2024-03-18T14:48:53.228Z

Interview
Almedin Civa. F: Bock
Almedin Civa. F: Bock

"Bei Rassismus gibt es für mich keinen Schritt zurück"

Almedin Civa, Trainer und Sportlicher Leiter des SV Babelsberg 03, im FuPa Brandenburg-Interview

Der Regionalligist SV Babelsberg 03 liegt wegen eines umstrittenen Urteils im Dauerstreit mit dem NOFV. Der Club ließ die Frist zur Zahlung einer Geldstrafe am Wochenende verstreichen - jetzt droht der Ausschluss. Gleichzeitig feierte das Team von Nulldrei-Trainer Almedin Civa am Freitagabend einen klaren 4:0-Heimsieg gegen Chemie Leipzig. FuPa Brandenburg sprach mit Civa über den schwierigen Spagat zwischen Sport und der aus Babelsberger Sicht unsportlichen Verbandspolitik.

Herr Civa, das 4:0 gegen Leipzig war rein sportlich ein Traumstart in das neue Fußballjahr. Aber es könnte gleichzeitig auch das letzte Regionalliga-Spiel von Babelsberg gewesen sein?

Damit beschäftige ich mich nicht. Ich denke nicht, dass es das letzte Spiel war. Wenn es denn so ist, dann ist das für sehr sehr viele Menschen peinlich.

Ich denke es war ein sehr gelungener Start. Wir haben eine sehr ordentliche Vorbereitung gespielt und ich habe gehofft, dass die junge Mannschaft das auch ins Spiel reinbringt. Das haben sie in den 90 Minuten sehr ordentlich gemacht, mit ein paar Schwierigkeiten. Aber das ist ganz normal. Man hat gesehen, dass Chemie Leipzig schon eine Partie absolviert und einige Neuzugänge dabei hatte. Wir haben im Winter gesagt: Wir wollen erstmal niemanden holen und können es finanziell auch nicht und wir vertrauen unserer Mannschaft. Wir haben gegen den tiefstehenden Gegner sehr geduldig gespielt und folgerichtig auch das 1.0 gemacht. Vielleicht waren es am Ende ein oder zwei Tore zu viel, aber wir haben trotzdem verdient gewonnen.

Es ist aber schade, dass nach einem Sieg mehr darüber gesprochen wird, was morgen passieren wird, als über das 4:0 einer sehr jungen Mannschaft ohne einige Leistungsträger, die noch gefehlt haben, wie Andis Shala. Das macht mich traurig und automatisch auch wütend auf diese Menschen. Alle konzentrieren sich nicht darauf, in der Zeitung zu lesen, wie das Spiel war, sondern ob Babelsberg raus ist oder nicht.

Speziell in der vergangenen Woche war durch den Streit mit dem Verband und der abgelaufenen Frist sehr viel Unruhe im Verein. Wie halten Sie das von der Mannschaft weg?

Das bekommen wir sehr gut hin. Es ist eine sehr charakterstarke Mannschaft, obwohl die Spieler noch sehr jung sind. Wir reden da sehr offen drüber und sagen, dass wir es ohnehin nicht beeinflussen können. Gerade die Spieler nicht. Deswegen müssen sie sich vor allem auch im Training auf ihren Job konzentrieren. Das haben sie sehr gut gemacht. Natürlich fragen sie und machen sich Gedanken, was jetzt passieren könnte. Da bin ich offen und ehrlich und sage ihnen auch, was passieren kann. Aber die Jungs können nichts dafür und sie können auch nichts ändern. In der Kabine ist es natürlich Thema. Auch für die Vorbereitung des Chemie-Spiels war es nicht optimal, weil man nicht wusste, ob es überhaupt zählt, wenn wir gewinnen. Aber es ist klargestellt worden, dass die Partie auf alle Fälle zählt, weil die Frist bis 24 Uhr lief. Die drei Punkte kann uns also niemand nehmen.

Wird Babelsberg die Strafe bezahlen?

Das ist die Entscheidung des Präsidiums. Ich stehe zu meinem Verein und zu meinem Präsidium. Das, was seit einem Jahr abläuft, ist unterirdisch. Ich schäme mich, mit diesen Leuten etwas zu tun zu haben. Für mich ist das eine Verarsche. Es gibt Fakten und man kann sich zusammensetzen und alles neu machen. Wenn wir etwas falsch gemacht haben, zahlen wir auch. Das haben wir bis jetzt immer gemacht. Ob es zu viel Geld ist für eine Pyro, entscheiden andere. Es geht aber um das Cottbus-Spiel. Da sind eindeutig antisemitische Vorfälle passiert, Hitlergrüße und so weiter. Jetzt sollen wir aber bezahlen, weil ein Punk "Nazischweine raus" gerufen hat. Das steht in dem Urteil drin, also wurden wir deswegen auch bestraft. Das können ich und der Verein nicht akzeptieren. Dann widersprechen sich die Verbandsverantwortlichen. Das haben wir alle die letzten Tage, Wochen und Monate mitbekommen. Dann heißt es, sie wussten nicht, dass das gesagt wurde. Wie kann ein Richter jemanden verurteilen, wenn er nicht alle Fakten hat? Erklären sie mir das. Das ist für mich in dem Sinn eine Verarsche, weil man uns als Sportler nicht ernst nimmt.

