2024-05-02T16:12:49.858Z

Team Rückblick
Marco Grüttner (li.), Enzo Marchese: Riesenjubel bei den Kickers nach dem Drittliga-Klassenverbleib 2013  am Darmstadter Böllenfalltor. Foto: Pressefoto Baumann
Marco Grüttner (li.), Enzo Marchese: Riesenjubel bei den Kickers nach dem Drittliga-Klassenverbleib 2013 am Darmstadter Böllenfalltor. Foto: Pressefoto Baumann

Schon wieder ein Herzschlagfinale für die Blauen

Am Samstag steht für die Stuttgarter Kickers ein Endspiel in Hoffenheim um den Klassenverbleib in der Regionalliga Südwest an. Wir wagen einen Blick in die Historie der Abstiegs-Endspiele.

Die Blauen zwischen Hoffen und Bangen: Gelingt an diesem Samstag in Hoffenheim auf den letzten Drücker der Regionalliga-Klassenverbleib? Ein Punkt reicht. Doch das ging schon einmal schief. Wie ein Blick in die Historie der Abstiegs-Endspiele zeigt.

Die Spannung steigt: An diesem Samstag (14 Uhr) geht es für die Stuttgarter Kickers bei der TSG 1899 Hoffenheim II am letzten Spieltag der Fußball-Regionalliga um den Klassenverbleib. Nicht zum ersten Male stehen die Blauen am Saisonende in einem „Endspiel“. Die Spielklasse wird allerdings immer tiefer.

1989

Axel Dünnwald-Metzler wettete sogar seine geliebten Zigaretten. „Wenn wir doch noch in der Bundesliga bleiben, höre ich mit Rauchen auf“, hatte der damalige Präsident vor der Partie gegen den 1. FC Nürnberg versprochen. Es reichte zwar zu einem 1:0 – am Ende fehlte zum Klassenverbleib ein Punkt, am Relegationsplatz schrammten die Blauen wegen gerade mal vier Toren vorbei.

1991

Auf dem Weg zurück in die Bundesliga zeigten die Blauen keine Nerven: Gegen den FC St. Pauli gab es im Relegationsentscheidungsspiel in Gelsenkirchen ein 3:1. Die Kickers waren erst 40 Minuten vor dem Anpfiff angekommen. Busfahrer Willi Mast, der den Kickers immer noch treu ist, traf keine Schuld. Der Stau war nicht vorhersehbar.

1992

An der Spitze machte der VfB am letzten Spieltag die Meisterschaft perfekt, im Keller schlugen die Kickers den VfL Bochum 2:0. „Wir dachten danach, wir sind durch“, erinnert sich der Ex-Spieler Ralf Vollmer. Doch Wattenscheid 09 machte gegen Borussia Mönchengladbach aus einem 0:2 noch ein 3:2 und hatte am Ende einen Punkt mehr auf dem Konto. „Bitterer ging’s wirklich nicht“, sagt Vollmer im Rückblick.

1994

Trotz 16 Saisontoren von Fredi Bobic stand schon am vorletzten Spieltag nach dem 2:2 bei TeBe Berlin der Abstieg in die Regionalliga fest. Das Hauptmanko: Einigen Spielern fehlte damals die Identifikation mit dem Verein. „Wir hatten zu viele Söldner drin“, weiß Stefan Minkwitz. Der spätere Kickers-Trainer gehörte nicht dazu. Er gab damals alles, kam allerdings nur auf 19 Einsätze und wechselte nach der Saison zu Fortuna Düsseldorf.

2000

Der Abstieg des KSC aus der zweiten Liga hatte schon länger festgestanden, die Blauen konnten mit einem Sieg drinbleiben. 3000 Fans waren von Stuttgart nach Karlsruhe gepilgert – und erlebten die schlimmste Psychofolter der blauen Art. Tomislav Maric hatte das 1:0 geschossen, der KSC glich aus. „Wir hatten Blei in den Beinen, nichts ging mehr“, erinnert sich Minkwitz, der 1996 zu den Blauen zurückgekehrt war. Das 1:1 hätte den Kickers zur sportlichen Rettung ­gereicht – wäre nicht dem FC St. Pauli in letzter Sekunde gegen RW Oberhausen der Ausgleich gelungen. „Lebbe geht weider“, sagte sich Kickers-Coach Dragoslav Stepanovic. Für ihn zwar nicht in Degerloch – aber für die Blauen dank des Lizenzentzugs von TeBe Berlin doch noch in Liga zwei. Für die Kickers war damals ein Spieler am Ball, der inzwischen Schalke 04 in der Bundesliga trainiert: Markus Weinzierl.

