2024-05-02T16:12:49.858Z

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Schiedsrichter Ronny Jenchen. Foto FuPa
Schiedsrichter Ronny Jenchen. Foto FuPa

„Schiedsrichter zu sein bedeutet Stress“

Interview mit dem Bezirksliga-Schiedsrichter Ronny Jenchen

In diesen Tagen soll – zumindest laut Spielplan – in der Bezirksliga 3 schon die Rückserie der Saison 2017/18 beginnen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen auf dem Platz nicht nur die Mannschaften, sondern auch die Schiedsrichter. Im Interview mit ZZ-Mitarbeiter Andreas Meier spricht der Unparteiische Ronny Jenchen (SV Kuhstedtermoor) über Themen wie Respekt auf dem Platz, Nachwuchsschiedsrichter und Kritik. Der 42-Jährige gehört zu den profiliertesten Fußball-Schiedsrichtern im Landkreis Rotenburg. Er pfeift unter anderem im Juniorenbereich in der Niedersachsenliga und im Herrenbereich auf Kreis- und Bezirksebene.

Wie sind Sie Schiedsrichter geworden?
Das war eher Zufall. Ich habe bei einer Jugendmannschaft im Kreis Stade als Schiedsrichter ausgeholfen. Mein Sohn spielte damals Fußball und auch hier ergab es sich oft, dass ich – wenn mal ein Schiedsrichter kurzfristig verhindert war – als Unparteiischer eingesprungen bin. Ich wurde dann neugierig und wollte meinen Job so gut wie möglich machen. Da ich schnell an die Grenzen meiner Regelkenntnis stieß, war die logische Konsequenz, die Schiedsrichterausbildung zu absolvieren.

Der Schiedsrichter-Job gilt ja nicht unbedingt als einfach. Wie überzeugen Sie junge Leute, Schiedsrichter zu werden?
Ich habe sehr großen Respekt vor jungen Menschen, die sich für diesen Job entscheiden. Wenn ich manchmal einen jungen Schiedsrichter beobachte oder wir zusammen im Team losfahren, nehme ich dessen Arbeit bewusst wahr. Die mentale Stärke mancher, noch recht junger Schiedsrichter ist bemerkenswert. Schiedsrichter zu sein bedeutet Stress, jeder zerrt an dir, will dich manipulieren. Du musst in Sekundenbruchteilen entscheiden, immer präsent sein und oft ungefiltert kommunizieren. Zeit zum Überlegen gibt es selten. Dies alles formt den Charakter ungemein.

Wie beurteilen Sie den Schiedsrichter-Nachwuchs?
Ich sehe manchmal wirklich gute Leistungen von Jungschiedsrichtern und habe mir als Ziel gesetzt, mich für die Förderung von Talenten einzusetzen. Am Ende steht ein wirklich tolles Hobby und ich würde mich freuen, den einen oder anderen ein Stück auf seinem Weg zu begleiten, indem ich meine Erfahrung weitergebe.

Zuletzt wurden Sie von Sottrums Coach Vitalij Kalteis nach der 1:2-Niederlage seiner Elf in Selsingen stark kritisiert. Wie gehen Sie mit so einer auch öffentlich geäußerten Kritik um?
Das gehört dazu. Der Job bringt immer Kritik mit sich. Es kann durchaus sein, dass man mal eine Fehlentscheidung trifft. Aber wir sind alle nur Menschen. Das gehört dazu. Ich entscheide immer, was ich sehe, beziehungsweise was das Team sieht. Wenn man sich von Spielern, Trainern oder Zuschauern beeinflussen lässt, ist man nicht mehr neutral. Ich gehe davon aus, dass auch Herr Kalteis in die Nachbearbeitung des Spiels gegangen ist und die Leistung seiner Mannschaft analysiert hat. Er wird sich gefragt haben, ob man wegen zwei aus seiner Sicht unkorrekten Entscheidungen verloren hat oder ob es in der Spielzeit von über 90 Minuten doch noch andere Faktoren gab, die zur Niederlage geführt haben. Er wird immer wieder auf Unparteiische treffen, die er nicht manipulieren kann. Es wäre von daher eigentlich nur logisch, sich auf für ihn beeinflussbare Faktoren zu konzentrieren.

