2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Für Christian Lüllig steht jetzt erstmal das private Glück mit dem zweiten Kind im Vordergrund. Eine Tätigkeit als Funktionär beim SV Gonsenheim ist weiterhin nicht ausgeschlossen.
Für Christian Lüllig steht jetzt erstmal das private Glück mit dem zweiten Kind im Vordergrund. Eine Tätigkeit als Funktionär beim SV Gonsenheim ist weiterhin nicht ausgeschlossen. – Foto: Merten

"Im Pokal gegen Lautern, das war das absolute Highlight"

Nachspielzeit mit Christian Lüllig +++ Der Ex-Coach vom SV Gonsenheim über seine erfolgreiche Amtszeit, besondere Wettkampftypen und einen Urschrei unter der Dusche

Mainz. Verbandsligameister und Oberliga-Achter – Christian Lüllig hatte als Trainer eine äußerst erfolgreiche Amtszeit beim SV Gonsenheim. Nun blickt er zurück auf viele Höhepunkte und wenige Enttäuschungen, Mustafa Yilmaz' Duell mit Gerry Ehrmann und Hans Walter Sans' Sangeskünste.

Christian, vor dem Rückblick der Ausblick – was machst Du nächste Saison?

Wahrscheinlich eine Babypause! Eine Tätigkeit als Funktionär beim SV Gonsenheim ist weiterhin nicht ausgeschlossen, wir haben das aber bislang nicht konkretisiert. Ich bin mit der Übergabe an Anouar (Ddaou, neuer Trainer, d.Red.) operativ, wie man so schön sagt, rausgegangen. Mit der Geburt des zweiten Kindes liegt der Fokus klar auf dem Privaten.

Wie hat die Übergabe ausgesehen?

Marvin (Bylsma, Manager, d.Red.), Anouar und ich haben uns in Gonsenheim getroffen. Ich kenne Anouar ja noch aus gemeinsamen Zeiten beim SV Wehen Wiesbaden, es war ein schönes Wiedersehen. Wir haben uns über die letzten zwei Jahre und die Oberliga ausgetauscht. Für Rückfragen stehe ich immer zur Verfügung, den Menschen in Gonsenheim bin ich sehr verbunden.

Der SV Gonsenheim ist vor fünf Jahren in der Oberliga Vierter geworden, ansonsten war die jetzt abgebrochene Saison die erfolgreichste in der Fußball-Gegenwart. Da stellt sich die fürchterliche Reporter-Frage, „wie zufrieden“ Du mit der Amtszeit bist, wohl nicht...

Ich glaube, dass wir insgesamt sehr zufrieden sein können. Wir haben die Zusammenarbeit in einer sehr schwierigen Phase nach einem großen Aderlass begonnen. Wir mussten den Umbruch stemmen und wollten ganz klar zurück in die Oberliga. Dass das mit einer so konstanten Runde klappt, war nicht absehbar. Es war eine sehr erfolgreiche Zeit, garniert mit vielen Highlights, die sehr viel Spaß gemacht hat – nicht nur wegen des sportlichen Erfolgs.

Was würdest Du für eine Überschrift für Deine Amtszeit wählen?

Salopp formuliert „Eine geile Zeit“. Das hatte nach dem Abstieg glaube ich keiner so erwartet. Es hat einfach gepasst, wir hatten immer zur rechten Zeit das Momentum.

Dein wievielter Meistertitel war das eigentlich?

Als Trainer der erste, als Spieler hatte ich zwei Meisterschaften – mit Wehen der Aufstieg in die Oberliga und mit Kastel in die Verbandsliga.

Es dürfte als Titel, von dem man nach einem Spiel in der Kabine erfährt, auch der kurioseste gewesen sein...

Allerdings. Nach dem Sieg gegen Speyer konnten wir uns erst einmal gar nicht so richtig freuen, bis der Spielleiter uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir Meister sind. Dann gab es den ein oder anderen Urschrei in der Kabine und unter der Dusche. Die Erleichterung war groß.

Du hast Dich immer schwer getan, Spieler herauszuheben, aber jetzt kannst Du es ja tun – wer waren die sportlich wichtigsten Eckpfeiler?

Sicherlich Ferhat Gündüz, der als routinierter Führungsspieler die Rolle des spielenden Co-Trainers sehr gut ausgefüllt hat. In der Verbandsligasaison hat sich eine Achse um Simon im Tor, Gündüz und Lars Hermann, der sich sehr gut entwickelt hat, Ahlbach und unseren „Aggressive Leader“ Musti Yilmaz vor der Abwehr, Bektasevic auf der Zehn und Neuzugang Merten in der Offensive gefunden, die kontinuierlich aufgelaufen ist. Auf den Außenbahnen haben wir mit Obas und Rimoldi eine extrem offensive Ausrichtung gehabt, sodass wir in der Verbandsliga die meisten Tore und in der Hinserie der Oberliga auch mit den gefährlichsten Angriff hatten. In der Offensive haben Abou Daya, Ibo Yilmaz und Luigi Canizzo eine große individuelle Klasse eingebracht. Sehr viele einzelne Elemente haben in diesem Puzzle sehr gut gepasst.

Jetzt hast Du es geschafft, alle Stammspieler zu erwähnen. Das Kollektiv bleibt das A und O...

Die Summe der Qualitäten in der Mannschaft wird immer über der des Einzelspielers stehen. Die Basis der extrem hohen Konstanz in den Leistungen war die große Homogenität der Mannschaft. Und es sind Wettkampftypen, die immer bereit waren, alles für den Erfolg der Mannschaft zu leisten.

Kannst Du ein exemplarisches Beispiel nennen?

Im Derby gegen Schott Mainz hat sich Khaled Abou Daya in der fünften Minute die Mittelhand gebrochen. Als er in der Kabine saß, war das mehr ein Ei als ein Gelenk. Er hat durchgespielt, unser Tor geschossen und vier Wochen später mit einer Spezialschiene darauf gedrängt, gegen Trier aufzulaufen. Ich wollte ihn noch nicht in den Kader nehmen, habe mich aber von ihm überreden lassen. Und er hat als Joker das 2:1-Siegtor geschossen. Die Jungs haben für den Erfolg gebrannt.

Was war der schwierigste Moment Deiner Amtszeit, die Trennung von Vranesevic?

Nö. (Überlegt) Ich würde sagen, die Anfangsphase. Nach den vielen Abgängen nach dem Abstieg war ich schon damit beschäftigt, Erwartungsmanagement zu betreiben. Es war wichtig, die Spieler von meiner Idee zu überzeugen. Das war schwierig, wurde aber durch die von Anfang an positiven Ergebnisse untermauert. Im weiteren Verlauf gab es wenige schwierige Momente, weil wir erfolgreich waren.

Ihr hattet eine Reihe Highlight-Spiele – den Aufstieg, das Testspiel gegen Mainz 05, das Pokalspiel gegen den FCK, namhafte Liga-Gegner wie Eintracht Trier mit großem Anhang. Welche Partie hast Du am intensivsten erlebt?

Das Pokalspiel gegen Lautern war für viele das absolute Highlight, abends im Stadion hatte es eine besondere Brisanz. In der Verbandsliga waren es auch die beiden Siege gegen unseren Konkurrenten Dudenhofen. Erst haben wir sie nach unserem Stotterstart eine Halbzeit lang an die Wand gespielt, dann haben wir als erste Mannschaft nach mehr als einem Jahr dort gewonnen. In den Topspielen haben die Jungs immer performt.

Was war das lustigste Erlebnis in Deiner Amtszeit?

Die Grundstimmung war meistens positiv (lacht). Die Weihnachtsfeiern, wenn Hans Walter Sans den Holzmichl angestimmt hat, waren immer sehr amüsant. Auch ein Mannschaftsabend, bei dem wir im Frankfurter Nachtleben abgetaucht sind, gehörte mal dazu.

Gab es einen Moment, an dem Du persönlich enttäuscht warst?

Nein. Das Auftreten, das mir sehr wichtig ist, war die zwei Jahre über gut. Es gibt die Anekdote mit unserem Spieler, der Polizist ist und durch einen Polizeieinsatz von der Einwechslung abgehalten wurde. Eine total unnötige Situation, bei der man die Polizei wirklich nicht hätte einschalten müssen. Die Stinkefinger-Aktion von Vranesevic konnte man nicht so stehen lassen. Mit so etwas beschäftigt man sich natürlich weniger gern.

Als Mustafa Yilmaz einem gewissen Gerry Ehrmann auf dem Weg in die Kabine so ziemlich auf Augenhöhe Kontra gab, dürftest Du eher stolz gewesen sein...

Das hat die Mannschaft immer ausgezeichnet – die Spieler, die gerade in Topspielen vorne weg gehen, Körperlichkeit und Aggressivität vorleben. Die Jungs haben gebrannt, wollten sich durchsetzen. Solche Spieler machen den Unterschied.

Ist für Dich auf der persönlichen Ebene etwas Bleibendes entstanden in Gonsenheim?

Auf jeden Fall. Die menschliche Komponente ist mir immer sehr wichtig. Als Trainer muss ich harte Entscheidungen treffen, aber wie wir als Mannschaft zusammengewachsen sind, auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Umfeld – das sind Verbindungen entstanden, die halten werden. Ich fühle mich dem Verein verbunden, bin dankbar für die tolle Zeit und werde auf jeden Fall weiter nach Gonsenheim kommen, um schöne Fußballspiele zu sehen.

Aufrufe: 018.6.2020, 20:00 Uhr
Torben SchröderAutor