2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
"Der Männer-Profifußball ist dominant, dass er alles andere erschlägt. Den Amateurfußball der Männer, den Frauenfußball und den Jugendfußball", sagt Bärbel Petzold. F: Lörz
"Der Männer-Profifußball ist dominant, dass er alles andere erschlägt. Den Amateurfußball der Männer, den Frauenfußball und den Jugendfußball", sagt Bärbel Petzold. F: Lörz

»Der Profifußball erschlägt alle«

BÄRBEL PETZOLD Die Funktionärin aus Alzey sieht zu viel Geld im System – und das ungerecht verteilt

ALZEY. Die Alzeyerin Bärbel Petzold ist seit Jahren in vielen Gremien des organisierten Fußballs vertreten, weil – oder obwohl? – sie als Ur-Repräsentantin des Frauenfußballs immer wieder einmal aneckt. Auch im Interview bezieht sie klar Stellung, ihre Stellung.

Frau Petzold, vor Jahren avisierte ein Sportjournalist, der Fußball wird weiblich. Hat er Recht behalten?

Nein. Der Fußball ist geblieben, was er immer war. Der Männer-Fußball ist dominant – nein: Der Männer-Profifußball ist dominant, dass er alles andere erschlägt. Den Amateurfußball der Männer, den Frauenfußball und den Jugendfußball.

Das klingt kritisch ...

... ich sehe Vieles auch kritisch. Unter anderem den Zirkus, den der mediale Fußball bietet. Da wäre eine basisorientierte Rückbesinnung dringend erforderlich. Es gibt inzwischen zu viele Selbstdarsteller, die kaum mehr als Vorbilder für die Jugend taugen, es aber leider sind.

An wen denken Sie?

Neymar, zum Beispiel. Es ist für mich eher kein Vorbild. Wir bräuchten mehr solcher Persönlichkeiten, wie Philipp Lahm eine ist. Oder – mit kleinen Einschränkungen – Mats Hummels. Aber ich mache es auch an den Strukturen fest. Je mehr Geld im Spiel ist, desto abgehobener ist der Fußball in der Gesellschaft. Ich glaube, die Entfremdung wächst.

Dabei ist es doch gut, Geld. Je mehr im Profibereich verdient wird, desto besser geht es den Amateuren. Beißen Sie da nicht nach der Hand, die füttert?

Nein. An der Fußball-Basis kommt von dem vielen Geld, das an der Spitze generiert wird, doch nur ein ganz, ganz geringer Bruchteil an. Im Gegenteil sogar: Frauen und Mädchen bekommen immer weniger Geld. Ich mag mir noch gar nicht ausmalen, welche Konsequenzen das frühe Aus der Nationalmannschaft bei der WM in Rußland hat. Da ist beim Deutschen Fußball-Bund mit einem Einnahmeausfall zu rechnen, der über Einsparungen kompensiert werden muss. Ich ahne schon, wo gespart wird.

Andererseits sind Sie es, die dem Kommerz im Fußball reserviert gegenübersteht. Geld verdirbt den Charakter, pflegen Sie zu sagen ...

... ich will mal so sagen: Im Frauenfußball ist weniger, oder besser: so gut wie gar kein, Geld im Spiel. Insofern ist er viel ursprünglicher. Das gilt in ähnlicher Weise auch für den Männer-Amateurfußball, auch wenn man sich manchmal schon wundert, in welchen Klassen Spieler bereits finanziell entlohnt werden. Aber das ist doch nichts im Vergleich zu dem, was in der Ersten und Zweiten Liga bezahlt wird. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass die Profis ordentlich verdienen, weil sie nur zehn, zwölf Jahre als Fußballer arbeiten können. Aber muss deshalb jemand 30 Millionen Euro im Jahr verdienen? Das versteht kein Mensch mehr.

Wechseln wir zurück in den Amateurbereich, wo Sie als Mitglied im Frauen- und Mädchenausschuss des Deutschen Fußball-Bundes Mitwirkungschancen haben ...

... nett formuliert. Wir kümmern uns um die Frauen-Bundesliga, um den Länderpokal der Frauen-Auswahlmannschaften und den DFB-Pokal. Bei wichtigen Entscheidung, etwa der Neubesetzung der Frauen-Bundestrainer-Stelle wurden wir nicht einmal gefragt. Hannelore Ratzeburg, die sogar im DFB-Prädium sitzt, übrigens auch nicht, wie sie mir sagte.

Das heißt, Sie haben als Funktionärin keinen sportpolitischen Einfluss?

Im Südwesten, also im Regionalverband und im Südwestdeutschen Fußballverband, schon, da bin ich lange genug dabei.

Hat Ihre Stimme Gewicht?

Ich denke schon, auch wenn ich mich nicht überall durchsetzen kann. Wir müssten meines Erachtens im Fußball eine größere Vielfalt zulassen. Der Männerfußball könnte sich einiges vom Frauenfußball abschauen und tut es allmählich auch. Etwa mit der Einführung des Norweger-Modells, das Flexibilität in der Mannschaftsstärke zulässt. Gerade im Breiten- und Freizeitsport ist es wichtig, sich an die gegebenen Verhältnissen der Vereine anzupassen. Bis zu einer gewissen Stufe sollten da Freiheiten gegeben werden, des Spielens willen.

Sie regten auch einmal an, dass die Verwaltung aller Spielklassen von hauptamtlichem Personal übernommen werden sollte ...

... ja. Ich sehe diese Aufgabe nicht bei den ehrenamtlich organisierten Kreisvorständen. Sie davon zu entlasten, damit sie sich um basisnahe Projekte für und im Namen des Fußballs kümmern können, hielte ich für eine viel wichtigere Aufgabe als das Management von Spielplänen und Kontrollieren von Spielberichtsbögen. Aber vielen mangelt es an der Fantasie, was sie tun könnten, wenn ihre klassischen Aufgaben andernorts erledigt werden. Und der eine oder andere befürchtet wahrscheinlich auch, Macht und soziale Geltung zu verlieren. Von daher fand ich wenig Sympathie für diesen Vorschlag.



Zur Person

Bärbel Petzold ist multifunktional- Sie spielte Tischtennis und Fußball und engagiert sich seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Gremien des organisierten Sports. Unter anderem hat sie einen Sitz im DFB-Aussschuss Frauen und Mädchen. Im Südwestdeutschen Fußballverband ist die Pensionärin Vorsitzende des gleichnamigen Ausschusses.

Aufrufe: 020.7.2018, 20:00 Uhr
Claus RosenbergAutor