2024-05-10T08:19:16.237Z

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Kontrastprogramm: Noch vor wenigen Monaten stand Florian Rieder für das Universitätsteam aus Boston auf dem Fußballplatz (l.). Mittlerweile ist der ehemalige Kapitän der A-Junioren des SV Planegg-Krailling in seine Heimat zurückgekehrt. Die Corona-Pandemie hat ihn zur Abreise aus den USA gezwungen.
Kontrastprogramm: Noch vor wenigen Monaten stand Florian Rieder für das Universitätsteam aus Boston auf dem Fußballplatz (l.). Mittlerweile ist der ehemalige Kapitän der A-Junioren des SV Planegg-Krailling in seine Heimat zurückgekehrt. Die Corona-Pandemie hat ihn zur Abreise aus den USA gezwungen. – Foto: Privat

Zwischen USA und SVP: Rieders Fußball-Traum und die Corona-Probleme

Zwei Welten

Florian Rieder war Kapitän der A-Junioren des SV Planegg-Krailing. Mit einem Fußball-Stipendium ist er in den USA - eigentlich. Wann er wegen der Pandemie zurück kann, ist offen.

VON TOBIAS EMPL

Planegg/Boston – In der vergangenen Woche hat die US-Regierung die Ausweisung von ausländischen Studierenden angekündigt, an deren Universitäten coronabedingt nur Online-Unterricht angeboten wird. Doch mehr als 200 Universitäten zogen geschlossen vor Gericht – und bekamen Recht. Auch wer nur online unterrichtet wird, darf in den USA bleiben. Doch gibt es auch viele Studierende, die sich derzeit in Europa aufhalten und weiterhin um ihre Rückkehr in die USA bangen. So wie Florian Rieder, ehemaliger Kapitän der U19 des SV Planegg-Krailling und Student an der Boston University.

„Man weiß nicht, was passieren wird, und die Beteiligten vor Ort wissen es auch nicht genau“, sagt Rieder, der seit fast vier Monaten wieder zu Hause in München ist. Nach dem Abitur 2018 wagte er mit Hilfe eines Fußballstipendiums den Sprung in die Vereinigten Staaten (wir berichteten). Nach einem Jahr in der Kleinstadt Hastings im Bundesstaat Nebraska zog es den heute 20-Jährigen in die Universitätsstadt Boston, wo er an der Boston University studiert und für das Universitäts-Fußballteam, die Boston Terriers, spielt. Auch in seinem zweiten Jahr in den USA hatte er sich wohlgefühlt, kam mit dem gestiegenen Niveau der Kurse gut zurecht und war bei seinem neuen Team unumstrittener Stammspieler. Auch wenn ihn zwischenzeitlich eine Verletzung am Sprunggelenk ausbremste. Entsprechend positiv fällt Rieders bisheriges Fazit aus. Er sagt: „Ich habe den Schritt nach Boston nicht bereut. Es ist eine tolle Stadt, man kann dort viel machen. Und auch die Betreuung an der Uni ist sehr gut.“

Anfang des Jahres bereitete sich der Ex-Planegger mit seiner Mannschaft auf die kommende Saison vor. Doch dann kam Corona. „Als es in den USA offiziell noch gar keine Fälle gab, hat unsere Teamärztin uns schon darauf hingewiesen, auf Social Distancing zu achten“, sagt Rieder. „Manche haben auch angefangen, Masken zu tragen.“ Während der einwöchigen Spring-Break-Pause Anfang März wurde den Athleten empfohlen, nicht weit wegzufahren. Rieder hielt sich daran, blieb am Campus. Damals galt die Situation in den USA im Vergleich zu Europa noch als ungefährlich. „Es hieß, in Deutschland wird es immer schlimmer. Täglich gab es neue News und ich habe oft zu Hause angerufen. Das war schon eine schwierige Zeit“, erinnert er sich.

