2024-04-25T14:35:39.956Z

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Der Ranstädter Joachim Weis sammelte viel Erfahrung und gibt sie gerne weiter: Hier in einem Fußballcamp in einer chinesischen Hochschule.	Foto: privat
Der Ranstädter Joachim Weis sammelte viel Erfahrung und gibt sie gerne weiter: Hier in einem Fußballcamp in einer chinesischen Hochschule. Foto: privat

Ende einer erfolgreichen Ära

KOL BÜDINGEN: +++ Nach 15 Jahren gibt Joachim Weis das Traineramt beim Fußball-Kreisoberligisten SV Ranstadt ab +++

Ranstadt. Vor zehn Jahren stieg der SV Ranstadt in die Fußball-Kreisoberliga Büdingen auf und hat diese trotz einiger enger Abstiegskämpfe seither immer halten können. Maßgeblich am Erfolg beteiligt war Trainer Joachim Weis, dessen Ära nun an der langjährigen Wirkungsstätte endet. Nach nunmehr 15 Jahren gibt der Übungsleiter den Staffelstab an Maciej Wolodczenko weiter. Der 51-jährige bedauert zwar ein wenig, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Saison vorzeitig abgebrochen wird und sein Abschied auf dem grünen Rasen daher ausfällt und eher geräuschlos passiert, allerdings hält sein Verein – und das ist für den Trainer viel wichtiger – durch die Entscheidung einmal mehr die Klasse und freut sich nun auf die elfte Saison in Folge im Büdinger Oberhaus.

Als Corona-Profiteur sieht Joachim Weis seine Mannschaft jedoch nicht, dass es aufgrund des bevorstehenden Saisonabbruchs keine Absteiger gibt, hält er für gerechtfertigt. „Wir haben häufig eine gute Rückrunde gespielt und es wären ja auch noch elf Spiele auszutragen gewesen.“ Womöglich hätte der SVR einmal mehr das Wunder Klassenerhalt geschafft. „Wir haben in der Hinrunde viele Spiele nur knapp verloren und mit Neuzugang Maciej Wolodczenko und Oliver Haas hätten dem Team in der Rückserie auch zwei starke Spieler wieder zur Verfügung gestanden.“ Eine Herkulesaufgabe wäre die neuerliche Rettung freilich dennoch geworden: Mindestens sieben Punkte hätte der SV Ranstadt aufholen müssen.

Da mit den Sportfreunden Oberau und dem VfR Wenings zwei Büdinger Kreisvereine in der Gruppenliga Frankfurt Ost akut abstiegsbedroht waren, drohte zudem eine verschärfte Abstiegsregelung in der Kreisoberliga. Am Ende wären wohl drei Teams direkt abgestiegen, der Viertletzte in die Relegation mit dem A-Liga-Dritten gegangen.

Viele sportliche Momente der zurückliegenden Jahre werden Joachim Weis in guter Erinnerung bleiben. Die beiden Aufstiege aus den Kreisligen B und A, die nach gewonnenen heißen Relegationsduellen gegen den FSV Dauernheim und die SG Hettersroth/Burgbracht gefeierten Klassenerhalte und auch seinerzeit der Aufstieg mit den A-Junioren in die Gruppenliga Frankfurt.

Weis hat stets die Jugendarbeit in seinem Verein forciert, aktiv bei der Talentförderung mit angepackt und durfte so als Seniorentrainer auch die Früchte der eigenen Arbeit ernten. „Mit Ausnahme eines einzigen Spielers habe ich alle anderen des Kaders der ersten Mannschaft irgendwann schon als Jugendspieler betreut“, erzählt der Berufsschullehrer stolz. Dass es der SV Ranstadt in all den Jahren immer geschafft hat, die Kreisoberliga zu halten, sei deswegen umso höher einzuschätzen, betont der Trainer.

Als aktiver Spieler war Joachim Weis einst ligahöchst für den SV Reichsheim als Stürmer am Ball, als (Spieler)-trainer fungierte er zudem später zuerst beim SV Ranstadt, danach beim TSV Stockheim, Germania Ortenberg, der SG Steinberg/Glashütten und dem FC Rommelhausen. Mit der Rückkehr zum SVR etablierte sich der Pädagoge bei seinem Heimatverein zum Langzeittrainer, gestaltete gemeinsam mit führenden Vereinsköpfen wie dem langjährigen Vorsitzenden Gerhard Herche oder dem Nachwuchsfußballexperten Peter Teichler die Strukturen im 1911 gegründeten Sportverein maßgeblich mit. Mit Weis als Triebfeder scheute sich der SVR nicht vor gesellschaftspolitischen Projekten und war unter anderem bei der Integration von Flüchtlingen einer der führenden Kreisvereine.

„Bei uns gibt es keine Anreizsysteme, wir können Spieler nicht monetär entlohnen“, spricht Joachim Weis über das schwierige, aber eben auch lohnenswerte Konzept, ausschließlich auf die Ausbildung eigener Jugendspieler zu setzen. Entsprechend hoch sei die Identifikation mit dem Verein. Mit seinem Rückzug will Weis nun den Weg für frischen Wind freimachen und hofft, dass seine Jungs bereit sind, ohne ihn jetzt mehr Verantwortung zu übernehmen. In den vergangenen Wochen hat er bereits seinen Nachfolger ein wenig einarbeiten können, Stück für Stück Maciej Wolodczenko Trainingsinhalte eigenständig gestalten lassen. Sofern der scheidende Langzeitcoach kein Engagement bei einem anderen Verein eingeht, wird er die Jugendarbeit des SVR weiterhin begleitend unterstützen, sich aus den Belangen des Seniorenkaders aber völlig raushalten. „Solch ein Spannungsfeld will ich erst gar nicht aufbauen“.

Klar bleibt Joachim Weis dem SVR weiterhin verbunden und drückt seinen Jungs auch weiterhin die Daumen. In all den Jahren sind schließlich viele Freundschaften entstanden.

„Ich habe mich immer versucht als Trainer weiterzuentwickeln, sonst hätte ich nie so lange in einem Verein arbeiten können, man kann ja schließlich nicht immer gleiche Ansprachen und Inhalte anbieten“, erzählt Weis. Er hospitierte bei vielen Profivereinen, schaute unter anderem den deutschen Meistertrainern Jürgen Klopp und Thomas Schaaf bei ihrer Arbeit über die Schulter. Zuletzt war Joachim Weis in den Herbstferien für eine Universität in Peking tätig. Wäre Corona nicht gekommen, so wäre Weis in diesem Sommer erneut für vier Wochen in die chinesische Metropole gereist, wo seine Expertise beim Aufbau eines Nachwuchsfußballzentrums gefragt ist.

Doch wie geht die Trainerkarriere von Joachim Weis weiter? „Ich möchte an vordererster Front kein Traineramt mehr im Seniorenbereich übernehmen“, legt sich der 51-Jährige fest. Reizen könnte ihn sehr wohl ein Co-Trainerjob an der Seite eines jungen Spielertrainers. Klar scheint: Die nächste Aufgabe von Joachim Weis wird keine 15 Jahre am Stück andauern. Eine solche Rekordzeit für einen Trainer ist ungewöhnlich und vermutlich nur bei einem absoluten Herzensverein möglich. Foto: fs



Aufrufe: 018.6.2020, 08:00 Uhr
Frank SchneiderAutor