Mit dem Verein scheint es von Verbandsseite nur relativ wenig Kommunikation zu geben?

Nein, das wollen sie auch gar nicht. Deswegen hat unser Präsident Archibald Horlitz viele offene Briefe veröffentlicht. Jeder kann sich seine eigene Meinung bilden. Wir bekommen sehr viel Zuspruch. Aber die Herren sind der Meinung, dass sie im Recht sind, es nicht gehört haben und nichts davon wussten. Trotzdem sollen wir 7000 Euro zahlen. Aber es geht nicht um das Geld, auch wenn wir finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Wir haben uns in den letzten fünf Jahren entschuldet, wir mussten kämpfen und haben jetzt eine nagelneue junge Mannschaft. Wir haben super Zuschauer und bereiten vieles vor, damit wir irgendwann mittelfristig wieder angreifen können in die 3. Liga. Aber das werden wir nicht können, wenn alles mit zweierlei Maß bestraft wird. Hauptsache die 7000 Euro sind da. Strafen sind nicht das Problem, wir müssen uns alle an die Gesetze halten. Aber so wie es jetzt abläuft, ist das Müll. Die sollen eingestehen, dass sie die Fehler gemacht haben. Das ist eine Kettenreaktion, wo man vielleicht nicht mehr rauskommt. Ich hoffe, wir schaffen das noch nach dem letzten Aufruf unseres Präsidenten.

Sie haben am Freitagabend nach der Partie gesagt: Wenn man uns in der Regionalliga nicht haben will, gehen wir von uns aus runter in die Ober- oder Brandenburgliga.

Das war etwas ironisch, aber vielleicht wollen sie das auch. Das man ein Zeichen setzt und sagt: Ihr wollt uns nicht haben, dann sind wir weg. Aber ich weiß, dass es nach sieben Tagen keinen Menschen mehr interessieren wird, ob wir das selbst machen. Die Gesellschaft ist so. Nicht umsonst sitzt die AFD im Bundestag. Da muss man sich schon überlegen, was die Menschen im Kopf haben. Beim besten Willen: Hier kommen Leute zum Sport, zum Fußball und zeigen Hitlergrüße! Dann setzt man sich zur Wehr und jeder kennt unseren Verein. Wir sind gegen Homophobie. Wir sind weltoffen und tun dafür sehr viel. Wir haben als Verein mehr als 350 Kinder im Nachwuchs. Dafür bekommen wir keine Zuschüsse oder Gelder. Wir haben eine Flüchtlingsmannschaft, obwohl wir finanziell nicht so viel haben. Die anderen Vereine sagen: Hier ist unsere erste Mannschaft und nur die zählt. Bei uns ist das nicht so. Und dann wird man bestraft, weil einer "Nazischweine raus" ruft. Pyrotechnik ist verboten, gegen diese Strafen haben wir auch nie etwas gesagt. Die Frage ist nur, wie viel man dafür bezahlt. In der Regionalliga kann man von den Relationen her nicht genau so viel bezahlen wie in der Bundesliga, wenn man 2500 Zuschauer im Vergleich zu 55000 Zuschauern sieht. Aber "Nazischweine raus" ist für mich keine Beleidigung. Wenn vor mir einer steht und sagt: "Du Nazi". Dann fühle ich mich nicht angesprochen, weil ich das nicht bin. Aber wir kennen die Vergangenheit und wissen, was ein Hitlergruß bedeutet. Das finde ich sehr sehr bedenklich. Das kann ich nicht hinnehmen. Für mich gehört das nicht ins alltägliche Leben und in den Sport sowieso nicht. Wenn es so ist, dass sie uns nicht mehr dabei haben wollen, werden die höheren Mächte entscheiden. Wenn es so sein sollte, dann ist es das größte Skandalurteil, das der deutsche Fußball je gesehen hat.

Gibt es noch eine gemeinsame Basis, auf der der Verein und Verband miteinander sprechen würden?

Unser Präsident Archibald Horlitz hat in seinem letzten öffentlichen Brief nochmal angeboten, dass miteinander gesprochen wird. Ich hoffe, sie setzen sich zusammen und kommen auf einen gemeinsamen Nenner. Ansonsten kann ich nur abwarten, was passiert. Wenn alle anderen, trotz des großen Zuspruchs, den wir bekommen, sagen, das ist ok so, sind wir ohnehin im falschen Film. Dann gehören wir nicht in die Liga. Wenn man sich als Verein gegen Rassismus, Homophobie oder rechte Gewalt wie auch vom DFB gefordert sträubt und die auf ihr Urteil pochen, dann sind wir diejenigen, die hier nicht reingehören.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir Vereine dafür gut sind, dass etwas passiert und wir Kohle zahlen müssen, damit man das irgendwie finanzieren kann. Man darf aber nicht vergessen, dass der NOFV dafür zuständig ist, dass es den Vereinen gut geht. Man muss mit den Vereinen zusammenarbeiten. Die dürfen nicht vergessen: Wenn eine Reform kommt und aus fünf nur noch vier Ligen werden, sind sie schnell weg. Vielleicht sitzen sie im Moment am längeren Hebel, aber wir gehören zusammen. Ich glaube, das hat der Verband vergessen. Der NOFV passt auf uns auf und hilft uns. Das ist im Moment nicht der Fall. Die Vereine müssen immer blechen. Aber wie wir gemeinsam eine Lösung finden, damit so etwas nicht mehr passiert, interessiert keinen.

Sie selbst haben sich auch schon gegen Ihre eigene Fans gestellt.

Ja, nach dem Fürstenwalde-Spiel hatte ich ein riesen Krach mit unseren Zuschauern. Ich liebe sie, aber als sie gezündelt haben, sind wir als Mannschaft nicht hingegangen nach dem Spiel. Ich habe mich hinterher mit Leuten gestritten, die ich sehr mag und seit 1999 sehr schätzen gelernt habe, weil ich weiß, dass die für den Verein alles geben. Aber die Aktion war blöd. Wenn wir dafür zahlen müssen, dann ist es so. Dann macht eine gerechte Strafe, weil wir es nicht dürfen. Dann müssen wir auf anderem Weg protestieren und demonstrieren. Genauso ist es jetzt: Unsere Fans sind nicht schuld, bei dem Cottbus-Spiel sind nicht wir diejenigen, die etwas gemacht haben. Der Verein hat alles richtig gemacht und viel Lob von der Polizei und auch von Cottbuser Seite bekommen. Ich verurteile auch nicht Cottbus. Das waren 70 oder 80 Vollpfosten, die nichts mit Fußball zu tun haben. Das waren professionelle Störer. Die aufzuhalten ist schwer. Cottbus kann nichts dafür. Aber das wir seit einem Jahr nur über dieses eine Spiel reden ist der eigentliche Skandal. Das macht mich sehr sehr traurig und regt mich auf.

Wir haben viele Nationalitäten in unserer Mannschaft und am Ende verbindet uns alle eines: der Sport. Der Fußball verbindet uns. Wir kennen nur eine Sprache und das ist der Fußball. Bei Rassismus gibt es für mich keinen Schritt zurück. Wenn es so sein soll, dass ich mit meinem Job hier aufhören muss, dann ist es mir auch egal. Aber wir können doch nicht blind durch die Welt gehen.

Könnte es sein, dass die Mannschaft jetzt vielleicht auch sportlich eine Trotzreaktion zeigt?

Das habe ich den Spielern vor der Partie gesagt. Du musst so eine junge Mannschaft erstmal aufbauen, die dich mit großen Augen anschauen und sagen, dass es vielleicht das letzte Spiel ist. Das unterschätzen viele. Das bekomme ich aber hin, weil ich die Jungs kenne und sie mir vertrauen können. Ich habe ihnen gesagt: Jungs, das interessiert uns alles nicht. Es interessiert mich, weil ich mit dem Verein sehr eng verbunden bin und ihn liebe. Aber ihr seid Sportler, ihr wollt weiterkommen und Profis werden. Ausreden gibt es nicht. Dazu darf man auch nicht vergessen: Der 31. Januar ist vorbei und die Wechselfrist zu Ende. Die Spieler würden also ein halbes Jahr auf der Kippe stehen. Deswegen haben sie das super gemacht. Das Wort Stolz benutze ich sehr selten, aber heute bin ich schon ein bisschen stolz auf die Jungs. Sie haben das in einer schwierigen Phase gegen einen schweren Gegner gut gemacht. Vergessen wir mal die 13 Punkte von Chemie. Die Leute haben etwas verpasst: In der 3. Liga sieht es sehr böse aus bei Erfurt und Chemnitz. Was ist, wenn die absteigen? Ab Platz 6 spielen wir alle gegen den Abstieg. Wir sind sehr demütig und bleiben auf dem Boden. Ich hoffe, dass sie eine Trotzreaktion zeigen, gegen Leipzig haben sie es abgeschüttelt wie eine erfahrene Mannschaft.

Mit Almedin Civa sprach Sven Bock.

Aufrufe: 05.2.2018, 13:36 Uhr
Sven BockAutor