2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
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"Körperlich bin ich hier, aber mein Herz liegt in Sizilien"

Angelo Colletti gibt im Interview mit FuPa-Redakteur Julian Hermann Einblick in seinen geradezu abenteuerlichen Lebenslauf, der ihn gleich mit zwei Heimaten beschenkt hat: Deutschland & Sizilien. Doch die Sucht steht im Mittelpunkt des Gesprächs - die Sucht nach Fußball!

Es ist ein heißer Sommertag Mitte Juni. Angelo Colletti lädt in Sonnenbrille, Tshirt und kurzer Hose in sein Lieblingscafé in Aalen. Schnell entwickelt sich eine angenehme Gesprächsatmosphäre, bei "gutem Latte Macchiatto" (sagt Angelo), "schmackhaftem doppelten Espresso" (sagt der Autor), in "herrlich kühler Umgebung" (sagen beide).

Angelo ist bester Laune. Kein Wunder, in der gerade erst zuende gegangenen Saison 2018/19 hatte er furiose 36 Mal ins gegnerische Tor getroffen. Äußerst positiv wirkt sich diese innere Zufriedenheit auf die Erzählfreude des frischgebackenen Torschützenkönigs der Kreisliga A2 aus - der Stürmer des TV Bopfingen hat auch einiges zu erzählen: Es sind insbesondere die verstrichenen Chancen, die an Angelo nagen, sei es die einmalige Gelegenheit, für die DFB-Junioren aufzulaufen, oder die Zeit als Profi in der 4. italienischen Liga.

Der Fußball macht fast sein ganzes Leben aus, doch Angelo Colletti ist auch ein leidenschaftlicher Familienmensch. So sind es vor allem seine Frau, seine Kinder und sein Bruder Gioaccino, die ihm Halt und Rat geben und ihm nicht zuletzt aufzeigen, dass es neben der großen sportlichen Leidenschaft noch etwas gibt, das richtig glücklich macht.


Julian Hermann: Angelo, warum ist die vergangene Saison nur so mittelmäßig verlaufen?

Angelo Colletti: Minimalziel des Vereins war ja, unter den ersten Drei mitzuspielen. Am Ende war es aber ein enttäuschender achter Platz. Wir haben einige richtig gute Einzelspieler im Team, im Team hat das jedoch nicht harmoniert.

In der kommenden Saison wird das, denke ich, viel besser laufen. Wir hatten 2018 viele Neuzugänge, die sich nun zu recht gefunden haben. Wir haben uns jetzt gut eingespielt.

Habt ihr denn dasselbe Saisonziel auch 2019/20, also unter den ersten Drei zu landen?

Ja, auf jeden Fall. Das ist sogar das Minimum – wir wollen unbedingt in die Bezirksliga aufsteigen.

Für dich persönlich lief die vergangene Saison ja top, mit sensationellen 36 Treffern. War es deine beste Runde bislang? In Königsbronn hast du ja auch mal 36 Buden gemacht!

Ja genau, in Königsbronn damals in der Heidenheimer Staffel habe ich das auch schon einmal geschafft. Das war auch eine super Runde, bei den Spielern dachte ich, dass ich sie schon lange kenne. Obwohl ich da überhaupt nur eine Saison gespielt hatte, hat dort alles gepasst. Es hat vor allem richtig gut harmoniert – im Gegenteil zur vergangenen Saison hier in Bopfingen.

Warum bist du denn dann überhaupt aus Königsbronn weggewechselt?

Ich hatte ein spannendes Angebot von AC Milan Heidenheim vorliegen, die wollten unbedingt in die Bezirksliga aufsteigen. Dort bin ich dann im Sommer 2016 auch hin, insgesamt hat es mir aber nicht so gefallen.

Gleich in der Winterpause wechselte ich dann zum TV Bopfingen. Bopfingen hatte zum damaligen Zeitpunkt nur sechs Punkte, war stark abstiegsgefährdet, zehn Punkte weg vom Relegationsplatz. Wir haben das dann aber noch gepackt, und in 13 Spielen habe ich 20 Tore gemacht.

Hast du deinen Weggang von der SGM Königsbronn/Oberkochen dennoch bereut?

