2024-05-10T08:19:16.237Z

Testspiel
– Foto: Marc Schütz

Offensivgeist auf Stippvisite

TESTSPIEL: +++ Stockheimer Noah Michel mit Regionalligist FC Gießen in Schotten auf Torejagd +++

Stockheim/schotten (flo). Nein, Eintracht Frankfurt, die hessische Nummer eins, kommt angesichts der Internationalisierungsbestrebungen und des pickepackevollen Terminkalenders eher selten zu freundschaftlichen Kicks aufs Land. Demgegenüber waren die Offenbacher Kickers in den vergangenen Jahren regelmäßig zu repräsentativen Zwecken im Büdinger Fußballkreis zu Gast. Mit dem FC Gießen schickt sich nun jedoch ein weiterer Club an, eine attraktive Adresse für Testspielanfragen unterklassiger Vereine zu werden. Nicht umsonst hat Kreisoberligist Blau-Weiß Schotten den mittelhessischen Regionalliga-Aufsteiger anlässlich des 110-jährigen Jubiläums eingeladen. Am Samstag ab 16 Uhr gastieren die Gießener deshalb auf dem „Bockzahl“ – mit dem in Stockheim wohnenden Noah Michel an Bord.

Keine Frage, der Angreifer des amtierenden Hessenligameisters freut sich auf das Spiel gegen die Büdinger Kreisauswahl. Ein Freundschaftsduell in der Heimat und gegen den einen oder anderen Weggefährten aus der Zeit bei Viktoria Nidda. „Ich habe schon mit einigen gesprochen, die dabei sind“, erzählt Michel. Etwa mit Sven Diedrich, dem neuen Spielertrainer des A-Ligisten SV Rainrod, der noch in der vorletzten Saison gemeinsam mit Michel zu Niddas bärenstarker Offensivabteilung zählte.

Ohnehin: Von der Viktoria-Zeit schwärmt Michel noch immer. „Ich habe nur sehr gute Erinnerungen an Nidda“, sagt der 24-Jährige. „Sportlich und menschlich war es super, wir hatten ein top Klima und für die Liga, in der wir gespielt haben, war der Aufbau drum herum sehr professionell.“ 2015 war der schnelle Angreifer zum Kernstadtclub gewechselt, die Niddaer waren seinerzeit in der Gruppenliga zugange. Für Michel war das ein Abstieg. Schließlich hatte er, der mit Ausnahme einer kurzen Stippvisite bei Rot-Weiß Erfurt die Jugend der Frankfurter Eintracht durchlaufen hatte, zuvor bei Jahn Regensburg und Bayern Alzenau gespielt.

Dort hatte alles so vielversprechend angefangen. Beim Drittligisten aus Regensburg, seiner ersten Profistation, fasste Michel 2014 gut Fuß, durfte Mitte der Hinrunde sogar erstmals von Anfang an und über die volle Spieldauer ran. „Von da an fing aber meine Pechsträhne an“, erinnert er sich. Zwei Muskelfaserrisse verdonnerten den Youngster zum Zuschauen, statt Fußballspielen hieß es Schuften in der Reha. „Danach kam ich nie so hundertprozentig zurück, wie ich mir das erhofft habe.“ Was letztendlich nach nur gut einem halben Jahr zur Vertragsauflösung führte. „Ich bin mir auch heute noch sicher, dass ich es dort geschafft hätte. In meinen Augen habe ich in Regensburg etwas wenig Unterstützung bekommen.“

