2024-05-02T16:12:49.858Z

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Legen den Nachhaltigkeitsbericht vor: Günter Distelrath, Fritz Keller, Frank Schmidt (von links). Foto: Manfred Finger
Legen den Nachhaltigkeitsbericht vor: Günter Distelrath, Fritz Keller, Frank Schmidt (von links). Foto: Manfred Finger

Der organisierte Fußball kämpft um Nachhaltigkeit

DFB-Präsident Keller zu Gast beim Niedersächsischen Fußball-Verband / „Ohne Spielbetrieb ist alles nichts“

„Stellt sich der Fußball nicht nachhaltig auf, stellt er sich ins Abseits!“ Diesen prägnanten Satz wiederholte Präsident Günter Distelrath in Barsinghausen wie ein Mantra bei der Vorstellung des zweiten Nachhaltigkeitsberichts seines Niedersächsischen Fußball-Verbandes (NFV), den der Osnabrücker Frank Schmidt als NFV-Präsidiumsmitglied federführend erarbeitet hat.
Hochglanz-Hefte zum Thema Nachhaltigkeit nutzen auch Unternehmen gern, um ihr soziales Handeln für die Gesamtgesellschaft ins rechte Licht zu rücken. Für den organisierten Fußball ist das NFV-Werk ein Leuchtturmprojekt, weil Niedersachsen weiter der einzige Landesverband in Deutschland ist, in dem sich Funktionäre dauerhaft und koordiniert – also nachhaltig – mit dem Thema beschäftigen. So nutzte vor Ort sogar Fritz Keller als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Strahlkraft der offiziellen Präsentation des Werkes.
„Warum es das woanders nicht in diesem Maße gibt? Das liegt immer auch an den handelnden Personen“, sagte Keller. Niedersachsen sei hier Vorbild, NFV-Präsident Distelrath sei zu diesem Thema eine wichtige Stimme im DFB, so Keller weiter. Dass sich Sachthemen in diesem Fall mit loyalen persönlichen Beziehungen verknüpfen lassen, dürfte auch relevant sein für einen DFB-Präsidenten im heißen Machtkampf um die Deutungshoheit im eigenen Verband mit Generalsekretär Friedrich Curtius.

Wofür Nachhaltigkeit im Fußball überhaupt steht und welchen Stellenwert sie hat, hatten zuvor Distelrath und Schmidt erläutert: Es geht nicht nur um Umwelt- und Klimaschutz, auch um Unterstützung für Ehrenämtler, die Förderung der Jugend, die Ausbildung guter Trainer, das Sicherstellen von Vielfalt und des friedlichen Miteinanders auf und neben dem Feld. Es geht um das große Ganze. „Einen Kompass für die Zukunft“, nannte es Distelrath und ergänzte: „Der Schwerpunkt ist die Sicherstellung des Spielbetriebes. Ohne den ist alles nichts.“

Ist aktuell also alles nichts, weil der Fußball ruht in der Pandemie? „Fakt ist: Das wirft uns in allen Belangen zurück“, sagte Schmidt. Umso mehr müsse man innovativ sein, etwa bei der Wandlung von althergebrachten Profilen im Ehrenamt zu projektbezogenem Arbeiten, was für junge Leute attraktiver sei. „Das passt mehr in die Zeit, in der Menschen Wohnorte und Lebensumstände wechseln“, erklärte Schmidt.

Zu denken gibt Distelrath, dass Corona den Aderlass bei der Anzahl von jungen Fußballtalenten, etwa bei Sechs- bis Achtjährigen, massiv verstärke. So haben die Funktionäre bei allen Detailmaßnahmen abseits des Spiels vor allem den Restart nach Corona im Sinn. Clubs dabei finanziell direkt fördern könne man nicht, weil Verbände zur Gemeinnützigkeit verpflichtet seien, sagte Distelrath. Helfen werde man, wo es gehe: mit Hinweisen auf Förderprogramme von dritter Seite sowie der Schaffung bestmöglicher Bedingungen seitens der Spielausschüsse. Die Rückkehr des Spielbetriebes soll bald die integrative Kraft des Fußballs endlich wieder entfalten: In 2653 Vereinen, über 15 000 Mannschaften und bei 620 000 Mitgliedern in Niedersachsen, wie Distelrath aufzählte.


Es war die Vorlage für Keller, selbst zu punkten mit bundesweit sieben Millionen DFB-Mitgliedern in 25 000 Clubs. Der Präsident erinnerte daran, welch enorme Integrationsleistung der Fußball erbringe – wenn er stattfinde. „Begegnungen reduzieren Ängste, Vorurteile werden abgebaut“, sagte Keller, ehe er die Politik aufforderte, weiter für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen. Hier klang die Haftung mit eigenem Vermögen als Bremser ehrenamtlichen Engagements ebenso an wie der teils stockende Sportstättenbau.
Ins Stolpern geriet Keller beim Vortrag von Fakten zum ideellen wie monetären Wert des Breitensports Fußball: Er vergaß wichtige Bezugsgrößen, als er „13,9 Milliarden Amateurfußball-Sozialrendite“ erwähnte (In Euro? Pro Jahr?) – oder das Schweizer Studienresultat, nachdem „jede Investition in den Fußball 50 Franken an die Gesellschaft zurückgibt“ (bei wie hohen Investitionen?). Hier erreichte er die Zuhörer nicht wirklich nachhaltig.

So blieb als Frage, wie der DFB ein nachhaltiges Image glaubwürdig vertreten kann, wenn er jahrelang Schlagzeilen fast nur mit Personalquerelen und Skandalen macht. Hier wurde Keller plötzlich ganz klar: „Bald kommt der Bericht zur Generalinventur, den ich mitinitiiert habe und der viel offenlegen wird, was vor meiner Zeit als DFB-Präsident passiert ist. Danach werden wir eine neue Organisation sein, mit Transparenz. Das bleibt mein Ziel, davon weiche ich nicht ab.“

Eine nachhaltige Erneuerung. Klingt beim DFB fast zu schön, um wahr zu sein.
Aufrufe: 05.2.2021, 18:00 Uhr
Benjamin Kraus / NOZ SportAutor