Doch plötzlich ging auch in den USA alles ganz schnell. Rieders Universität stellte wie die großen Nachbarn Harvard und MIT auf Online-Lehre um. Der Campus wurde geschlossen. Wer schon weg war, wurde angewiesen, nicht zurückzukehren. Alle anderen hatten vierzehn Tage Zeit, um den Campus zu verlassen. Rieders Flug wurde viermal geändert, zwischendurch hieß es, er müsse in Amsterdam am Flughafen übernachten. Am 18. März saß er schließlich im Flugzeug von New York nach München. „Ich war fast der Einzige im Flugzeug mit Maske – dabei war New York damals schon ein Hotspot“, sagt Rieder verwundert.

Zurück in Deutschland begab er sich freiwillig für 14 Tage in häusliche Quarantäne, folgt dem Unterricht seitdem über Video-Konferenzen und erhält wöchentlich einen Trainingsplan. Zunächst einmal war er aber ziemlich froh, zu Hause in Deutschland zu sein. Die Zahl der Corona-Infizierten und Toten in den USA stieg dramatisch, und Boston war neben New York eine der am stärksten betroffenen Städte. Ein Mitspieler Rieders, wie er 20 Jahre alt und eigentlich topfit, erkrankte an Covid-19. „Er hat erzählt, dass er eine Woche lang Probleme hatte zu atmen und insgesamt nur sechs Stunden geschlafen hat. Und dass er die Krankheit nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht.“

Home-Uni statt Fußball-Stipendium: Das Coroanvirus zwingt Florian Rieder an den Schreibtisch.

Als wäre das alles nicht genug, sorgte mitten in der Pandemie-Hochphase auch noch das Video von der brutalen Ermordung des Afro-Amerikaners George Floyd durch einen Polizisten für eine Welle der Wut im gesamten Land. Einige von Rieders Freunden besuchten die Black-Lives-Matter-Demos in den USA – und machten schlechte Erfahrungen. „Sie haben gesagt, dass eigentlich alles friedlich war und die Polizei dann trotzdem Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt hat.“ Rieders Universität berief in der Folge außerplanmäßige Videokonferenzen zum Thema Rassismus ein.

Noch lange sind die Probleme in den USA nicht gelöst, weder die Rassismus-Thematik, noch die akute Bedrohung durch die Corona-Pandemie. Doch Rieder hat nicht nur die negativen Seiten der USA erlebt, die derzeit das Nachrichtenbild dominieren. An seiner Universität fühlt er sich akademisch, sportlich und auch medizinisch gut aufgehoben. Die Studierenden sollen im kommenden Semester regelmäßig auf Corona getestet werden, die Sportler sogar drei bis viermal pro Woche. Daher hätte er auch wenige gesundheitliche Bedenken wieder einzureisen, sobald es möglich ist. Auch die Zahl der Infizierten ist an der Ostküste inzwischen relativ niedrig. Doch noch immer gibt es viele Unwägbarkeiten. Am Dienstag erfuhren die Fußballer der Boston University in einer kurzfristig anberaumten Video-Konferenz, dass die Saison nicht wie geplant im September starten wird. Ob sie aber komplett ausfällt oder nur verschoben wird, konnte niemand beantworten.

Eigentlich wollte Rieder am 10. August wegen des Trainingsstarts in den Flieger steigen. Nach derzeitigem Stand der Dinge dürfte er dann in den USA immerhin wieder mit seinem Fußballteam trainieren, und an der Boston University soll auch teilweise Unterricht am Campus möglich sein. „Ich würde gerne wieder zurück. Ich möchte nicht nur online von München aus studieren, sondern währenddessen auch in den USA leben“, betont Rieder. Doch noch immer gilt der am 13. März verordnete EU-Einreisestopp.

Noch hat er zwei Jahre Studium vor sich und ist weiterhin begeistert von den Möglichkeiten, die sich ihm in den USA bieten, Studium und Sport zu verbinden. Doch ob er diese Möglichkeiten auch im kommenden Semester bekommt, ist derzeit noch ungewiss.

Aufrufe: 016.7.2020, 10:22 Uhr
Münchner Merkur (Würmtal) / Tobias EmplAutor