2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der Kampf gegen die Kraftlosigkeit

Martin Rückauer hat jahrelang im Bezirk Fußball gespielt - heute kämpft er gegen dein eigenen Körper

Dies ist die Geschichte von Martin Rückgauer. Einem jungen Mann, der gegen eine Krankheit kämpft, die unbezwingbar scheint. Weil jegliches Gegenmittel fehlt und sie oft nicht als Krankheit anerkannt wird. Jahrelang war Martin aktiver Fußballer, ein Laufwunder. Gespielt hat er für die DJK-SG und die Union Wasseralfingen. Heute ist sogar langes Gehen zu viel. Hier geht's zur großen Multimedia-Reportage.

Einkaufswagen scheppern über den Parkplatz des Edeka-Supermarktes in Aalen. Monoton und nervtötend piepsen die acht Kassen im Akkord. Die Verkäuferin hinter der Bäckertheke quäkt zum dritten Mal: "Darf's noch was sein?" Stimmengewirr, Menschenmassen.

Der Wocheneinkauf am Samstagnachmittag ist für niemanden angenehm. Für Martin Rückgauer ist er Tortur. Der Lärmpegel, das Gedränge zwischen den Regalen, das Laufen und Taschentragen zehrt so sehr an seinen Kräften, dass er manchmal gar nicht selbst einkaufen gehen kann. Wenn er doch geht, muss er sich danach oft für mehrere Stunden hinlegen.

Der 21-Jährige trägt modernen Kantenschnitt, ein v-förmig ausgeschnittenes T-Shirt, Jeans und Sneaker. Die von weit hervorstehenden, dichten Augenbrauen überdachten, blauen Augen strahlen sein Gegenüber an. Als ich Martin das erste Mal nach Jahren wieder treffe, um über ihn zu schreiben, drehen sich die ersten zehn Minuten des Gesprächs um mich, darum wie es mir so ergangen ist.

Erst dann reden wir über seine Geschichte. Die Geschichte eines jungen Mannes, der abrupt aus seinem heilen, perfekt-normalen Leben gerissen wurde und seither gegen eine Krankheit kämpft, die kaum ein Arzt zu fassen bekommt, gegen die es bisher kein ausreichend getestetes Gegenmittel gibt. Gleichzeitig erzählt seine Geschichte auch die von vielen, die darauf hoffen, unterstützt zu werden im Kampf gegen diese Krankheit.

Martin und schätzungsweise 300.00 bis 400.000 weitere Patienten in Deutschland - so beziffert zumindest die Stiftung Lost Voices die Zahl der Erkrankten - leiden unter dem Chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS), auch Myalgische Enzephalomyelitis (ME) genannt. Rund 25 Prozent der Patienten seien pflegebedürftig und bettlägerig. Das Krankheitsbild ist kaum erforscht, auch deshalb kann eine Diagnose nur über Symptome gestellt werden, einen klaren Indikator wie einen Bluttest gibt es nicht. Dafür zwei Hauptkriterien für eine Diagnose: Die Leistungsfähigkeit eines Menschen gegenüber seines gesunden Ichs sollte zu mehr als 50 Prozent eingeschränkt sein und dieser Zustand seit mindestens sechs Monaten bestehen. Oft sind das nicht die einzigen Symptome. Betroffene können sich nicht mehr konzentrieren, sie leiden unter dauerhafter Übelkeit und können sich Dinge schlecht merken.

Was das für Betroffene bedeutet, ist für gesunde Menschen kaum vorstellbar. Deshalb ist es für Martin so wichtig, mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, mit Vorurteilen zu brechen und ein Bewusstsein für CFS/ME zu schaffen.


Viele Jahre lang war aktiv als Fußballer in Wasseralfingen unterwegs. In der Jugend für die DJK-SG, später, als sich die drei Wasseralfinger Vereine zusammenschlossen, für die Union. Martin hatte Potential, in der Jugend hatte er sogar in Auswahlmannschaften gespielt. Er war kein Edeltechniker, der seine Gegner auf einem Bierdeckel schwindlig spielen konnte. Dafür rannte er über den Platz wie aufgezogen, schnell, wendig, aggressiv gegen Gegner und Ball. Fit von der großen Zehe bis in die Haarspitzen.

Heute ist jeglicher Sport für Martin undenkbar.

Die große Multimedia-Reportage über Martin und CFS/ME findet ihr HIER.

Aufrufe: 029.3.2018, 19:34 Uhr
Matthias Thome | SchwäPo / TagespostAutor