssen. Selbst der hochtalentierte Außenspieler Sebir Elezi (20), der unter anderem vom Oberligisten FV Ravensburg und vom Verbandsligisten TSV Berg umworben wurde, bleibt am Bodensee. "Das freut mich natürlich riesig", sagt Daniel Di Leo. "Auch wenn ich ihm gesagt habe, dass er irgendwann höherklassig spielen muss." Lediglich Michael Metzler kehrt zu seinem Heimatverein SV Deggenhausen zurück. Dagegen verstärkt sich der VfB mit Dominik Blaser vom SV Kehlen, Jonathan Scheike vom badischen Landesligisten SV Denkingen und Amir Kücükler aus der eigenen A-Jugend.

Auf das Team wartet bei einem Aufstieg eine extrem schwierige Aufgabe. Nicht nur, dass die Liga und das Niveau für die meisten Spieler eine völlig neue Erfahrung sein werden. Zusätzlich warten auch ein extreme Belastung mit voraussichtlich 38 Spieltagen und ein verschärfter Abstieg mit acht Mannschaften. "Das wird eine Mammutaufgabe", sagt Di Leo. Sein Vorschlag wäre, dass die Ligen nicht in einem, sondern über drei Jahren wieder auf Normalgröße angepasst werden. Statt einmalig acht, könnte es drei Jahre lang fünf Absteiger geben, meint Di Leo, weiß aber auch, dass die Meinung "eines kleinen Popels vom See" beim WFV wahrscheinlich kein Gehör finden wird.

Noch eine zweite Sache findet der 35-Jährige an der aktuell angestrebten Lösung schade. "Ich hätte die ganze Corona-Pause genutzt, um endlich mal über grundlegende Veränderungen nachzudenken." Sein Vorschlag: eine Saison von April bis Oktober, ohne Winterpause, dafür mit besseren Voraussetzungen. "Im Juni und Juli, wenn das Wetter top ist und die Plätze am besten daliegen, wird nie gespielt."

Stattdessen stellt sich der Friedrichshafener nun aber auf sehr schwierige Saison ein, an deren Ende der VfB nicht gleich wieder den Weg zurück in die Landesliga antreten möchte. Dass der VfB mit seiner Randlage im Verbandsgebiet bei den Spielen unter der Woche zusätzliche Nachteile habe ("Wenn wir um 18 Uhr in Sindelfingen spielen, müssen wir spätestens um 12 Uhr losfahren."), mache die Aufgabe nicht leichter. "Es wird schwer, aber unser Ziel ist es natürlich, die Klasse zu halten", sagt Daniel Di Leo.

So weit möchte er im Moment aber noch gar nicht denken. Erst einmal gilt es, die Entscheidung der Delegierten abzuwarten – und dann, wenn es die Corona-Bestimmungen zulassen, Ende Juni mit einem kleinen Fest den Aufstieg zu feiern. Dann wird Daniel Di Leo mit Sicherheit auch wieder an den 29. Februar und den 9:0-Derbysieg denken. "Das war ein Sahnetag", sagt er. "Wenn wir dadurch aufsteigen, müssen wir mit den Kehlenern auf jeden Fall noch die ein oder andere Kiste trinken."

Aufrufe: 010.6.2020, 05:27 Uhr
Schwäbische Zeitung / Martin DeckAutor