Wie sehr waren Sie überrascht von der Anfrage, die erste Mannschaft des VfB 03 Hilden zu übernehmen – oder hatten Sie insgeheim sogar darauf gehofft?
SCHNEIDER | Ich war schon überrascht, denn die Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Mannschaft und mit Marc Bach war grundsätzlich gut. Außerdem hätte ich nicht gedacht, dass etwas frei wird. Es war also schon sehr überraschend und gleichzeitig eine Riesenfreude, die Chance und das Vertrauen zu bekommen. Mit Henry Schmidt habe ich schon sechs Jahre bei Schwarz-Weiß Düsseldorf gearbeitet. Danach war ich ein halbes Jahr allein als Trainer für die zweite Mannschaft des VfB verantwortlich, dann ist Henry wieder dazugekommen. Inzwischen mache ich den Trainerjob schon seit acht Jahren und ich freue mich, dass ich nun eine erste Mannschaft übernehmen kann. Es ist nicht unbedingt üblich, dass man nach einer Lösung in den eigenen Reihen sucht, deshalb fühle ich mich sehr wertgeschätzt.
Bislang waren Sie in der Kreisliga B und A sowie in der Bezirksliga als Trainer unterwegs. Wie groß ist für Sie der Sprung in die Oberliga?
SCHNEIDER | Auf jeden Fall ist es eine neue Erfahrung und es wird definitiv sehr spannend. Mein Interesse war, als Trainer so hoch wie möglich zu arbeiten, um mehr auf taktische Dinge eingehen zu können als das in den unteren Ligen möglich ist. Dazu ist die Zusammenarbeit mit Björn Opgenoorth sehr professionell. Ich fand schon immer top, dass verletzte Spieler zu ihm ins Studio gehen konnten und dann erst wieder auf den Platz kamen, wenn sie belastbar waren. Die Zusammenarbeit von der medizinischen Abteilung, so nenne ich das mal, und den Trainern auf dem Platz ist gut. Für uns wird der Aufwand in der Oberliga nicht mehr, denn wir haben schon mit der zweiten Mannschaft sehr akribisch gearbeitet und uns in die Aufgabe reingekniet. Das ist letztlich auch mit Erfolg belohnt worden. Wichtig war für uns die Frage: Lässt sich der Mehraufwand mit der Familie vereinbaren? Wir haben aber mutig gesagt: Oberliga trauen wir uns. Und ich habe einfach Spaß an der Aufgabe. In dieser Liga spielen die Gegner nicht nur ein System, sondern mehrere, und es ist wichtig darauf zu reagieren.
Es gab also auch die Freigabe Ihrer Ehefrau?
SCHNEIDER Ich habe immer viel Freiheit bekommen, das muss ich sagen. Dreimal die Woche bin ich abends nicht bei der Familie, dazu kommen die Spiele am Sonntag – da muss meine Frau dahinterstehen und das OK geben. So wie es jetzt läuft, ist das aber kein Problem.
Haben Sie auf die höhere Liga hingearbeitet? Welche Lizenz haben Sie?
SCHNEIDER | Ich habe 2017 die B-Lizenz gemacht, die bis einschließlich Oberliga gilt. Es war mir klar, dass ich mir das zutraue. Man sollte immer ein höheres Ziel haben, nach dem man strebt. Dass es so schnell passiert, macht Henry und mich glücklich.
Die Oberliga ist Neuland, dazu kommen die Unwägbarkeiten in der Corona-Krise: Wie groß ist die Herausforderung?
SCHNEIDER | Ich habe einen gesunden Respekt und zugegebenermaßen auch eine gewisse Nervosität, weil es direkt zwei Klassen höher geht. Durch den Zuspruch, den ich bekommen habe und durch das Feedback der Bezirksliga-Spieler, die bereits Oberliga-Erfahrung haben, ist mein Selbstvertrauen groß genug. Momentan sind Vorfreude und Spaß aber wesentlich größer als die Nervosität. Wir werden genauso weiterarbeiten wie in der Bezirksliga – akribisch und mit mehr Aufwand als andere. Für mich ist Fußball Lebensinhalt. Ein Leben ohne Fußball kann ich mir nicht vorstellen, deshalb habe ich Spaß daran, die Herausforderung anzunehmen.
Die Messlatte hängt mit Rang 8 in der vergangenen Saison hoch. Was wollen Sie mit Ihrer Mannschaft erreichen?