Man trifft im Leben nicht immer die richtigen Entscheidungen. Das Angebot aus Heidenheim war schon gut, ich wollte das machen, aber klar: Jetzt weiß ich, dass es die falsche Entscheidung war.

Oft ist es halt so, dass man sich große Vorstellungen von einer Veränderung macht, und dann aber merkt, dass sich die Dinge als nicht so schön herausstellen, wie man es sich anfänglich ausgemalt hatte.

Was zeichnet einen richtig guten Torjäger aus? Was muss er können?

Auf jeden Fall muss er eiskalt vor dem Tor sein. Ein richtiger Torjäger macht vielleicht auch mal die ganz einfachen Tore nicht, aber die schweren drückt er dann rein.

Du fackelst nicht lange, oder?

Nein, also, sobald ich Platz habe, haue ich voll drauf. Ich habe, glaube ich, einen guten Schuss, in der vergangenen Saison gelangen mir allein sieben oder acht Tore per Freistoß.

Der Schuss ist auf jeden Fall meine große Stärke.

Angelo, wir haben ja auch schon miteinander geschrieben. Ich bin ganz überrascht: Du sprichst perfektes Deutsch, aber schreibst ziemlich chaotisch...

Ja, ganz schlecht. Das Problem war, dass ich in der 6. Klasse mit meiner Mutter nach Italien gezogen bin. So habe ich von der 6. an bis zur 9. Klasse die ganzen Schuljahre verpasst, in denen man ja noch einmal verstärkt deutsche Sätze und Texte schreibt. Das fehlt mir jetzt einfach

Du trägst ja einen italienischen Namen. Bist du auch in Italien geboren?

Ich bin hier in Deutschland geboren, bin dann für einige Jahre nach Sizilien und dann wieder zurückgekommen. Ich habe auch einen Hauptschulabschluss gemacht.

Und dann bin ich ja wieder nach Italien, war sogar ein Jahr lang Profi in der 4. italienischen Liga. Leider wurde der Verein insolvent. Zudem war meine Frau damals schwanger – da war für uns klar, dass wir wieder nach Deutschland ziehen, auch um schnell einen Job zu finden und unsere kleine Familie zu ernähren.

Du hattest doch auch die Wette mit mehreren Teamkollegen am Laufen. Du hast vor der vergangenen Saison gesagt, dass du 30 Tore packst. Wette eindeutig gewonnen! Was hast du denn jetzt dafür bekommen?

Mit unserem Kapitän gab es sogar die Wette um 35 Tore...

Gewonnen!

(lacht) Gewonnen. Von ihm habe ich dann auch eine Torjäger-Kanone bekommen auf der draufsteht: „Torjäger 2019 – 35 Tore“. Wobei, die Wette war ja eigentlich 35 Tore aus Meisterschaft und Pokal. Mit den Pokaltoren habe ich zusammen ja sogar 40.

Und von den Anderen?

Weißt du ja: Es geht immer um die Bierkisten. Dabei trinke ich gar kein Bier, aber das passt schon, es ging mir mehr um die Herausforderung bei den Wetten. Das Bier kann dann beim Kabinenfest getrunken werden.

Trinkst du dann gar keinen Alkohol, oder halt etwas Anderes wie zum Beispiel Wein?

Rotwein trinke ich, aber nur auf Sizilien. Jetzt geht es ja bald für vier Wochen wieder mit der Familie dorthin. Nach einem guten Essen trinke ich da schon mal ein Glas. Aber ansonsten – Alkohol war nie so meins, auch allgemein, Rauchen oder so... Obwohl meine Mutter und mein Vater Raucher sind. Wir drei Kinder, meine Schwester, mein Bruder, und ich, wir wollen nichts vom Rauchen wissen.

Es ist einfach auch besser so.

So, das allerschönste Tor deiner Karriere war der Freistoß für die SGM Königsbronn/Oberkochen. Fällt dir noch ein sehenswerter Treffer aus der vergangenen Saison ein?

(denkt nach) Gegen Stödtlen ist mir auch ein sehr schönes Tor gelungen. Ich bekam an der Mittellinie den Ball und umspielte zunächst den gegnerischen Flügelspieler. Dann kam der rechte Verteidiger von Stödtlen, den ich dann mit einem Übersteiger aussteigen lassen konnte. Anschließend kam der Innenverteidiger auf mich zu, den ich dann mit der Sole umspielt hatte, genauso wie auch den Torwart, der ganz zuletzt noch vor mir Stand und den ich dann ebenfalls mit der Sole ins Leere laufen ließ.

