2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
– Foto: Leifer

»Ein Dilemma, das man niemandem wünscht«

Sebastian Lubojanski (36) hat über fünf Jahre im Nachwuchsbereich der Münchner Löwen gearbeitet und so ziemlich alles erlebt. Mit FuPa hat er über eine äußerst turbulente Zeit gesprochen

Fünf Jahre sind eine lange Zeit. So lange feilte Sebastian Lubojanski bei den Münchner Löwen daran, Talenten den Weg zu einer hoffnungsvollen Karriere zu ebnen. Über fünf Jahre beim chronisch chaotischen Klub aus Giesing. Der 36-Jährige hat wohl mehr erlebt, als andere in zehn Jahren nicht annähernd mitmachen. Der berüchtigte "Schwarze Freitag" 2017, als der Doppelabstieg besiegelt wurde und nichts mehr sein sollte, wie es einmal war. Die Wiederauferstehung in Liga vier mit der direkten Rückkehr in den Profifußball. Und in der abgelaufenen Drittliga-Saison wieder die unzähligen Reibereien, die natürlich auch nicht den Jugendbereich verschonen. Was hat das alles mit Sebastian Lubojanksi gemacht? FuPa hat mit dem diplomierten Betriebswirt gesprochen.
FuPa: Sebastian, der TSV 1860 hat wieder einmal eine turbulente Saison hinter sich. Ums Sportliche ging`s eigentlich nur sekundär, mal wieder scheint sich der Verein in kraftraubenden Scharmützeln selbst zu zerfleischen. Wie hast du die vergangenen zwölf Monate erlebt?
Sebastian Lubojanski (36): Puh, ich musste erst einmal durchpusten. Das war schon verdammt anstrengend. Ich war die letzten Tage in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostsee beim Surfen und Wandern. Das habe ich einfach gebraucht, um runterzukommen. Zudem habe ich einen Routineeingriff an der Leiste vornehmen lassen, nichts Dramatisches.

Nach über fünf Jahren ist für dich Schluss beim TSV 1860. Hat dich das Aus getroffen?
Naja, es hat sich ja übers Frühjahr hinweg schon abgezeichnet. Nachdem beschlossen wurde, dass die zweite Mannschaft in der kommenden Saison auf "Feierabendfußball" umgestellt wird, sprich immer abends trainieren wird, konnte ich mir schon zusammenreimen, dass es für mich nicht mehr weitergeht. Überraschend kam es also nicht.

Wann genau wurdest du dann von der Vereinsführung in Kenntnis gesetzt, dass man mit dir nicht mehr plant?
Darüber möchte ich nicht sprechen. Nachtreten ist nicht mein Stil. Der Verein hat sich für einen anderen Weg entschieden, das werde ich natürlich akzeptieren.

»Es herrschte Ungewissheit auf allen Ebenen. Niemand konnte uns konkret darüber Auskunft geben, wie es denn weitergehen sollte.«

Mit der U21 habt ihr den angepeilten Klassenerhalt gepackt. Wie fällt deine Saisonanalyse aus?
Es war eine schwierige Konstellation. Am 20. Juni 2018 wurde ja erst endgültig beschlossen, dass wir in der Bayernliga an den Start gehen werden. Diese Unsicherheit, das zehrt schon an den Nerven. Kurz zuvor war ich noch bei der U17, jetzt sollte ich also die U21 machen. Ich muss zugeben, ich bin sehr angeschlagen in die Saison gegangen. Die Mannschaft und der Betreuerstab haben mir aber aus diesem Tief herausgeholfen. Auf unser Team bin ich stolz. Viele wechseln jetzt in höhere Ligen, Arif Ekin wahrscheinlich in die zweite türkische Liga. Dennis Dressel, Marco Raimondo-Metzger, Fabi Greilinger und Leon Klassen haben den Sprung zu den Profis geschafft. Zudem sind vier meiner Schützlinge für die Bayern-Auswahl nominiert, die um den UEFA Regions Cup spielt. Das ist auch eine schöne Auszeichnung.