Von der Donau wechselte Michel ins Unterfränkische zum Hessenligisten Alzenau. Mit der festen Absicht, sich dort wieder für höhere Aufgaben zu empfehlen. Daraus wurde allerdings nichts. Weshalb der Stockheimer ein halbes Jahr später erneut weiterzog – nämlich nach Nidda. Um die in Alzenau begonnene Ausbildung abzuschließen, um wieder mit Freunden zusammenzuspielen. Ob der Traum vom Profifußball zu dieser Zeit ausgeträumt gewesen sei? „Ich habe eine Zeit lang nicht daran geglaubt, wieder nach oben zu kommen“, gesteht Michel. Der bei der Viktoria allerdings wieder aufblühte, zu seiner alten Stärke fand. „Ich konnte mir dort die Spielfreude zurückholen, habe so wieder mehr Spaß am Fußball gefunden.“ Die Zahlen sprechen für sich. 25 Treffer in der Aufstiegssaison 2016/17, gar 28 Tore im darauffolgenden Verbandsligajahr. Damit avancierte die Viktoria zum Sprungbrett im zweiten Anlauf. Michel weiß das, betont, dass „ich Nidda ein ganz großes Stück zu verdanken habe“.

Schließlich klopfte 2018 der ambitionierte FC Gießen, damals noch Fünftligist, an, lotste Michel an die Lahn. Der Stürmer, der zunächst parallel seine zweite Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik beendete, mittlerweile aber ebenso wie das Gros der Mannschaft als Profi sein Geld verdient, startete nach Maß, erarbeitete sich bei den Gießenern einen Platz in der ersten Elf. Ehe er sich im ersten Saisonspiel gegen Waldgirmes nach gerade einmal 20 Minuten am Knie verletzte und erst zum Ende der Hinserie zurückkehrte. Nach der Winterpause durfte Michel wieder regelmäßig ran, traf bei 14 Einsätzen zehn Mal. Vor allem aber: Er tütete mit dem FCG den Regionalliga-Aufstieg ein, trifft in der anstehenden Saison auf solch illustre Gegner wie Kickers Offenbach, den FSV Frankfurt oder den 1. FC Saarbrücken. „Ich glaube“, blickt Michel voraus, „es wird eine riesige Herausforderung für uns als Mannschaft, aber auch für den ganzen Verein.“

Selbstredend schwingt auch eine Portion Genugtuung mit, nun wieder in der Regionalliga zu spielen. „Man bekommt vieles mit, was gesprochen wird, ich wurde auch öfter darauf angesprochen, was mit mir los sei, wie man derart zurückfallen könne. Klar freut es mich, denen, die es einem nicht gegönnt haben oder schlecht über einen gesprochen haben, zu zeigen, jetzt wieder auf diesem Niveau zu sein“, sagt Michel. Aber: „Ich hatte auch viele, die mich unterstützt haben, ein wichtiger Faktor waren da meine Familie und Freundin, Freunde und Gunther Schneider (vormals Sportlicher Leiter in Nidda; d. Red.), die den Weg mit mir gegangen sind.“ Die erlittenen Rückschläge sind aber zugleich wertvolle Erfahrungen, von denen der Offensivakteur heute profitiert. „Wenn man nicht aufgibt und immer weitermacht, ist alles möglich.“ Heißt mit Blick in die Zukunft? „Ich hoffe, ich kann mich noch mehr steigern, um vielleicht nochmal dahinzukommen, wo ich in Regensburg aufgehört habe.“ Zuallererst jedoch will Michel, derzeit einer von nur zwei Stürmern im FCG-Kader, mit dem mittelhessischen Aufsteiger eine gute Saison spielen. Das klare Ziel: Klassenerhalt.

Profifußball hin oder her – den Kontakt zum Fußball in der Heimat hat Michel dennoch nicht verloren. „Ich verfolge alles von der Kreisliga A bis zur Gruppenliga“, erzählt er. „Wenn ich sonntags Zeit habe, schaue ich mir auch die Spiele meiner Kumpels an.“ Mal in Stockheim, mal in Nidda, mal beim SV Seemental. Kein Wunder also, dass der Test in Schotten für Noah Michel eine ganz besondere Angelegenheit ist.



Aufrufe: 011.7.2019, 07:01 Uhr
Kreis-AnzeigerAutor