Das war vor kurzem, wenige Spieltage vor Saisonschluss.

Da lief es dann einfach!

Ich war selber schockiert! Das war mein 29. Tor in der ersten Halbzeit, und im zweiten Durchgang ist mir dann noch das 30. gelungen. Da haben mir dann sogar die gegnerischen Spieler gratuliert, weil die über deinen Bericht auf Fupa von der 30-Tore-Wette mitbekommen hatten.

Wann hast du denn als Profi in Italien gespielt?

Das war 2011, bei Noto Calcio. Ich konnte gut mithalten, aber der Verein war dann leider pleite.

Dann habe ich hier in Deutschland beim SSV Aalen plötzlich wieder Kreisliga B gespielt.

Du wolltest einfach Kicken, oder?

Ja. Es lief über meinen Bruder Gioacchino Colletti, der mir den SSV vorgeschlagen hatte. Günther Niggel war damals schon Trainer und wollte mich sowieso schon lange haben. Also habe ich da nicht lange überlegt.

Dein Bruder ist etwas älter als du.

Mein Bruder ist Jahrgang 1984, ich bin 1991.

Und er ist inzwischen Trainer.

Er ist U19-Trainer bei Normannia Gmünd und spielt in Schornbach. In der Landesliga hat er in 13 Spielen elf Tore gemacht.

Mein Bruder hat auch viel Unglück gehabt, wäre früher beinahe mal zu Borussia Dortmund II gewechselt, doch nach einer OP an der Patellasehne hat sich das dann wieder zerschlagen.

Im Fußball braucht man einfach sehr viel Glück – Talent allein reicht nicht aus. Es gibt ganz bestimmt auch viele Spieler, die gar nicht so gut sind, aber viel Glück gehabt haben.

Zurück zu dir: Du hast die meiste Zeit deines Lebens hier in Deutschland verbracht, sagst aber, dass Sizilien deine Heimat ist. Warum?

(ist erst etwas irritiert) Mhmm, was heißt "die Heimat"?

Nun, das hast du mir so gesagt – irgendwie musst du das ja auch so fühlen!

Ja, auf jeden Fall. Ich sage es so: Körperlich bin ich hier, aber mein Herz liegt unten in Sizilien.

Das ist ein sehr schöner Satz.

Das ist einfach so wie ich es denke und fühle. Natürlich bin ich auch Deutscher. Ich bin hier geboren, ich lebe und arbeite hier, das ist gar kein Thema.

Wo genau in Sizilien liegen denn deine Wurzeln?

Also mein Vater stammt aus der Provinz Agrigento, etwa 20km von der Stadt Agrigent entfernt. Meine Mutter stammt aus der Provinz Syracusa. Natürlich gibt es da aber auch noch die Verwandten meiner Frau.

Wie hast du Fußballspielen gelernt?

Das muss 25 Jahre her sein. Ich kann mich daran erinnern, dass mir meine Mama einen Ball gekauft und ich dann erst einmal so auf der Straße rumgekickt hatte. Mein erster Jugendverein war der SSV Aalen. Dann ging es später für ein Jahr zur TSG Hofherrnweiler/Unterrombach, bis ich dann schließlich in die D-Jugend der Stuttgarter Kickers kam.

Stuttgarter Kickers – das war ja dann schon richtig aufwändig, dorthin zu kommen. Du warst ja gerade mal zehn, elf Jahre alt.

Ganz alleine mit dem Zug. Der Verein hatte auch keine Fahrtkosten übernommen, das war schon schwierig für uns. Dann war der VfB an mir interessiert und plötzlich war ich auch noch für die U12 des DFB berufen – ich hatte richtig gute Chancen, doch irgendwie ist dann alles schiefgelaufen.

Hast du dann auch mal für den DFB gekickt?

Oh, wenn ich dir das erzähle... Um zwölf Uhr kam der Anruf vom DFB, dass ich noch um 13 Uhr in Stuttgart sein sollte. Ich wollte natürlich hin, aber mein Vater meinte, dass das so schnell nicht ginge.

