2024-05-02T16:12:49.858Z

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Kurbeln für den Fortbestand des Amateurfußballs:  Andre Meudt, Maurice Burkhardt, Werner Orf und Stavros Polichronakis (von links),	Foto: Harald Kaster
Kurbeln für den Fortbestand des Amateurfußballs: Andre Meudt, Maurice Burkhardt, Werner Orf und Stavros Polichronakis (von links), Foto: Harald Kaster

Die Probleme des Amateurfußballs

Redaktions-Talk: Trainer Orf, Polichronakis, Meudt und Burkhardt über Sorgen und Nöte im Amateurfußball

Wiesbaden. Quo vadis Amateurfußball? Wer könnte das besser beurteilen als die Insider, die das Tagesgeschäft in allen Facetten kennen. Werner Orf (61, SV Erbach), Stavros Polichronakis (46, beim SC Klarenthal über Jahre hinweg eine Institution) sowie die Spielertrainer Andre Meudt (30, Spvgg. Sonnenberg) und Maurice Burkhardt (27, SG Orlen) zählen zur großen Garde der Trainer, die allen Widrigkeiten zum Trotz mit Herzblut und Engagement dem schwierigen Job verbunden bleiben. Bei Polichronakis ist die Rückkehr in die Coachingzone absehbar.

Beim Treffen in der Sportredaktion legen die Vier die Facetten vielschichtiger Probleme offen – und wie sie damit umgehen oder sich arrangieren. Magere Trainingsbeteiligung, die Komponenten Respekt, Geld und dürftige Zuschauer-Resonanz, das sind die prägenden Themen der Gegenwart in den Basisklassen von Deutschlands populärstem Teamsport. Verbunden mit sorgenvollem Blick auf die Zukunft.

Absagen kinderleicht

„Die neuen sozialen Medien sind ein Problem. Da kommen die Absagen fürs Training über Whatsapp. Früher musste man den Trainer anrufen und eine gute Erklärung haben. Dieses persönliche Gespräch fehlt heute. Und die jungen Burschen sind nicht mal mehr in der Lage, ein Tor wegzutragen. Das machen dann Ältere. Ich habe das mal klar angesprochen – aber im nächsten Training war alles wieder weg. Ich hätte nicht gedacht, dass es in einem Verein, wo es kein Geld gibt, so schlimm ist. Immerhin hat die Mannschaft beschlossen, dass für jede Gelbe Karte 20 Euro Strafe fällig werden. Bei meinen früheren Stationen gab es Geld. Das ist in Ordnung, wenn es in geregelten Bahnen läuft und nicht überhandnimmt. Ohne Geld packt es keiner, nach oben zu marschieren. Heute wollen die Jungs oft nur mit Freuden zusammenspielen. In den nächsten zehn Jahren wird es für den Amateurfußball ganz schwer. Es sei denn, es bestehen finanzielle Anreize.“

"Verbundenheit wie bei Oka Nikolov gibt es nicht mehr"

„Ich lege generell sehr viel Wert auf Disziplin. Von 18, 19 Spielern unserer Ersten sind im Schnitt 15 im Training. Aber wer vor dem Spiel eine Minute zu spät zum Treffpunkt kommt, sitzt auf der Bank. Insgesamt übernimmt man über den Trainer-Part hinaus weit mehr Aufgaben. Ich telefoniere täglich 20 Minuten mit meinem Co-Trainer Alexander Hoppe, um abzuklären, was zu tun ist. Es gehen ja auch die Ehrenamtlichen aus. Das liegt an den Jüngeren, die ehrenamtlich nichts übernehmen. Und was das Finanzielle betrifft: Das leben die Profis den Amateuren vor. Ich bin Eintracht-Fan. Eine Verbundenheit wie etwa bei Oka Nikolov gibt es nicht mehr. Wir legen Wert darauf, Spieler, die nur aufs Geld schauen, nicht an Land zu ziehen. Das Vereinsleben ist das A und O. Wir schauen oft mit 20 Mann Spiele im Fernsehen oder spielen Darts. Was den Zuschauer-Zuspruch angeht, durften wir gegen Naurod und Kastel 06 mit jeweils 250 sehr zufrieden sein. Gegen Frauenstein waren es zuletzt aber vielleicht 30 Sonnenberger und zehn Frauensteiner.“

„Respekt ist für alle ein großer Punkt. Gerade auch gegenüber den Trainern. Wenn Spieler sonntags eine Stunde vor dem Treffpunkt absagen, ist das ein Moment, in dem mir der Spaß vergeht. Oder wenn man die Spieler fast zwingen muss, dienstags und donnerstags ins Training zu kommen. Oder die Frage „Wann kriege ich mein Geld“ im Mittelpunkt steht. Und vielleicht geht man am Samstag mal nicht saufen und steht sonntags nicht mit zwei Promille auf dem Platz. Da ist viel an Einstellung abhandengekommen. Aber man ist von den Jungs abhängig. Andernfalls läuft man Gefahr, Spieler zu verlieren. Die Spieler wissen doch genau, wo man woanders sein Geld bekommt. Mit Taktik braucht man gar nicht anzufangen, man muss froh sein, wenn überhaupt Training stattfinden kann. Als Trainer ist man heute auch Psychologe und Erzieher. Wenn es schlecht läuft, erkennt man den Charakter des Menschen. Es gibt Tage, da würde ich am liebsten hinwerfen, doch noch macht mir der Fußball zu viel Spaß.“

Weniger Gönner, mehr Spielgemeinschaften

„Es muss eine Hierarchie existieren. Früher gab es zwei, drei Altgediente, die die Jüngeren quasi erzogen haben. Heute lassen sich die Jüngeren teilweise wenig sagen. Aber auch die Eigenmotivation spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, zum Training pünktlich auf dem Platz stehen. Es geht letztlich nur mit klaren Weisungen, in dem man namentlich bestimmt, wer was macht. Freiwillige gab es noch nie. Und wenn die Eintracht sonntags gespielt hat, haben wir in Klarenthal im Vorfeld unser Spiel verlegt, sind gemeinsam nach Frankfurt gefahren. In Zukunft wird es mehr Spielgemeinschaften geben. Die Gönner in den Vereinen werden weniger, aber die Fixkosten – ganz gleich in welcher Liga – steigen. Höhere Kosten bedeuten höhere Mitgliederbeiträge. Es gibt aber auch zu viele Vereine. Es genügen ja elf Freunde, um einen Club aufzumachen. Das nimmt überhand.“



Aufrufe: 06.12.2018, 11:00 Uhr
Stephan NeumannAutor