2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview der Woche
Auf dem Foto aus dem Jahr 2015 war Lüllig noch für den SV Wehen Wiesbaden tätig, zur neuen Saison übernimmt der Coach den SV Gonsenheim.  F: Klein/Ig0rZh – stock.adobe
Auf dem Foto aus dem Jahr 2015 war Lüllig noch für den SV Wehen Wiesbaden tätig, zur neuen Saison übernimmt der Coach den SV Gonsenheim. F: Klein/Ig0rZh – stock.adobe

"Der Aufstieg ist kein Thema"

Christian Lüllig, der neue Trainer des SV Gonsenheim, spricht im Interview der Woche über den Umbruch, die Vorbereitung und die Ziele für die neue Saison.

Rheinhessen. Die erste Trainingswoche ist vorbei, das erste Freundschaftsspiel gespielt. Christian Lüllig (38) hat nach dem Abstieg aus der Oberliga und dem Abgang einer ganzen Reihe Leistungsträger die durchaus anspruchsvolle Aufgabe, in die Fußstapfen seines Vorgängers Babak Keyhanfar zu treten. Personell gab es zuletzt positive Nachrichten beim SVG, und auch sonst sprüht der A-Lizenz-Inhaber vor Freude und Optimismus. Im Interview der Woche erzählt er, dass es dafür nicht zuletzt einen privaten Grund gibt.

Die erste Trainingswoche ist vorüber, das erste Testspiel 8:1 gegen Nauheim gewonnen. Wie ist Dein erster Eindruck?
Sehr gut, es entspricht den Erwartungen. Wenn ich vorher nicht überzeugt gewesen wäre, wäre ich nicht zum SV Gonsenheim gewechselt. Die ersten Trainingseindrücke sind positiv, die Mannschaft zieht gut mit.

Wie lautet der Fahrplan, welche Schwerpunkte setzt Du?
Zunächst legen wir, wie üblich, die Grundlagen im konditionellen Bereich. Wir machen das viel in Spielform und sind weniger im Gonsenheimer Wald unterwegs. Dann geht es in den Kraft-Schnelligkeits-Bereich und immer stärker in die Testspiele über, mit der Sportwoche in Waldalgesheim. Richtung Rundenstart wollen wir dann verstärkt im taktischen Bereich arbeiten.

Hat sich am Kader noch etwas getan?
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht ganz up to date bin, weil ich diese Woche Vater geworden bin.

Herzlichen Glückwunsch! Das erste Kind? Junge oder Mädchen?
Danke! Erstes Kind, ein Junge. Mutter und Kind sind wohlauf, das ist das Wichtigste.

Gibt es auch eine Vereinsmitgliedschaft? Betreuerin Bettina Stritter hatte Deinem Vorgänger Babak Keyhanfar damals für seine Söhne eine gebastelt...
(lacht) Der Babak hat aber auch eine längere Vergangenheit in Gonsenheim als ich. Wir genießen jetzt erst einmal die ersten Tage, alles weitere sehen wir dann.

Du hattest vor drei Jahren Deine Trainertätigkeit auf Eis gelegt, um beruflich und auch privat durchzustarten. Der Plan hat offenbar funktioniert.
Das stimmt. Der ausschlaggebende Grund war der Hausbau, der extrem zeitintensiv war. Es war äußerst zeitaufwendig, im Nachwuchsleistungszentrum in Wehen zu arbeiten. Das war damals nicht vereinbar. Jetzt kann ich es mir besser einteilen, und ich habe das Glück, dass meine Frau mich unterstützt. Alles gut.

Du bist Trainer mit NLZ-Erfahrung und A-Lizenz, kennst aber auch die Basis, den Amateurfußball. Kannst Du ein bisschen was über Deinen Werdegang erzählen?
Ich war als Spieler lange beim SV Wehen Wiesbaden, bin vor gefühlten 20 Jahren zwischen erster und zweiter Mannschaft gependelt. Dann habe ich festgestellt, dass die berufliche Zukunftsplanung Priorität gewinnt und ich Fußball nur nebenbei machen möchte. Zum BWL-Studium und neben der Vollzeit-Arbeit war ich lange im hessischen Raum unterwegs, habe in Wehen Landesliga gespielt, war in der Oberliga Hessen beim RSV Würges und bin bei Kastel 06 schon näher an Mainz rangerückt. Als Spieler habe ich schon ein bisschen wie ein Trainer auf das Spiel geguckt und hatte mit Ende 20 den Einstieg als Co-Trainer in der U19 bei Wehen. Auf dem Niveau hatte ich Blut geleckt, habe in drei Jahren C-, B- und A-Lizenz gemacht. Nach weiteren drei Jahren bei der U19 hatte ich in Wörsdorf in der Gruppenliga meine erste Cheftrainerstelle. Da habe ich mit 15 Neuzugängen den Umbruch gestemmt, wir sind direkt Zweiter geworden. Ich denke, aufgrund der Leistung hatte ich die Anfrage, nach Wehen zurückzukehren, um die U21 zu übernehmen und in der Hessenliga zu etablieren. Da hatten wir wieder 15 neue Spieler, es war mit Platz sechs trotzdem eine gute Saison.