Das war auch echt komisch vom DFB. Die wussten ja, dass ich ihn Aalen wohne.

Unglücklich! Vorhin sagtest du, dass man in dem Geschäft vor allem Glück braucht. Glück, das du häufig nicht hattest. Du warst in Italien Profi, dein Bruder hatte die reelle Chance – und es sollte nicht sein!

Es war schon viel mehr drin. Aber ich sage mal so: Durch den Fußball habe ich in Italien damals meine heutige Frau kennengelernt. Ohne den Fußball wäre das bestimmt nicht so gekommen. Man muss schon auch sehen, was man alles bekommen hat, nicht nur die andere Seite.

Und danach? Gab es nie mehr eine Chance beim DFB?

Na, die haben dann wohl einfach andere genommen. Ende Gelände – ich habe danach nie mehr was vom DFB gehört.

Wie wichtig war denn dein älterer Bruder Gioacchino für deine fußballerische Entwicklung? Hast du von ihm viel gelernt?

Ja, sehr sehr viel. Auch allgemein: Er war wie ein zweiter Vater für mich. Er war 20, ich war 14 – das ist schon ein großer Unterschied, ich konnte mir enorm viel von ihm abschauen, aber weit über den Fußball hinaus.

Und hast du auch von deinem Vater viel gelernt?

Ja klar. Mein Vater war auch Fußballer und schaffte es ebenfalls zum Profi. Er spielte in England in der zweiten Liga bei Leyton Orient, die derzeit in der vierten Liga spielen. Neun Jahre lang lebte er in London. Natürlich war er auch Stürmer.

Von meinem Vater haben Gioacchino und ich sicher auch unsere Sucht nach Fußball. Wir sind wirklich fußballverrückt. Unsere Frauen haben es da auch schwer – die sagen glaube ich auch: „Schlimmer geht es nicht!“

So, dann habt ihr beiden also das Stürmerblut von eurem Papa!

Mein Vater hat mal gesagt, dass mein Bruder in seiner Jugend nicht so enorm talentiert war – insgesamt hat er es aber dann schon gut hingekommen. Auch ohne das ganz große Glück. Wir sind sozusagen eine Stürmer-Familie.

Welche Bedeutung hat denn der Fußball auf Sizilien?

Auf Sizilien ist die Situation halt generell sehr schwierig für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, weil es kaum Arbeit gibt. Der Fußball gibt ihnen die Möglichkeit, aus ihren Häusern und Vierteln herauszukommen. Auf Sizilien ist es manchmal sogar leichter, einen „schlechten“ Weg zu gehen, als sich mit großer Ausdauer um Arbeit zu bemühen. Durch den Fußball kommen sie weg von der Straße und rutschen nicht ab.

In Italien ist Fußball sowieso der Sport Nummer eins.

Welchen Profi-Fußball verfolgst du denn mit größerem Interesse, den italienischen oder den deutschen?

Eigentlich beide gleich. Letzte Saison war es ja besonders spannend mit Dortmund und Bayern. Der Knackpunkt war halt dann das direkte Aufeinandertreffen in der Rückrunde – da hat Bayern die Meisterschaft klargemacht.

Was sind dann deine Lieblingsvereine in Deutschland und Italien?

In Deutschland: der VfB Stuttgart. Und in Italien: Juventus Turin.

Ah, Juventus. Das ist ja bestimmt so ein bisschen wie mit Bayern München in Deutschland. Überall in Italien findest du Juve-Fans…

Ja, richtig. In der Champions League war viel mehr möglich. Gegen Atletico Madrid sind sie nach starker Leistung noch weitergekommen, aber in den Spielen gegen Ajax Amsterdam hatte man viel zu viel Respekt. Da war ich schon sehr enttäuscht!

Aber hey: Ajax, die sind auch klasse, machen seit Jahren eine überragende Jugendarbeit.

Wer hat die beste Jugendarbeit in Italien?

Vermutlich Juventus Turin und der AC Mailand. Inter Mailand noch und Lazio Rom. Hier in Deutschland war der VfB immer richtig gut. Das wäre für mich ziemlich gut geworden, hätte das damals geklappt.

Wie oft denkst du daran zurück, also „was hätte sein können...“?

