2024-05-10T08:19:16.237Z

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Corentin Tolisso hat sich während des Lockdowns tätowieren lassen.
Corentin Tolisso hat sich während des Lockdowns tätowieren lassen. – Foto: mis

Corona-Verstöße der Stars: Schlechte Vorbilder für Jugendspieler

Amateurvereine ärgern sich über Bundesliga-Profis

Zum Beginn des Restarts im Mai 2020 hielten sich die meisten Bundesligaspieler noch an die Hygieneregeln, doch die Profis scheinen ihre Vorbildfunktion vergessen zu haben.

Würmtal – Andreas Hoeglauer muss sich zusammenreißen, um nicht ausfallend zu werden. Das Thema, über das er referiert, liegt dem Fußball-Jugendleiter des SV Planegg-Krailling spürbar am Herzen. „Das ist ein skandalöses Verhalten“, schimpft Hoeglauer. „Nicht mehr auszuhalten.“ Er spricht über die Vorbildfunktion von Profifußballern in Corona-Zeiten – besser gesagt: über das alles andere als vorbildliche Verhalten. „Da wird sich abgeklatscht und umarmt, auf den Boden gespuckt“, zählt Planeggs Jugendleiter auf. „Wie erklärt man den Kindern, dass sie das nicht tun dürfen, sobald man wieder kicken kann? Das hängt hinterher wieder an uns, nicht an den Profis.“

Hoeglauer hält das für inakzeptabel. „Wir haben schon genug zu tun, so etwa belastet das Ehrenamt unnötig.“ Es scheint ein negativer Corona-Trend zu sein. Im Frühjahr 2020 hielten sich die Spieler – zumindest gefühlt – besser an Hygieneregeln, klatschten zumeist mit der Faust ab anstatt mit der Handfläche. Jubeltrauben kamen nach wichtigen Toren zwar vor, aber der Zuschauer hatte trotzdem den Eindruck, dass sich die Fußballer ihrer Vorbildfunktion in Sachen Corona bewusst waren – die meisten jedenfalls. Davon scheint mittlerweile nicht mehr viel übrig zu sein.

Vorbildunktion der Profis: „Vor allem die Kleinen orientieren sich an den Stars“

„Vor allem die Kleinen orientieren sich an den Stars und sehen, dass die sich jubelnd in den Armen liegen“, sagt Josipa Germek, Jugendleiterin der DJK Würmtal. In Sachen Vorbildfunktion sehe sie das kritisch. Das hat auch ihr Kollege vom TSV Neuried beobachtet, Martin Trissler. Anfangs habe man sich noch gefreut, dass man durch den Profifußball ein wenig Ablenkung von der Pandemie-Tristesse bekomme.

„Aber jetzt müssen sie schauen, dass sie wieder die Kurve kriegen. Das kommt bei der Öffentlichkeit nicht gut an“, meint Trissler. Damit rennt er bei Hoeglauer offene Türen ein, der erklärt: „Sportprofis genießen zurzeit ein besonderes Privileg, sie sollten Demut zeigen.“ Auch Christian Stigloher stimmt zu. „Ich kann von Profis erwarten, dass sie sich zurücknehmen“, sagt der Abteilungsleiter und stellvertretende Jugendleiter des TSV Gräfelfing, der ein solches Verhalten nicht akzeptabel findet.

Stets perfekte frisierte Spieler „sind schwer zu vermitteln“

Die Kritik am Körperkontakt will Trissler aber nicht allzu hoch hängen. „Die Teams sind in ihrer Blase. Und jubeln gehört zum Fußball dazu, das kann man nicht abstellen“, sagt der Neurieder, den ein anderes Thema mehr ärgert, das „den Kindern sehr schwer zu vermitteln“ sei: stets perfekt frisierte Spieler, deren Haarpracht man nicht ansieht, dass Friseure eigentlich seit Monaten geschlossen haben müssen.

Harald Esser, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, trat im Januar eine Debatte los, als er erklärte, man sehe, dass die Haare vieler Fußballer von Profis gestylt worden seien. Vereine und Spieler hatten stets beteuert, selbst Hand angelegt oder Bekannte um Hilfe gebeten zu haben.

Tattoo-Vorfall von Corentin Tolisso und Party-Eskapde von Breel Emoblo sorgen für Kopfschütteln

Dieses Argument sei bei aller Kritik nicht von der Hand zu weisen, findet Josipa Germek: „Man weiß einfach nicht, wer ihnen die Haare geschnitten hat.“ Hoeglauer vom SVP mag das nicht glauben, auch Gräfelfings Stigloher sagt: „Da darf es keine Ausnahmen geben.“ Dass es die Profis mit den Regeln nicht ganz so eng sähen, habe die jüngere Vergangenheit gezeigt, so Hoeglauer, der als Beispiele den Tattoo-Vorfall von Bayerns Corentin Tolisso oder die nächtliche Party-Eskapade von Gladbachs Breel Embolo aufzählt.

Leisere Töne schlägt Wolfgang Wadlinger an. Der Jugendleiter des TSV Pentenried gibt zu bedenken, dass man nicht immer alles auf die Goldwaage legen sollte. „Das sind großteils noch junge Leute, die machen Fehler“, sagt Wadlinger. Dennoch sieht auch er die Sonderstellung kritisch, die sich einige Profis offensichtlich herausnehmen. Sein Vorschlag für die Jugendarbeit: „Man muss es den Kindern anhand von Negativbeispielen erklären, ohne gleich draufzuhauen. Mir ist es wichtig, Respekt und Rücksichtnahme zu vermitteln.“ Christian Stigloher sieht das ähnlich: „Respektloses Verhalten, wie jemanden anzuspucken, geht überhaupt nicht. Das sollte von den Klubs viel stärker sanktioniert werden. Unabhängig von Corona.“ Gräfelfings Abteilungsleiter resümiert: „Den Kindern ein Vorbild.“ Und auch das: unabhängig von Corona.

(MICHAEL GRÖZINGER)

Aufrufe: 018.2.2021, 11:30 Uhr
Münchner Merkur (Würmtal) / Michael GrözingerAutor