2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
In drastischer Wortwahl formulieren die Jahn-Ultras beim Spiel in Ingolstadt ihren Protest gegen den DFB. Foto: Nickl
In drastischer Wortwahl formulieren die Jahn-Ultras beim Spiel in Ingolstadt ihren Protest gegen den DFB. Foto: Nickl

Ultras des SSV Jahn protestieren mit

Die organisierte Fan-Szene liegt im Clinch mit dem DFB +++ Auch aus Regensburg gibt es harsche Botschaften auf Bannern

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Die Ausdrucksweise ist hart, die Botschaft unmissverständlich: „Fick dich DFB!“ steht auf einem Banner, das die Ultras des SSV Jahn Regensburg am vergangenen Sonntag beim Spiel ihres Klubs in Ingolstadt im Stadion aufhängten. Auf weiteren Plakaten wird die Kritik erläutert: „Unser Problem mit euch: Eure krankhafte Gier nach Profit.“ Bundesweit sind derzeit immer wieder vergleichbare Slogans in den Fußball-Stadien zu lesen. Die Kluft zwischen der organisierten Fan-Szene und dem Deutschen Fußball-Bund ist groß.Vermittler könnten die Klubs sein. Am 3. September gibt es in Erfurt nun ein Treffen von Vereinsvertretern und Ultras.

Gewalttätige Ausschreitungen, Abbrennen von Feuerwerkskörpern und Plakate mit beleidigenden Bannern sorgen bei Fußball-Spielen seit Jahren für Aufregung. Zuletzt kochte die Debatte besonders hoch. Die verbalen Exzesse auf Plakaten von Dortmunder Fans, mit denen sie Hass-Botschaften gegen RB Leipzig verbreiteten, sorgten wochenlang für Schlagzeilen. Beim Relegationsspiel des SSV Jahn beim TSV 1860 rissen Münchner Fans Sitze aus der Verankerung und warfen sie aufs Spielfeld. Und erst vor zwei Wochen musste die Pokalpartie zwischen Rostock und Hertha BSC wegen des Abbrennens von Feuerwerkskörpern und Fan-Flaggen unterbrochen werden.


Keine Kollektivstrafen mehr

Lange hatte der DFB auf derlei Vorkommnisse mit harten Strafen reagiert. Die Vereine mussten viel Geld bezahlen, teilweise wurden Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen. Nun wurde der Kurs geändert. Präsident Reinhard Grindel verkündete, dass es vorerst keine Kollektivstrafen mehr gebe: „Wir sind dafür, innezuhalten, umzudenken, wie wir wieder zu einem positiven Stadion-Erlebnis kommen.“ Ein wichtiger Schritt könnte beim Treffen der Ultras mit Vertretern der Profi-Klubs in Erfurt gemacht werden. Eine konkrete Zielsetzung soll das Treffen nicht haben, heißt es. Es soll in erster Linie dazu dienen, ins Gespräch miteinander zu kommen. Die neue Haltung des DFB wie auch das Treffen bewertet der bekannte Fanforscher Gunter A. Pilz als sehr positiv. Härtere Strafen hätten noch nie geholfen, sagt der Soziologe aus Hannover. Dass der DFB nun offensichtlich ernsthaft in den Dialog mit der Fan-Szene treten wolle, sei der richtige Weg: „Nun sind die Ultras gefordert, müssen aktiv werden und sich fragen, was können wir tun. Es reicht nicht, sich verbal zu distanzieren.“

Die Ultras des SSV Jahn haben mit ihren Plakaten in Ingolstadt zum wiederholten Male demonstriert, dass sie die Kritik am DFB unterstützen. Die vereinigte Fan-Szene wirft dem Verband insbesondere vor, den Fußball zu stark zu kommerzialisieren. Es werden das Zerstückeln der Spieltage und die Showprogramme rund um die Partien angeprangert. Die Oberpfälzer Ultras beschränken sich in ihrer Kritik bislang auf verbale Botschaften. Als explizit gewaltbereit ist die Regensburger Fan-Szene nicht bekannt. Fanforscher Pilz sagt, dass die Anhängerschaft von vergleichsweise kleinen Profi-Klubs meistens als eher friedlich einzuordnen ist: „Bei Vereinen, die gerade hochkommen, geht es in der Regel viel entspannter, viel weniger gewaltbereit zu.“ Die Fans dort seien zumeist mehr auf den Fußball konzentriert „und erfreuen sich vor allem daran, dass der Erfolg da ist“. Bei Ultras-Gruppen, die noch im Wachsen sind, seien auch Fan-Projekte weitaus erfolgversprechender, sagt Pilz, „weil sie nicht in der gleichen Weise verfestigte Strukturen haben und weitaus zugänglicher für Sozialarbeit sind als bei Vereinen, bei denen es schon länger eine gewachsene Szene gibt“.


Regelmäßige Treffen

Beim SSV Jahn wird auf mehreren Ebenen mit den Fans kommuniziert. Es gibt Treffen mit Vertretern der organisierten Fan-Klubs, dazu allgemeine Fan-Treffen und nicht zuletzt hat der Jahn einen Fanbeauftragten, der in ständigem Kontakt zu den Anhängern steht. Mit Stefan Reiprich sitzt außerdem ein Vertreter der Fans im Aufsichtsrat des Vereins.

Die Regensburger Fan-Szene – sicher beflügelt durch das neue Stadion und den sportlichen Erfolg der vergangenen zwei Jahre – wächst. Vor fünf Jahren gab es zehn Fan-Klubs, mittlerweile sind es 16. Vor drei Jahren wurden 1600 Dauerkarten verkauft, in diesem Jahr 4000. Ebenso ist die Zahl der Mitglieder stark gestiegen: 2013 waren es rund 800, heute sind es rund 2400. Auch bei der Atmosphäre im Stadion ist die Entwicklung zu spüren. Der sogenannte „Stimmungsblock“ auf der Hans-Jakob-Tribüne in der Continental-Arena wird immer größer und lauter. Etwa 1000 Fans bilden mittlerweile den festen Kern, der bei Heimspielen für Stimmung sorgt und Sprechchöre initiiert – und das meist völlig friedlich. Eine Garantie, dass dies so bleibt, gebe es aber nie, sagt Pilz. Er nennt den VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim als Beispiele. Als diese Klubs neu in die Bundesliga kamen, hätten sie ein sehr friedliches und entspanntes Publikum gehabt. In wenigen Jahren habe sich „dort aber auch eine gewisse Hardcore-Szene entwickelt, die ihre Gewaltfantasien auslebt“.

Unser Medienhaus hat den Regensburger Ultras per Mail mehrere Fragen zukommen lassen. Etwa dazu, ob auch sie am Treffen in Erfurt teilnehmen. Die Ultras antworteten, dass „aktuell eine Äußerung dazu von unserer Seite nicht möglich ist“.

Aufrufe: 024.8.2017, 19:00 Uhr
Von Jürgen Scharf, MZAutor