2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Die Spvgg Leusel, Meister der Kreisoberliga Süd und Aufsteiger in die Gruppenliga, in Jubelpose mit den Meister-T-Shirts.     	Foto: Raab
Die Spvgg Leusel, Meister der Kreisoberliga Süd und Aufsteiger in die Gruppenliga, in Jubelpose mit den Meister-T-Shirts. Foto: Raab

Der »Dino« tritt in neues Zeitalter ein

KOL GIESSEN SÜD: +++ Spielvereinigung Leusel steigt nach 20-jähriger Zugehörigkeit zur Kreisoberliga Süd mit beeindruckender Bilanz auf +++

ALSFELD - In der Erdgeschichte sind die Dinosaurier in verschiedenen Wellen einfach ausgestorben. Im Fußball sieht die Sache manchmal anders aus: Hier erreichen die „gewaltigen Echsen“ (Deinos sauros, griechisch) auch gerne mal die nächste Entwicklungsstufe in der Evolution. So geschehen auch am vergangenen Sonntag, als die SpVgg Leusel – in der Fußball-Paläontologie der „Tyrannosaurus Vogelsberg“ der Saison 2016/17 – nach 20-jähriger Dauerzugehörigkeit in der Kreisoberliga Gießen Süd den Aufstieg in die Gruppenliga Gießen/Marburg perfekt machte.

„Die anderen Mannschaften haben uns schon immer Dino der Liga genannt“, lächelt der SpVgg-Vorsitzende Marco Meier einige Tage nach dem größten Coup der Vereinsgeschichte und weist zugleich auf den Ursprung der Metapher hin. Erleichterung ist zu spüren, wenn man sich mit dem 39-Jährigen unterhält. Erleichterung und ein enormer, wie berechtigter Stolz. „Wir sind durchwachsen in die Saison gestartet, nach den ersten vier Spielen hatten wir fünf Punkte. Dann haben wir aber von Oktober an eine Serie gestartet, wo wir nur gewonnen haben. Die Jungs wollten das unbedingt und die haben sich dann wirklich auch nur auf die Spiele konzentriert. Da ist man dann Samstagabend vielleicht auch nicht mehr ausgegangen – die waren alle so fokussiert“, so Meier, der sich bereits seit 2006 im Leuseler Vorstand befindet und aktuell in seinem dritten Jahr als Vorsitzender wirkt.

Klar, nach wie vor gilt es in der laufenden Runde noch drei Spiele – drei Heimspiele – zu absolvieren, ganz vorbei ist das Programm nicht, doch schon jetzt darf man der SpVgg eine sensationelle und souveräne Spielzeit attestieren. Die Zahlen sprechen für sich: 23 Siege, vier Remis und zwei Niederlagen. Unvergessen auch der Sensationslauf der Alsfelder, die vom 16. Oktober 2016 an 14 Siege aneinanderreihten, ehe man gegen Leihgestern am 27. April erstmals Punkte liegen ließ.

In Erinnerung wird in Leusel aber vor allem der 7. Mai bleiben – der Tag des Triumphs, als man mit einem 3:1-Sieg gegen den MTV Gießen das Tor zur Gruppenliga unwiderruflich aufschlug, die überraschende Steilvorlage von Verfolger Watzenborn-Steinberg II, der zwei Tage zuvor überraschend patzte, nutzte und den Matchball verwandelte. „Am Sonntagmorgen war ich schon etwas nervös, auch relativ früh wach. Dann habe ich es aber sehr genossen. So wie es lief, das war schon klasse“, fühlt sich Meier nach wie vor freudetrunken. „Ich habe kurzfristig am Montag Urlaub genommen“, gesteht der Funktionär des Aufsteigers, der am Sonntag erst gegen halb zwölf von der spontanen Aufstiegsfeier nach Hause gekommen war. Erst wurden auf dem Platz feuchtfröhlich die Riesenweizenbier-Gläser geschwenkt, dann ging es im Vereinsheim weiter. Dort hatten sich die Spieler zwischenzeitlich zurückgezogen, kurz für sich in der Kabine den Moment genossen, ehe sie wieder zu den Fans, Angehörigen und Vereinsmitgliedern stießen. Ein symbolträchtiger Augenblick für Marco Meier: „Der Moment hat gezeigt, dass in der Mannschaft alles stimmt. Das war für mich ein sensationelles Gefühl. Das war ein sehr schöner Abend. Ich hoffe, dass das am 27. dann noch einmal getoppt wird.“

Am 27. Mai, dem letzten Spieltag nämlich, steht die eigentliche Aufstiegsfeier an – oder die andere oder offizielle Aufstiegsfeier, wie man möchte. Die Planungen hierfür laufen natürlich schon längst, das volle Programm wird vorab aber nicht verraten. In Leusel möchte man die Aufstiegshelden gerne auch etwas überraschen. Klar ist zumindest: Die alten Veteranen der Sportvereinigung, die vor exakt 20 Jahren in die Kreisoberliga aufgestiegen waren, werden allesamt vor Ort sein.

„Das passt einfach“, freut sich Meier über ein Jubiläumsjahr, in dem einfach alles zusammenkommt. Selbst Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule hat sein Kommen am finalen Spieltag angekündigt, wenn in Leusel ausgerechnet mit dem Derby gegen die SG Altenburg/Eudorf/Schwabenrod das Kapitel Kreisoberliga geschlossen wird. „Da muss er nur schauen, dass er den richtigen Schal anzieht“, sagt Marco Meier augenzwinkernd, ergänzt aber prompt: „Oder am besten beide, die hat er ja mittlerweile.“

Doch nicht nur das Stadtoberhaupt will der SpVgg die Ehre erweisen, schon jetzt regnen zahlreiche Ehrbekundungen in den Sielweg in Alsfeld-Leusel. So wurden die Grün-Weißen bereits von Alsfelds Kreisfußballwart Frank Heller und seinem Gießener Pendant Henry Mohr beglückwünscht. Auch zahlreiche ehemalige Spieler aus dem Gießener Raum haben sich gemeldet – und natürlich noch viele weitere Sympathisanten der Sportvereinigung. „Das war eine schöne Geste“, freut sich Meier über den Zuspruch.

Bei aller Euphorie in diesen Tagen kann man den Moment indes auch noch einmal gut nutzen, um über die jüngere Geschichte der Leuseler nachzudenken.

Wie kam die Meisterschaft zustande – und warum gerade jetzt, in der Saison 2016/17? Für Marco Meier gibt es vor allem einen Grund: Trainer Ertac Caliskan, der vor viereinhalb Jahren das Ruder bei der SpVgg übernommen hatte. „Als Jan Krätschmer hier noch Trainer war, da kamen ja schon Spieler dazu, die Gruppenligaerfahrung hatten, da haben wir uns schon gedacht: Das könnte was werden. Und dann hatten wir irgendwann mal die Reißleine gezogen und mit Ertac Caliskan einfach einen Glücksgriff gemacht. Und wenn man seine Handschrift sieht, dann hat er in den letzten Jahren wirklich jeden einzelnen Spieler nach vorne gebracht und auch die Mannschaft. Da muss ich schon sagen: Hut ab!“