SCHNEIDER | Ich habe mir die letzten sieben Oberliga-Jahre des VfB mit den jeweiligen Endplatzierungen mal genauer angeschaut und gesehen: Es wäre mehr möglich gewesen, wenn man mehr am Verhindern von Gegentoren gearbeitet hätte. Bezüglich der Gegentore war der VfB sechs Jahre lang unter den sechs schlechtesten Mannschaften der Liga. Sechs Jahre gehörte er aber auch zu den Top 5, Top 6 der Teams, die die meisten Tore geschossen hatten. So kam es zu durchschnittlichen Endplatzierungen. Das wollen wir anpacken: Die Anzahl der Gegentore deutlich minimieren und die Offensivpower zugleich weiter konstant halten. Ich glaube, dass die Kurve dann automatisch nach oben geht. Allerdings ist es für alle Neuland, in der Saison 44 Spiele zu machen. Wir wollen daher so früh wie möglich den Klassenerhalt schaffen und dann schauen, was noch geht. Wir müssen jedes Spiel ernst nehmen, das hat sich jetzt gezeigt: Kommt Corona, ist die Saison vorbei. Dann hat man keine fünf Spiele mehr, in denen man noch etwas retten kann. Punkte, die man liegen lässt, bleiben liegen – die kann man nicht mehr doppelt holen.
Wie kann sich die Defensive verbessern?
SCHNEIDER | Es fällt leichter, nach vorne zu laufen und Tore zu machen als nach hinten, um Tore zu verhindern. Die Wege nach hinten tun weh, da sind die Spieler gefordert, denn das ist eine Einstellungssache. Defensive fängt schon vorne an. Es wird spannend zu sehen, wie wir das hinbekommen. Wir wollen flexibel spielen, damit wir nicht ausrechenbar sind. Das ist das große Ziel, aber das ist ein Prozess, der über Jahre geht. Es macht keinen Sinn, ein bestimmtes System zu spielen, wenn man nicht die Leute dafür hat. Man muss ein Feingefühl entwickeln und mit der Mannschaft Rücksprache halten.
War der Landesliga-Aufstieg der richtige Abschluss für Ihr Engagement bei der zweiten Mannschaft des VfB 03?
SCHNEIDER | Es hat mich sehr gefreut, dass wir es gepackt haben. Wir waren ja schon im vergangenen Jahr auf einem guten Weg. Ich habe nie darüber gesprochen, weil ich immer abergläubisch war, aber jetzt kann ich es sagen: Ich habe damit auch ein kleines Trauma überwunden. Als ich in der Saison 2002/2003 in der ersten Mannschaft des VfB gespielt habe, mussten wir am letzten Spieltag gegen den TuS Neviges, der einen Punkt vor uns lag, gewinnen. Wir haben 2:2 gespielt und ich habe damals zwei Tore vorbereitet – aber wir sind nicht aufgestiegen. Wegen eines Mittelfußbruchs war ich in der folgenden Saison außer Gefecht gesetzt. In jenem Jahr ist die Mannschaft dann in die Landesliga aufgestiegen, ich habe aber wegen der Verletzung kein Spiel dazu beigetragen. Deshalb war das jetzt für mich etwas ganz Besonderes, ein Gänsehautmoment – das war echt schön. Jetzt habe ich alles nachgeholt, bin völlig befreit . . . (Schneider lacht).
Fußballer-Karriere: Die ganze Jugend und die ersten Seniorenjahre verbrachte Tim Schneider beim VfB 03 Hilden. Nach dem Aufstieg 2005/2006 in die Verbandsliga wechselte er für ein Jahr zum Bezirksligisten SSV Berghausen. Danach zog es Tim Schneider für drei Saisons bis 2008 in die Kreisliga A zur ersten Mannschaft des SC Schwarz-Weiß 06 Düsseldorf, weil er aufgrund seiner beruflichen Ausbildung nur wenig Zeit für den Fußball hatte. Beim Bezirksligisten SC Unterbach spielte er in der Saison 2008/2009 unter anderem mit dem Ex-VfBer und oberliga-erfahrenen Oliver Jakobs zusammen, der Abstieg war aber nicht zu verhindern. Danach ging es für anderthalb Jahre zur SpVg. Hilden 05/06 und von dort zur zweiten Mannschaft des SC Schwarz-Weiß Düsseldorf, wo er schließlich zum Co-Trainer von Henry Schmidt avancierte.
Trainer-Karriere Das Trainergespann Henry Schmidt/Tim Schneider schaffte in der Saison 2013/14 mit Schwarz-Weiß Düsseldorf II den Aufstieg in die Kreisliga A. In der Saison 2015/16 tauschten Tim Schneider und Henry Schmidt, der Vater von Zwillingen wurde, die Rollen an der Seitenlinie – erstmals arbeitete Schneider als Chefcoach. Zur Saison 2017/18 folgte dann der Wechsel als Co-Trainer zum VfB 03 Hilden II, Ende März 2018 der Aufstieg zum Chefcoach der in der Bezirksliga spielenden VfB-Reserve. Seit dem 1. Juli 2020 ist der B-Lizenz-Inhaber für das Oberliga-Team des VfB 03 verantwortlich.