Die Außendarstellung von 1860 ist vorsichtig ausgedrückt ausbaufähig. Es scheint so, als würde sich der Klub mit allem Möglichen befassen, nur nicht unbedingt mit dem Sportlichen. Wie hast du die Abläufe innerhalb des Vereins in den letzten Monaten empfunden?
Ich bin schon im Winter bei der Vereinsführung vorstellig geworden und habe um mehr Kommunikation und Transparenz gebeten. Aber es herrschte Ungewissheit auf allen Ebenen. Niemand konnte uns konkret darüber Auskunft geben, wie es denn weitergehen sollte. Ein Dilemma, das man niemandem wünscht.

Nach fünf Jahren kannst du einschätzen, warum die einst in ganz Deutschland gerühmte Nachwuchsarbeit der Löwen nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Warum ist es so gekommen?
Da wäre zum einen der Doppelabstieg aus dem Jahr 2017 zu nennen, das hat sich natürlich auch grundlegend auf den Jugendbereich ausgewirkt. Es ist eben extrem schwierig, einen gewissen Standard zu halten mit extrem begrenzten Mitteln. Wenn du beispielsweise einem 15-Jährigen aus Deggendorf sagen musst, dass es keinen Shuttleservice mehr gibt und die Familie selbst dafür aufkommen muss. Wie wird sich der wohl dann entscheiden? Zum anderen sehe ich den Abgang von Wolfgang Schellenberg als einen herben Verlust für die Akademie und den Ausbildungsgedanken an, warum es nicht mehr so läuft wie früher. Wolfgang ist ein unglaublich guter Talententwickler und war für die Jungs auch immer eine väterliche Führungsfigur. Zudem ist er ein sehr guter Pädagoge. Er hat es verstanden, auch schwierige Charaktere wie Marius Wolf oder Timo Gebhardt in die richtige Karrierebahn zu lenken. Wolfgang hat mit wenigen Mitteln unglaublich viel herausgeholt.

»Alle sollten endlich ihre persönlichen Animositäten zurückstellen und einer Sache dienen: dem Wohle des TSV 1860.«

Wie würdest du dein Verhältnis zu Proficoach Daniel Bierofka beschreiben?
Als normal bis gut. "Biero" bringt die Löwenmentalität mit. Ein verbissener, akribischer Fachmann, der aber immer bereit ist, anderen zu helfen.

Was bleibt bei dir persönlich hängen nach sechs Jahren TSV 1860?
Ich bin wirklich dankbar. Denn was ich für ein Aufgabenspektrum in so kurzer Zeit erleben durfte, da bin ich für jeden Job im Fußball gewappnet. Ich habe inhaltlich wahnsinnig viel Erfahrung gesammelt und tolle Menschen kennengelernt.

Auch in diesen Tagen geht`s bei den Löwen wieder hoch her, wenn auch wie üblich außerhalb des Platzes. Am 30. Juni findet die Mitgliederversammlung statt, bei der sich Präsident Robert Reisinger zur Wiederwahl stellt. Was wünscht du den Sechzigern für die Zukunft?
Die Hoffnung, dass sich in naher Zukunft grundlegend etwas ändert, ist sehr gering. Dennoch wünsche ich dem Verein Kontinuität und Zielstrebigkeit. Alle sollten endlich ihre Eigeninteressen zurückstellen und einer Sache dienen: dem Wohle des TSV 1860.

Und wie sieht deine Zukunft aus?
Ich werde meinen Lebensmittelpunkt Mitte Juli nach Leipzig verlegen. Was ich sportlich machen werde, das ist noch offen. Ich habe stets zweigleisig geplant, bin Diplom-Betriebswirt mit Schwerpunkt Sportmanagement. Schon auch mit dem Hintergedanke, mal ein NLZ zu leiten. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, im Bankensektor oder in der Immobilienwirtschaft zu arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Mathias Willmerdinger.




Aufrufe: 015.6.2019, 06:00 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor