2024-05-10T08:19:16.237Z

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Mateusz Krawiec (vorne) streift sich mittlerweile seit dreieinhalb Jahren das Trikot der SpVgg Hankofen-Hailing über.
Mateusz Krawiec (vorne) streift sich mittlerweile seit dreieinhalb Jahren das Trikot der SpVgg Hankofen-Hailing über. – Foto: Paul Hofer

Der Jahn senkte den Daumen - ein Glücksfall für Hankofen

Mateusz Krawiec (26) musste sich nach dem geplatzten Profitraum neu orientieren. Warum es ihn ausgerechnet in die niederbayeriche Provinz verschlagen hat

Im Sommer 2016 begann für Mateusz Krawiec ein neues Leben. Vor dreieinhalb Jahren heuerte der heute 26-Jährige bei der SpVgg Hankofen-Hailing an. Seitdem ist der ehemalige polnische U16-Nationalspieler nicht mehr wegzudenken bei den "Dorfbuam" aus der niederbayerischen Provinz. Wie hat er sich eingelebt, was macht er beruflich, wie sehen seine Zukunftspläne aus? FuPa hat sich mit dem hochgewachsenen Modellathleten unterhalten.

In seiner Mittagspause nimmt sich Mateusz Krawiec kurz Zeit. Der Pole arbeitet in der Nähe von Bogen für einen Hersteller von Geflügelspezialitäten in der Logistikabteilung. "Ich habe jetzt einen Bürojob. Für einen Fußballer nicht schlecht, da bin ich körperlich nicht so gefordert wie zuvor, als ich im Lager gearbeitet habe. Dafür muss ich mehr denken", lacht der freundliche junge Mann, der gebürtig aus Wałbrzych (dt. Waldenburg) rund 65 Kilometer von Breslau entfernt stammt. 2016 war es, als er im Alter von 23 Jahren beschloss, seine Heimat zu verlassen und im Ausland sein Glück zu versuchen. Für die U16-Nationalmannschaft Polens war er anno dazumal unterwegs, dennoch waren seine Dienste im professionellen Fußball seines Heimatlandes nicht mehr gefragt. "Mein damaliger Berater meinte dann, er würde für mich in Deutschland etwas finden", erzählt der 1,90 Meter große Mittelfeldmann.

SSV-Coach Heiko Herrlich sagte nein - und die Tür für Hankofen ging auf.

Zunächst aber wollte der Einflüsterer seinen Klienten in der österreichischen Hauptstadt unterbringen, doch aus dem geplanten Engagement in Wien wurde nichts. Die Odyssee ging weiter donauaufwärts bis nach Regensburg. "Ich habe dann ein Probetraining beim SSV Jahn absolviert, der damals noch in der dritten Liga spielte. Trainer Heiko Herrlich hat mir dann eröffnet, dass es für mich sehr schwierig wird. Ich sollte daraufhin zwei Wochen in der U21 mittrainieren. Aber das ging nicht, ich konnte nicht so lange warten. Dann hat sich schließlich die SpVgg Hankofen-Hailing bei mir gemeldet." Die gewieften Kaderplaner der "Dorfbuam", Richard Maierhofer und Walter Brunner, boten Krawiec an, doch einmal bei der SpVgg mitzutrainieren. Dann könne er immer noch entscheiden, ob er kommen wolle oder eben nicht. Und Krawiec gefiel, was er sah!

Kein Wort Deutsch: Der Anfang war sehr schwer.

Doch aller Anfang in Deutschland war schwer, sehr schwer. Zunächst war da das Sprachproblem. "Ich habe Deutsch in der Schule nie gelernt, nur Englisch. Ich kam Anfang August nach Hankofen, da war Ferienzeit und da wurden keine Sprachkurse angeboten." Dreimal die Woche war Training, den Rest der Zeit saß Krawiec in seiner Wohnung in Weitenhülln zwischen Hankofen und Mengkofen, wo er auch heute noch lebt, und war quasi zum Däumchendrehen verdammt. Das wurde ihm dann doch zu eintönig: "Ich wollte und musste die Sprache lernen. Ich habe mir dann einige Bücher besorgt und versucht, mir zumindest die wichtigsten Worte selber beizubringen. Es war sehr schwer, aber so konnte ich zumindest die elementaren Sachen aufschnappen. Nach der Ferienzeit habe ich dann einen viermonatigen Kurs an der VHS belegt." Mittlerweile ist die Sprachbarriere längst gefallen, nur mit dem lokalen Dialekt kann er sich noch nicht wirklich anfreunden, wie er lachend zugibt: "Bayerisch? Naja, ein paar Begriffe habe ich gelernt, weil`s einfach schneller und einfacher geht. Ich verstehe es, aber reden fällt mir schon noch sehr schwer."