War das ein Ausnahmefall? Wie würden Sie als Schiedsrichter das Verhalten von Trainern, Spielern und auch Zuschauern beschreiben?
Die meisten Spiele laufen in einem vernünftigen Rahmen ab. Dass die Öffentlichkeit – wie in diesem Spiel – dazu benutzt wird, um seinem Unmut Luft zu machen, ist jedoch bei einigen Spielen normal geworden. Der Leser macht sich dann ein sehr einseitiges Bild. So bleibt der fade Beigeschmack, dass wir als Schiedsrichter Spiele entscheiden würden. Für alle gehören gerade diese Emotionen zum Fußball dazu. Die wollen einen zähnefletschenden Klopp. Das ist genauso, wie alle hoffen, dass einer von zwei Boxern K.o. geht. Mann muss immer was zu diskutieren haben, denn wenn alles gut läuft, ist es ja auch nicht interessant.

Hat sich da etwas in den letzten Jahren geändert?
Ich muss leider sagen, dass der Respekt über die Jahre abgenommen hat. Nicht nur gegenüber den Unparteiischen, auch der Respekt der Spieler untereinander. Ich frage mich manchmal: Wie kann man da so reingehen? Die Spieler vergessen scheinbar häufig, dass zum Spiel auch ein Gegenspieler gehört. Ich habe das Gefühl, dass das schlimmer geworden ist. Hier wird der alltägliche Frust mit auf den Platz genommen.

Was für Probleme sehen Sie noch?
Es gibt ein großes Wissensdefizit über das doch sehr komplexe Regelwerk. Während wir Schiedsrichter uns ständig auf Lehrabenden fortbilden und jährlich eine Prüfung ablegen, ist es für die spielende Zunft schwer, auf dem Laufenden zu bleiben. Es ändert sich jährlich immer etwas an den Regeln und das ist nicht immer für jeden nachvollziehbar. So kommt es auf dem Spielfeld teilweise zum Kopfschütteln über eine wieder mal nicht nachvollziehbare Entscheidung, die ganz oft bei genauerer Betrachtung ein „Achso“ nach sich zieht.

Wie könnte man aus Ihrer Sicht das Verständnis und Verhältnis untereinander verbessern?
Fast alle Spieler, die sich irgendwann entscheiden Schiedsrichter zu werden, berichten, dass sie den Job jetzt ganz anders sehen. Das wäre eine Option. Ich persönlich finde es wirklich klasse, wenn sich nach dem Spiel ein Dialog entwickelt. Vieles klärt sich dann auf. Das kenne ich auch so aus Sottrum. Dort gab es bis auf diese Ausnahme hinterher immer ein vernünftiges Feedback. Nur so können sich beide Seiten weiterentwickeln und mögliche Fehler aufgearbeitet werden. Man muss sich nicht besonders mit Kommunikation auskennen, um zu ahnen, was nun der bessere Weg ist: Gift und Galle in der Zeitung zu spucken oder das vernünftig zu besprechen. Vielleicht gibt es öfter ein „Achso“ als man glaubt.

Was würden Sie sich für das Sportjahr 2018 wünschen?
Mehr Respekt unter allen Beteiligten und dass es wieder um Fußball geht. Ich finde, dass ein Grundgedanke im Sport ist, sich mit anderen zu messen. Mal ist man der Bessere und manchmal eben auch der andere. Dies zu akzeptieren und sich anschließend die Hände zu geben, wäre ein Anfang.

Noch eine Frage zum großen Fußball: Was halten Sie vom Videobeweis?
Im Profisport werden Spieler nach Budget eingekauft und wieder verkauft. Wer das meiste Geld hat, hat gute Chancen, später auch der Beste zu sein. Diese Investition muss sich lohnen und da ist es nur logisch, bei kritischen Entscheidungen nichts dem Zufall zu überlassen. Hier wird die größte Fehlerquelle – der „Faktor Mensch“, der im Übrigen 70 Prozent der Fehler ausmacht – minimiert. Geben wir der Sache eine Chance, denn wir müssen damit leben.

LINK: Viele weitere Berichte über den Amateurfußball im Kreis Rotenburg


Dieser Artikel stammt von der Zevener Zeitung

Aufrufe: 022.1.2018, 09:46 Uhr
Zevener Zeitung / Andreas MeierAutor