Viele neue Spieler zusammenzubringen ist eine Qualifikation, die auch in Gonsenheim hilfreich sein dürfte...
Ich glaube, ein ganz wichtiger Aspekt neben Taktik, Technik und Kondition ist das Teambuilding, dass wir als Mannschaft zusammenwachsen. Das habe ich bei den letzten Stationen, denke ich, erfolgreich gemacht. Ich kann als Trainer immer nur einen Rahmen geben und Strukturen anstoßen. Das ist die Aufgabe.

Du hast in Ferhat Gündüz einen Cotrainer an Deiner Seite, der viel höherklassige Erfahrung mitbringt. Wie kam es zu diesem Wechsel, war das Deine Idee?
Genau, der Anstoß kam von mir. Ich kenne Ferhat aus der Zeit beim SV Wehen Wiesbaden. Ich wollte ihn schon einmal für ein Projekt gewinnen, da hat er sich aber für den SV Wiesbaden entschieden. Jetzt hat er in Rüssingen gespielt, wollte aber den Fahrtaufwand von Wiesbaden aus reduzieren und zudem ins Trainergeschäft einsteigen. Da wir ein sehr gutes Verhältnis haben, war es eine glückliche Konstellation. Auch mit ihm als spielendem Cotrainer lässt es sich gut an. Insgesamt haben wir ein junges, gut aufgestelltes Funktions- und Trainerteam. Die Rahmenbedingungen sind sehr gut.

Bisher macht euer Kader quantitativ einen eher dünnen Eindruck. Motto: Klein, aber fein, oder was habt ihr noch vor?
Wir sind noch in Gesprächen. Unser Ziel ist, in den nächsten Wochen jede Position im Kader doppelt zu besetzen. Wir müssen dem Umbruch natürlich Rechnung tragen, wollen aber gezielt Verstärkungen dazu holen. Dazu braucht man die nötige Geduld. Bis 31.8. haben wir Zeit, und dieses Zeitfenster werden wir auch ausschöpfen. Wir haben ein gutes Grundgerüst, aber ich habe auch ein, zwei Wünsche geäußert.

Wie sieht die Verdrahtung mit der U19 aus – nicht zuletzt, um erst einmal auch dem Trainingskader die nötige Breite zu geben?
Ich komme aus einem NLZ und lege großen Wert auf die Ausbildung und Überführung von U19-Spielern in den Aktiven-Bereich. Da bin ich in einem sehr guten Austausch mit Trainer Marco Jantz. Gegen Nauheim hatten wir mit Basting, Obas und Kaiser drei U19-Spieler auf dem Platz. Außerdem haben wir immer wieder U19-Spieler im Training, um sie an den Aktiven-Bereich heranzuführen, was ja auch die Philosophie des SV Gonsenheim ist. Mit Pflücke, Friedrich und Geßner übernehmen wir ja auch wieder drei Spieler, optional könnte noch ein vierter hinzukommen.

Welchen Spielstil, welches System favorisierst Du, wie sieht die Christian-Lüllig-Philosophie aus?
Das müssen wir uns in den nächsten Wochen erarbeiten. Da wir eine sehr junge Mannschaft sind, sollten Lauf- und Sprintstärke sowie hohes Tempo unser Spiel auszeichnen. Was die grundsätzliche Ausrichtung anbetrifft, gibt es bei mir kein festgeschriebenes System. Ich lege Wert auf eine hohe Variabilität, immer auch auf die Stärken und Schwächen des Gegners bezogen sowie situativ, je nach Kader, den wir zur Verfügung haben.

Was ist eure Zielsetzung – ist das klar formulierte Ziel der Wiederaufstieg?
Der Aufstieg ist kein Thema. Es geht darum, im ersten Schritt den Umbruch zu schaffen. Wir haben einige Abgänge und Zugänge, die Mannschaft muss sich finden. Ich denke, wir haben grundsätzlich eine gute Qualität, um in der Verbandsliga jede Mannschaft schlagen zu können. Ob wir das in eine konstante Leistung überführen können, werden wir in den ersten zehn Spielen sehen. Dann können wir immer noch ein weiter gehendes, tabellarisches Ziel formulieren.

Was hast Du Dir ganz persönlich beim SVG vorgenommen?
Diese Saison den Umbruch sicherstellen und jeden einzelnen Spieler weiter bringen. Ich kann mich sehr gut mit der Gonsenheimer Philosophie, aus dem eigenen Nachwuchs Spieler in die erste Mannschaft zu überführen, identifizieren. Der Abstieg hat geschmerzt, aber in Gonsenheim gibt es ein gutes Fundament, der Verein wird sehr gut geführt.

Gibt es Trainertypen, denen Du nacheiferst?
Aus dem Bauch heraus gefällt mir die Art von Niko Kovac sehr gut, wie er bei der Eintracht in den letzten zweieinhalb Jahren gearbeitet hat – sehr solide und erfolgreich, das ist etwas, womit ich mich identifizieren kann.

Er hat auch gerade einen kräftigen Karriere-Boost erlebt. Was hast Du Dir vorgenommen in Deiner Trainerlaufbahn? Ist der Bereich Verbands-/Oberliga Dir auf die Dauer genug?
Ich habe da keinen Masterplan. Aktuell kann ich im Aktiven-Bereich bis Regionalliga sowie Junioren-Bundesliga trainieren. Als Sportler und Trainer habe ich immer den Anspruch, höchst möglich zu arbeiten. Ich bin so ehrgeizig, immer die größtmögliche Herausforderung zu suchen. Aber ich habe keinen Karriereplan.

Aufrufe: 06.7.2018, 13:30 Uhr
Torben SchröderAutor