2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Antonia Popp (Mitte) spielt mit der U15 des SV Uffing eine erfolgreiche Saison. Andreas Mayr
Antonia Popp (Mitte) spielt mit der U15 des SV Uffing eine erfolgreiche Saison. Andreas Mayr

Frauenfußball im Landkreis GAP: Zuversicht und Zweifel

Trainer äußern sich besorgt um den Nachwuchs

Der Frauenfußball im Landkreis Garmisch-Partenkirchen macht sich Sorgen um den Nachwuchs. Der SV Uffing geht mit gutem Beispiel voran.

Landkreis – Clarissa Seidl kannte man in Uffing als das Mädchen, das Fußball spielte. Ihr Bruder Christoph schoss die Tore für die E-Jugend. Weil sie ihrem großen Bruder immer alles nachgemacht hat, fing auch sie mit dem Fußballspielen an. Die kann ja mal mitkommen, sagten die Trainer. Clarissa Seidl kam, und zur Überraschung aller ging sie nie wieder. „Ich war das erste Mädchen“, sagt sie heute. Frauen und Fußball gehörten in Uffing noch nicht zusammen. Die Geschichte ist etwa 15 Jahre alt.

SV Uffing geht mit gutem Beispiel voran

Als Seidl erzählt, wie sie sich gegen ihren Bruder und seine Freunde behauptet hat, entfährt es Sophie Dinges: „Jetzt haben sie den Salat.“ Die Freundinnen lachen. Mittlerweile kämpft Uffing um seinen Burschen-Bereich. Mit Spielgemeinschaften stemmt sich der SVU gegen die Spieler-Not. Bereits in der E-Jugend helfen die Nachbarn aus Seehausen. Die Damen-Abteilung, die ebenfalls mit Seehausen kooperiert, steht vor einer anderen, neuen Aufgabe. Die jüngeren Mädchen im Ort sehen die Ligapartien der B- und C-Jugendlichen. „Die wollen auch spielen, kommen auf uns zu“, erklärt Dinges. Über den Winter zimmert Uffing das Grundgerüst für eine D-Jugend, bietet sonntags zwischen 15.30 und 17 Uhr in der Seehauser Halle ein Schnuppertraining an. „Die neue D-Jugend ist eine Riesen-Chance“, betont Dinges, die mit Seidl und Alexander Burkart den Frauen-Bereich leitet. Training von der U13 bis hinauf in den Senioren-Bereich für Mädchen bietet kein anderer Verein im Landkreis. „Wir fallen auf“, sagt die 26-Jährige. Noch vor zehn Jahren hat man die Frauen und ihren Sport in Uffing belächelt. Lange überlebe dieses Gebilde, eine Spielgemeinschaft mit Böbing, eh nicht, hieß es. Mittlerweile organisieren die Frauen einen Glühweinstand, beteiligen sich an Beer-Pong-Turnieren der Männer, übernehmen Aufgaben im Verein und erhalten im Gegenzug „riesengroße Unterstützung“ von Abteilungsleiter Klaus Staltmeier.

Edi Koller: „Uffing wird irgendwann übrig bleiben“

Längst blickt der eigentlich große Nachbar aus Murnau neidisch auf den Dorfverein und sein Frauen-Imperium. „Uffing wird irgendwann übrig bleiben“, sagt Edi Koller, Trainer des erfolgreichsten Frauen-Teams der Region. Als Zweiter pokert der TSV noch mit um den Aufstieg in die Landesliga. Doch wofür sollte sein Team aufsteigen, fragt Koller. Für stundenlange Auswärtsfahrten? Für Niederlagen gegen übermächtige Gegner? Und nein, für die Zukunft gewiss gar nicht. In fünf Jahren, schätzt Koller, stößt Murnau an einen Punkt, an dem man über den Sinn des Frauen-Teams diskutieren wird. Seine Fußballerinnen sind im kritischen Alter zwischen 25 und 30, planen die Familie, denken an Kinder. Schon nächste Saison sieht der Trainer als problematisch. Das Personal reicht nicht mehr für zwei Mannschaften, die Reserve dürfte als erste sterben. So sieht der Anfang vom Untergang eines Teams häufig aus. Die aktuellen Erfolge wertet Koller als Momentaufnahme, als Ausnahmejahr. „Der Weg geht nach unten.“ Wahrscheinlich endet der Murnauer Höhenflug, wie er begonnen hat. Durch den Zusammenschluss mit Schlehdorf, das den schleichenden Niedergang zuvor erlebt hatte, päppelte der TSV seinen Kader auf. Retten könne man Murnau nur mit einer weiteren Kooperation. „Anders wird’s nicht gehen“, glaubt Koller. „Oder sie laufen uns davon.“ Der unaufhaltsame Kreislauf, dem der Frauen-Fußball scheinbar unterliegt, erfasst auch den TSV.