(Bei dieser Frage sollte vielleicht ergänzt werden, dass sie sich an dieser Stelle zwar aufdrängt, die Antwort aber sowieso klar scheint. Mehr als eine halbe Stunde ist das Gespräch bei doppeltem Espresso und Latte Machiatto da schon alt, der Interviewer glaubt, sein Gegenüber inzwischen ganz gut einschätzen zu können: Ein gelassener, freundlicher und nicht zuletzt ausgeglichener Familienvater, der seinen Frieden mit den vergebenen Chancen und allen Umwegen seines bisherigen Lebens gefunden hat, der nach vorne schaut – mag es der heiß ersehnte Urlaub in der Heimat, oder auch die neue Fußball-Saison sein – und der dann wunschlos glücklich ist, wenn er nach siegreichen Partien abends zu seiner Familie heimkehrt, bestenfalls mit zwei oder drei eigenen Treffern im Gepäck. Doch der Interviewer täuscht sich gewaltig – plötzlich arbeitet es mächtig in Angelo Colletti...)

Wenn ich ehrlich bin: Minimum einmal am Tag. Jeden Tag. Jeden einzelnen Tag. Ich glaube es gibt keinen Tag, an dem ich nicht daran denke. Selbst wenn ich in Sizilien am Strand liege – das ist einfach so. Wir sind einfach so verrückt nach Fußball.

Macht es dich denn auch verrückt?

Ich denke da dran, und manchmal ist das schon richtig bitter. Was willst du machen, das ist halt so. Da kannst du nichts mehr ändern.

Jeden Tag denke ich daran, bei der Arbeit, daheim.

Fußballspielen ist halt vermutlich auch das, was du mit am besten kannst. Damit will man ja dann auch sein Geld verdienen.

Also drei, vier Jahre wären schon noch drin, das kommt halt noch mit dazu.

Jetzt bist du mit 28 in einem Alter, in dem man im professionellen Bereich wohl auch nicht mehr zu den interessanten Spielern gehört.

In Italien wollen sie schon auch Erfahrene. Hier in Deutschland hingegen ist der Zug längst abgefahren. Da ist mit 23, 24 schon Schluss.

Wer fängt dich in solchen kritischen Momenten, in denen du über manch unglückliche Wendung in deiner Karriere nachdenkst, dann auf? Deine Familie?

Auf jeden Fall meine Frau und meine Familie. Ich trage das aber ja nicht so nach außen, dass man gleich denkt: „Oh, ist irgendetwas mit dir?“ Ich denke darüber nach, dann geht alles andere aber auch wieder weiter.

Meine Frau sagt auch zu mir: „Angelo, da kannst du nichts machen.“

Was gefällt dir denn an Deutschland?

Eigentlich fast alles. Die Organisation zum Beispiel. Das gibt es ja in Italien alles nicht, du bekommst Unterstützung aus jeder Ecke. Es gibt hier auch genug Arbeit. Da soll keiner sagen, es gebe keine Arbeit, es gibt wirklich genügend Möglichkeiten.

Oder wenn du etwas mit Papieren regeln musst: Innerhalb von zwei, drei Tagen ist alles erledigt, in Italien dauert sowas mindestens sechs Wochen. Ein Führungszeugnis zum Beispiel: In einer Woche bekommst du das in Deutschland, wenn du das in Italien mal beantragst, rufst du nach vier Wochen auf dem Amt an und dann sagen sie dir, sie hätten es erst gestern bearbeitet.

Ist es ein Traum von dir, mit deiner Familie irgendwann nach Italien zu gehen?

Ich stelle es mir ungefähr so vor, wie es mein Vater immer macht. Er ist im Sommer natürlich in Sizilien, im Winter kommt er für einige Monate nach Deutschland. So zwischen den Ländern hin und her zu pendeln, kann ich mir auch gut vorstellen.

Man hat ja auch Ärzte oder andere Vertrauenspersonen hier, auf die man auch weiter zurückgreifen möchte.

Wie viele Kinder hast du denn?

Drei – zwei Töchter und einen Sohn.

Leitet dein Sohn dann mal die nächste Generation der Colletti-Torjäger ein?

Ich weiß nicht. Fußball eher nein. Aber das kann man jetzt noch nicht sicher sagen, er ist ja erst fünf Jahre alt. Er heißt Guiseppe, wie mein Vater.