2008

Am 31. Mai ging es für die Kickers am letzten Spieltag bei der SV Elversberg um die Qualifikation zur neu gegründeten dritten Liga. Ein Sieg war Pflicht, gleichzeitig durfte der SSV Reutlingen bei den SF Siegen nicht gewinnen. Beides traf ein. Die Blauen gewannen durch Tore von Marco Tucci und Angelo Vaccaro mit 2:0, Reutlingen verlor mit 1:2. „Wir haben es geschafft, weil jeder für den anderen Gas gegeben hat und wir trotz der Hektik im Umfeld die Ruhe bewahrt haben“, erinnert sich der damalige Trainer Stefan Minkwitz.

2013

„Die Anspannung war riesig“, weiß der damalige Kickers-Abwehrchef Julian Leist noch heute, wenn er auf das Abstiegsendspiel bei Darmstadt 98 angesprochen wird. „Wir haben uns gegenseitig gepuscht und 90 Minuten lang alles rausgehauen.“ Am Ende gab es vor 13 600 Zuschauer am Böllenfalltor ein 1:1. Kevin Dicklhuber hatte die Kickers mit 1:0 in Führung gebracht (11.), Elton da Costa (84.) glich aus. Mit viel Leidenschaft und Glück brachten die Blauen das Unentschieden über die Zeit. Das Team von Trainer Massimo Morales blieb in Liga drei. Darmstadt mit Coach Dirk Schuster war sportlich abgestiegen. Der Ex-Kickers-Trainer konnte sein folgendes Fußballmärchen mit den Lilien nur starten, weil Kickers Offenbach keine Lizenz erhielt. „Wahnsinn, welche Geschichten der Fußball schreibt“, sagt Leist.

2016

Dieses Drehbuch hätte Alfred Hitchcock nicht dramatischer schreiben können: Die Kickers benötigten gegen den Chemnitzer FC (für den es um nichts mehr ging) noch ein Pünktchen für den Drittliga-Klassenverbleib, kassierten aber vor 5970 Zuschauern in der 87. Minuten durch Anton Fink das Gegentor zum 0:1. Schlussoffensive? Fehlanzeige! Stattdessen beorderte Trainer Tomislav Stipic wild gestikulierend seine Spieler nach hinten, „weil wir davon ausgegangen sind, dass der SV Wehen Wiesbaden mit 2:1 führt und wir nicht noch das 0:2 bekommen wollten“. Das hätte den Kickers gereicht, aber es passte ins Bild, dass ausgerechnet der Lokalrivale VfB Stuttgart II Schicksal für die Kickers spielte, indem er noch den dritten Gegentreffer in Wiesbaden kassierte und die Blauen so mit in die Regionalliga zog.

Nach einer kurzen Schockstarre sorgte eine Minderheit von sogenannten Fans für einen weiteren chaotischen Schlusspunkt, stürmte den Platz und attackierte Spieler. Die Mannschaft verschwand fluchtartig in den Katakomben, während der damalige Sportdirektor Michael Zeyer vor den Fernsehkameras sagte: „Das ist natürlich ein Scheitern – und dafür muss ich mit Verantwortung übernehmen.“ Er blieb aber doch im Amt – bis Oktober 2016. „Wer damals in Degerloch dabei war, möchte so einen Horrortag nicht noch einmal erleben“, sagt Kickers-Spieler Sandro Abruscia. An diesem Samstag in Hoffenheim fehlt der Allrounder verletzt. „Wir packen das“, ist er sich sicher. Wenn nicht bliebe noch der Strohhalm, dass Waldhof und Elversberg den Drittliga-Aufstieg schaffen. Doch die Blauen wollen es aus eigener Kraft klar machen.

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Aufrufe: 019.5.2017, 12:45 Uhr
Stuttgarter Nachrichten / Jürgen FreyAutor