Einziger Ausweg Jugendarbeit

Es gibt nur einen Ausweg: Jugendarbeit. In Uffing, Farchant und vor allem Huglfing ziehen die Klubs sich Fußballerinnen heran. Beim TSV habe man immer geredet und probiert, sagt Koller. An den Voraussetzungen dürfte es seiner Meinung nach nicht scheitern. Als großer Talente-Produzent des Landkreises beheimatet der TSV über 500 Jugend-Kicker. Vielmehr beklagt Koller fehlende Anerkennung im Verein. Selbst nach neun Jahren Frauen-Fußball akzeptiert noch nicht jeder seine Spielerinnen. Im Bezug auf Nachwuchsarbeit „stößt du völlig auf taube Ohren“. Koller verweist auf die Handballer und Basketballer, die seit Jahren Mädchen trainieren und im Ligabetrieb an den Start schicken. „Ein Mädchen will doch im Grunde alles ausprobieren.“ In Forstern, einem 3000-Menschen-Ort, gebe es über 100 Fußballerinnen. „Da wird alles getan.“ In Murnau wie in Oberau „ist das verschlafen worden“, klagt der Ohlstädter.

Markus Schmidt: „Fußball hat nicht mehr den Stellenwert wie früher“

Kollege Markus Schmidt aus Oberau geht noch weiter und macht ein gesellschaftliches Problem aus, das selbst den männlichen Bereich trifft, wenn auch weniger hart. „Fußball hat nicht mehr den Stellenwert wie früher“, sagt der Trainer. Im Sommer habe der benachbarte wie befreundete TSV Farchant ein Probetraining für Mädchen angeboten. Eine war da. „Das Interesse nimmt ab.“ Gleichzeitig formieren sich deutlich mehr Frauen-Teams als früher. Murnau, Oberau, Uffing, Grainau, Garmisch-Partenkirchen/Farchant, Krün – „zu viele“, findet Schmidt. Frauen gehe es um den Spaß mit den Freundinnen, weniger um die Liga, in der sie antreten. Entsprechend klein sind die Kader der Klubs. Oberau quälte sich mit einer Mini-Besetzung durch die Hinrunde in der Bezirksoberliga. „Wenn es so weitergeht, gibt es uns in fünf Jahren nicht mehr“, sagt der Coach. Oberau beschäftigt sich mit Planspielen für die Zukunft. Möglich ist eine Partnerschaft mit dem 1. FC und Farchant oder ein Rückzug in die Kleinfeld-Liga, wo der FCO nach den glorreichen 1990er Jahren schon einmal neu gestartet hat. So sehr sich die Frauen-Sparte ein Jugendteam wünscht, „wir haben einfach nicht die Mädchen dafür“. Wer Lust hat im Loisachtal, kickt in Farchant, in der U17. Seit zwölf Jahren betreut Fritz Dewald dort ein Jugendteam – das einzige neben dem Zusammenschluss aus Uffing und Seehausen.

Am Staffelsee verfolgen die Macher große Pläne. Sophie Dinges sieht Potenzial, in den nächsten Jahren aus der Kreisliga aufzusteigen. „Wenn alles so zusammenbleibt“, schränkt sie ein. Die C-Jugend, das Juwel der Abteilung, zerschießt und dominiert ihre Liga, führt die Tabelle mit 58:3-Toren ohne Punktverlust an. „Die Mädchen würden am liebsten viermal pro Woche trainieren.“ Doch auch in Uffing wissen sie, dass ihr Konstrukt ein zerbrechliches ist. Abitur, Studium, Kinder – auf einmal „sind alle weg“, sagt Clarissa Seidl. Übrig bleibt am Ende der harte Kern, für den Fußball zum Teil des Lebens geworden ist.

Text: Andreas Mayr

Aufrufe: 013.3.2020, 11:37 Uhr
Garmisch-Partenkirchner Tagblatt / Andreas MayrAutor