Ich möchte ihn bald mal bei der TSG Hofherrnweiler/Unterrombach für die Bambinis anmelden. In unserer Region hat Hofherrnweiler aus meiner Sicht mit die beste Jugendarbeit. Ich war ja ganz früher auch dort und war echt zufrieden.

So in einigen Jahren ist absehbar, ob er den Fußball weiterverfolgen möchte, oder ob er einen anderen Weg geht.

Er hat es ja eigentlich im Blut – Vielleicht schafft er das, was dir verwehrt geblieben ist, und packt es dauerhaft zum Profi!

Das habe ich zu meinem Vater auch schon gesagt. Vielleicht ist er nicht so wie mein Bruder und ich, aber hat dafür einfach etwas mehr Glück mitbekommen.

Welche Ziele hast du noch im Fußball?

Ganz klar: kommende Saison mit dem TV Bopfingen aufsteigen. Ich will ja noch einmal höherklassig spielen – wenn es irgendwie geht, dann auch mit dem TV. Das wäre einfach klasse, wenn es zum Aufstieg in die Bezirksliga kommt.

Ja, mit der Mannschaft müssen wir das unbedingt.

Hast du eigentlich mal mit deinem Bruder zusammen gekickt?

Ja, ein Jahr beim SV Ebnat damals. Aber das war keine erfolgreiche Zeit, da musste ich raus auf dem Flügel und habe am Ende nicht ein einziges Tor erzielt. Aber klar, mit Gioacchino würde ich richtig gerne noch einmal zusammenspielen.

Wie ist für dich ein Sonntag, der erfolglos ausgegangen ist. Für dich als Torjäger und für deine ganze Mannschaft? Ist der Tag dann gelaufen?

Für mich als Stürmer ist es schon verdammt wichtig, dass ich auch treffe. Wenn das nicht hinhaut, mache ich mir Gedanken. Wenn wir dann noch verloren haben – das hängt mir die komplette Woche bis zum nächsten Sonntag nach. Katastrophal! Obwohl es die Kreisliga ist.

Nach einem torlosen Spiel macht das noch nicht so viel aus, nach dem zweiten wird es schon deutlich schlimmer, treffe ich anschließend aber wieder nicht, komme ich schon stark ins Grübeln. Das muss ich dann praktisch alles in den Folgespielen einholen.

Genau. Dann gegen den nächsten Gegner gleich mal drei Tore machen.

Gegen den VfB Tannhausen war das in der letzten Saison auch so, da hatte ich bestimmt fünf oder sechs Chancen gehabt, am Ende aber nur ein einziges Tor geschossen. Da war ich dann so schlecht gelaunt, dass ich dann die Woche drauf gegen Wasseralfingen fünf gemacht habe (lacht).

Hast du eigentlich ein Vorbild?

Mein Vorbild ist mein Bruder. Und mein Idol ist Roberto Baggio.

Der hat doch mal einen wichtigen Elfmeter verschossen...

Ja, im WM Finale gegen Brasilien war das glaube ich. WM 1994 in den USA.

Warum Roberto Baggio?

Er trug die Nummer 10, so wie ich! Er hatte eine ganz besondere Frisur, einen Zopf, und ist für viele immer noch der beste italienische Spieler.

Baggio hatte auch viele Knieverletzungen, und ist immer zurückgekommen. Viele Tore hat er erzielt – aus meiner Sicht wird Roberto Baggio auch in den nächsten 30, 40 Jahren noch der beste italienische Spieler sein.

Ich sehe auch nicht, dass momentan richtig gute junge Spieler nachkommen. Nach Del Piero, Totti, Pirlo kamen eigentlich keine großen Spieler nach. Ein richtig großes Problem für den italienischen Fußball und die Nationalmannschaft.

So, wir kommen zum Ende. Wir sind am Ende. Die entscheidende Frage zum Schluss: Wieviele Tore schießt du in der kommenden Saison?

(lacht) Das haben mich natürlich schon einige gefragt. Ich sage es mal so: 30 möchte ich schon gerne wieder machen.

Angelo, das schaffst du. Mindestens! Vielen Dank für das Gespräch.

Aufrufe: 011.9.2019, 08:55 Uhr
JHermannAutor