Angedeutet hatte sich der Höhenflug der Leuseler ja schon länger. Bereits seit drei Jahren ist man in Leusel im Grunde dran gewesen, die nächst höhere Stufe zu erreichen, verpasste etwa in der vorletzten Runde nur haarscharf die Aufstiegsrelegation und wurde in der vergangenen Saison immerhin Tabellenfünfter. Wirklich wundern müssen einen diese Leistungen freilich nicht, denn wie Meier bereits andeutete: Mit beispielsweise Keeper Rene Körner, Philipp Döring, Michel Jäpel, Christoph Ruppel und Sven Bambey wusste die SpVgg schon länger einige gruppenligaerfahrene Recken in ihren Reihen – doch erst Caliskan vermochte dem Kollektiv den letzten und entscheidenden Schliff zu verpassen. Zu Gute kam den Leuselern, die natürlich auch von einem hervorragenden Teamgeist leben, ferner die beeindruckend eingeschlagenen Neuzugänge, die vor der aktuellen Saison zum Kader gestoßen waren und es zügig zu unverzichtbaren Stammkräften gebracht haben: Lukas Ruppel, Marius Eifert (14 Saisontore) sowie Tobias Kubitzek (9 Saisontore). „Die hatten uns wohl noch gefehlt“, meint Meier, dessen Verein das Ziel „Aufstieg“ ja bekanntlich erst nach der letzten Winterpause publik gemacht hatte: „Das inoffizielle Ziel war schon, dass wir aufsteigen wollten, gerade nachdem wir vor zwei Jahren knapp gescheitert sind. Aber nach außen hin haben wir das anders gehalten, das ist ja blöd, wenn man das sagt und man packt es dann nicht.“

Zufrieden und erleichtert über das Erreichte ist selbstverständlich auch Trainer Caliskan. „Zu Rundenbeginn haben wir mit den Jungs darüber gesprochen, dass, wenn alles gut läuft, wir oben mitmischen wollen. Und irgendwann hat man dann wirklich gesehen, dass es was werden könnte. Mein Lob an den ganzen Verein und an das Umfeld. Es gab natürlich auch immer mal wieder so Kleinigkeiten, wo es unruhig war. Aber das haben wir immer gut intern geklärt. Insofern haben wir das alles ganz gut gemacht“, so der Erfolgstrainer, der natürlich auch kommende Runde wieder an der Leuseler Seitenlinie stehen wird – das steht außer Frage.

Fraglich ist hingegen noch, wer so alles im SpVgg-Dress auflaufen wird. Bereits jetzt steht fest: Top-Goalgetter Marius Bublitz (30 Saisontore) sowie Sven Bambey werden am Projekt Gruppenliga nicht mehr teilnehmen, die beiden Leistungsträger verschlägt es noch eine Etage höher: Zum Verbandsligisten SV Hünfeld. Angst und Bange muss der Caliskan-Elf dennoch nicht werden, denn alle anderen Stammkräfte bleiben dem Verein natürlich erhalten. Ferner, so Marco Meier, seien sechs Neuzugänge geplant, von denen bereits drei feststehen, aber nur einer öffentlich genannt werden kann. „Der Stefan Lerch kommt zu uns zurück und das freut mich wirklich“, so der Vorsitzende über das Comeback Lerchs, der zuletzt für die SG Romrod/Zell unterwegs war.

Bevor man sich aber endgültig mit der neuen Spielzeit befasst, soll in Leusel erst einmal der Augenblick genossen werden – und dafür eigenen sich drei Heimspiele in Folge natürlich prächtig. Und dann steht ja auch noch das Kreispokalfinale am 5. Juni gegen den A-Ligisten FSG Ohmes/Ruhlkirchen an. „Die Mannschaft hat sich einfach gegenseitig gepuscht und wir stehen nun nicht umsonst da oben“, so Meier, der sich übrigens wünscht, dass die FSG Homberg/Ober-Ofleiden die Klasse in der Gruppenliga halten könnte: „Es ist schade, ein Derby mit Homberg, das wäre schon ein Event. Aber vielleicht kann da auch eine andere Mannschaft aus der Region mal nachziehen.“ Doch auch ohne Vogelsberger Derby-Spiele dürfte man sich in Leusel auf die Zukunft in der dritthöchsten Spielklasse des Landes Hessen freuen – der „Dinosaurier“ blickt einem neuen Zeitalter entgegen.

Aufrufe: 013.5.2017, 06:00 Uhr
Christian Németh (Oberhessische Zeitung)Autor