Angebote gibt es immer wieder, aber die sportliche Perspektive muss passen.

Im Sommer ist Mateusz Krawiec in seine vierte Saison bei der Spielvereinigung gegangen. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass es ihm in Hankofen einfach taugt. "Diese Stimmung, diesen Zusammenhalt, das kannte ich so vorher nicht. Hier ist das wie eine große Familie. Zudem macht es riesig Spaß. Zu unseren Heimspielen kommen immer 400, 500 Zuschauer. Wir werden immer unterstützt, auch wenn es mal nicht so läuft", betont er. Zudem weiß er besonders im Alltag einen weiteren Umstand sehr zu schätzen: "Die Familien Maierhofer und Brunner machen enorm viel für die SpVgg, das ist bekannt. Wenn ich Hilfe brauche, kann ich mich an sie wenden. Der Verein hat mich auch bei der Jobsuche unterstützt." Längst ist Krawiec nicht nur wegen seiner imposanten Erscheinung zu einem Fixpunkt im Spiel der Elf von Coach Gerry Huber geworden. Lauf- und zweikampfstark kurbelt er im Zentrum an - mit einer kleinen Schwäche, die man auf den ersten Blick nicht vermuten würde: "Weil mein Kopfballspiel nicht so gut ist, schieße ich immer die Standards", schmunzelt der 26-Jährige. Dass seine Qualitäten anderen Klubs nicht verborgen bleiben, versteht sich von selbst. Im Sommer lagen ihm "vier bis fünf Angebote" vor. Das lukrativste kam vom Ligakonkurrenten Donaustauf, wie er bestätigt: "Aber dann hätte ich neben dem Fußball wieder viel ändern müssen. Das kommt für mich eigentlich nur in Frage, wenn ich mich sportlich verbessern kann, sprich zum Beispiel in die Regionalliga wechseln könnte."

Ballgefühl hat Mateusz Krawiec.
Ballgefühl hat Mateusz Krawiec. – Foto: Paul Hofer

Irgendwann zurück in die polnische Heimat.

Das ist aber im Moment kein Thema, zwei Spiele stehen in der Bayernliga Süd für Krawiec und Kollegen noch aus, bis es in die Winterpause geht. "Am besten zwei Siege", würde er noch gerne holen. Dann würde sicher der Urlaub noch entspannter ausfallen. Denn einen Tag nach der abschließenden Partie in Donaustauf hebt Krawiec mit seiner Freudin, die er eher selten sieht weil sie in Stettin an der Ostsee studiert, Richtung Sonne ab. Es geht auf die Kapverdischen Inseln. Im Urlaubsparadies vor der afrikanischen Westküste will er sich bei sommerlichen Temperaturen von einem anstrengenden Jahr erholen. Anschließend geht`s nach Hause nach Polen, wo die beiden die Weihnachtstage verbringen werden. "Wenn ausreichend Schnee liegt, werde ich wahrscheinlich auch ein wenig Skifahren gehen", meint Krawiec. Irgendwann, ja irgendwann, will er dann Deutschland wieder ganz den Rücken kehren. Schon letztes Jahr ist er nach einem Angebot aus der zweiten polnischen Liga schwer ins Grübeln gekommen, doch am Ende wurde daraus nichts. "Natürlich möchte ich, wann immer das auch sein wird, zurück in meine Heimat. Ich habe nicht geplant, für immer in Deutschland zu bleiben, auch wenn es mir hier wirklich gut gefällt." Dahoam is dahoam, wie der Bayer sagen würde. Und wenn er dereinst auf seine Zeit in der Bundesrepublik zurückblickt, wird er besonders viel über einen kleinen Ort im Gäuboden zu erzählen haben.

Aufrufe: 021.11.2019, 15:12 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor