2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Guerino Capretti lernt in Hennef beim Fußball-Lehrer-Lehrgang vom DFB unter anderem den professionellen Umgang mit Medien kennen. In einem dreitägigen Rhetorik-Seminar gab es auch ein Interview-Training.
Guerino Capretti lernt in Hennef beim Fußball-Lehrer-Lehrgang vom DFB unter anderem den professionellen Umgang mit Medien kennen. In einem dreitägigen Rhetorik-Seminar gab es auch ein Interview-Training. – Foto: Jens Dünhölter

Rino Capretti: "Miro Klose schaute sich unsere Spiele an!"

Der 38-jährige Coach des SC Verl hat den Aufstieg in die 3. Liga gemeistert. Durch eine Sonderregelung durfte Capretti nachträglich in den bereits laufenden 67. DFB-Fußball-Lehrer-Lehrgang reinrutschen.

Guerino Capretti, seinerseits Trainer des Drittliga-Aufsteigers SC Verl, spricht im Interview über seine Teilnahme am Fußball-Lehrer-Lehrgang, mögliche Neuzugänge und ein Gespräch beim Essen auf italienisch mit einem Weltmeister.
Herr Capretti, Sie kommen gerade vom Fußball-Lehrer-Lehrgang in Hennef und haben just ein Seminar hinter sich gebracht, in dem es um die Arbeit mit Medien und Journalisten ging. Muss ich Angst haben, dass ich nichts aus Ihnen heraus bekomme?

Guerino Capretti: Ganz so schlimm ist es nicht. Es ging bei dem Seminar vor allem um Rhetorik, aber auch darum auf so manche Tücke im Interview zu achten. Egal ob es gerade im Verein gut oder schlecht läuft – es gibt Fallen, in die man als Befragter hineintappen kann. Das habe ich von meinem Ausbilder jetzt vermittelt bekommen. Besonders beliebt sollen Fragen sein, mit denen Journalisten einen Trainer auf etwas festnageln wollen. Und später, wenn es dann nicht so läuft, wird das Gesagte dann gegen einen verwendet. Da muss man aufpassen.


Dann kommt hier der erste Test: Welche Ziele wollen Sie mit dem SC Verl in der anstehenden Drittligasaison erreichen?


Capretti: Woher wusste ich, dass das jetzt kommt? (lacht) Wir werden uns nicht hinstellen und sagen, wir wollen einen bestimmten Tabellenplatz erreichen. Mein persönliches Ziel ist es, einen genau so attraktiven und schönen Fußball zu spielen wie wir das in der Regionalliga getan haben. Und ab Tag eins der Vorbereitung fangen wir an daran zu arbeiten. Zufrieden?


Noch nicht ganz. Als Aufsteiger ist Ihr Team vermeintlicher Underdog.
Inwieweit ist es überhaupt möglich die Spielphilosophie, die in der Regionalliga zum Erfolg geführt hat, auch eine Liga höher anzuwenden?

Capretti: Wir haben uns eine Identität erarbeitet. Diese haben wir dann mit Dynamik und Emotion gefüllt. Wir wollen die aktive Mannschaft und jederzeit Herr der Lage sein. Und das auch gegen den Ball. Dass wir mit dieser Philosophie Erfolg haben können, haben die Highlightspiele im DFB-Pokal der vergangenen Saison bewiesen. Wir können auch höherklassige Mannschaften beschäftigen und sie vor Probleme stellen. Deswegen bin ich total zuversichtlich mit unserem Fußball auch eine Liga weiter oben zu bestehen.


Bislang hat der SC Verl mit Pernot, Jürgensen und Korb drei Spieler mit relativ wenig Drittligaerfahrung als Neuzugänge vorgestellt. Auch der bestehende Kader hat nicht viele Profispiele aufzuweisen. Ist Ihre Mannschaft für die höhere Spielklasse überhaupt gut genug aufgestellt?


Capretti: Ich stelle mal eine Gegenfrage. Wer ist in der 3. Liga Meister geworden? Bayern II. Und wie war der Altersdurchschnitt? 18 bis 21 Jahre. Die Spieler hatten vor der Saison auch alle keine 100 Zweit- oder Drittligaspiele auf dem Konto. Lange Zeit haben sie auch gar nicht an der Tabellenspitze gestanden. Es war ein Lernprozess. Und das ist auch unser Weg. Wir scouten jeden Spieler und sind vollkommen überzeugt davon, dass sie uns in der 3. Liga weiter bringen. Wir haben uns nochmal verstärkt und gehen dann mit unserer Philosophie eine Liga höher. Da haben wir total Bock drauf.


Und wie kann der Abgang von Ron Schallenberg zum SC Paderborn kompensiert werden?


Capretti: Es ist kein Geheimnis, dass ich gerne mit Ron weiter gearbeitet hätte. Aber wir haben uns auf seiner Position verstärkt und Qualität dazu gewonnen. Nicht jeder ist gleich zu ersetzen. Es wird meine Aufgabe sein, Spieler wie Sascha Korb schnell zu integrieren und ihnen unsere Art Fußball klar zu machen. Aber auch mit Hendrik Lohmar hat uns ein wichtiger Spieler in der Zentrale verlassen. Deswegen wollen wir auf der Position noch einmal nachlegen. In den kommenden Tagen wird noch der eine oder andere Spieler zu uns stoßen. Aber natürlich wollen wir jetzt auch nicht alles fest machen. Wegen der Pandemie dauert alles etwas länger. Da werden wir den Markt natürlich beobachten.


Wenn wir schon einmal bei Paderborn sind – den SC Verl erwarten in der 3. Liga 38 Auswärtsspiele, die Hälfte davon in Paderborn. Wie geht das Team damit um?


Capretti: Darin sehe ich weder einen Vor- noch einen Nachteil. Das ist die Situation und die nehmen wir an. Wir sind total dankbar, dass das mit Paderborn geklappt hat und wir hier zusammenarbeiten. Das ist etwas total Positives.


Die 3. Liga war in der vergangenen Saison sehr ausgeglichen. Jeder konnte jeden schlagen. Wird das auch 2020/21 so sein?


Capretti: Es ist schwierig das zum aktuellen Zeitpunkt einzuschätzen. Viele Vereine befinden sich noch in der Kaderplanung. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Insofern kann ich nicht viel dazu sagen. Aber dass wir jetzt in einer Profiliga sind und uns mit Mannschaften messen dürfen wie Duisburg, Dresden, Magdeburg oder Hansa Rostock – das wird eine ganz andere Herausforderung als in der Regionalliga. Wir freuen uns auf die Spiele und bereiten uns entsprechend darauf vor. Wenn wir ein so eingeschworenes Team bilden, wie in der vergangenen Saison, können wir es schaffen.


Sie haben mit dem SC Verl erstmals den Sprung in den Profifußball geschafft. Inwieweit verändert ein solcher Schritt das Leben eines Amateurtrainers?


Capretti: Ich bin kein Lehrer mehr. Ich habe mit der Schulleitung besprochen: Kommt es zum Aufstieg, muss ich in die Ausbildung gehen und als Lehrer aufhören. Für die Situation hatte jeder Verständnis und jeder hat sich für mich gefreut. Ich hatte das Gefühl, dass man mir den Schritt in den Profifußball gegönnt hat. Leider hatte ich noch keine Möglichkeit mich vom Kollegium und den Schülern zu verabschieden – schließlich wurde die Schule wegen Corona kurzfristig geschlossen. Das werde ich aber in jedem Fall nachholen.


Kommen wir zurück zum Fußball-Lehrer-Lehrgang. Wir kam der zustande? Schließlich wurde Ihre Teilnahme ursprünglich abgelehnt.


Capretti: Ich habe mich beworben und bei Bewerbungsschluss hatte ich ein Kriterium nicht erfüllt. Am 15. Januar besaß ich die A-Lizenz noch nicht ein ganzes Jahr lang. Da fehlten mir zwei Monate und das war ein Ausschlusskriterium. Daher hat das auch nicht funktioniert. Daraufhin bin ich meine Optionen durchgegangen und habe mich dazu entschlossen, mich im nächsten Jahr noch einmal zu bewerben. Im Hinterkopf hatte ich aber immer, dass ein Aufstieg noch einmal andere Möglichkeiten ergeben könnte. Der DFB hat für solche Vorgänge immer einen zusätzlichen Platz frei. So findet der diesjährige Lehrgang nicht mit 24 sondern mit 25 Leuten statt. Ich bin quasi der 25. Mann. Ein Stück weit habe ich das meiner Mannschaft zu verdanken.


Wie muss man sich den Lehrgang in Hennef in Zeiten von Corona vorstellen?


Capretti: Die Präsenzzeiten sind von Montag bis Mittwoch. Ich reise sonntags an und bin dann im Hotel in Hennef. Am Mittwoch um 12 Uhr ist dann Schluss und dann fahre ich wieder nach Hause. Es war anfangs tatsächlich so, dass wir in Kleingruppen gearbeitet haben. Der komplette Kurs ist erst in der vierten Woche zusammen gekommen. Und natürlich halten wir uns an die Corona-Regeln. Wenn wir zusammen sind, sind wir das nicht in einer kleinen Kammer sondern in einem großen Seminarraum, haben die Tische im entsprechend großen Abstand aufgestellt. Da hält man sich dran und die Ausbilder geben sich unheimlich viel Mühe alle Regeln einzuhalten und allen gerecht zu werden. Es gibt auch digitale Zeiten, auch die Aufgaben werden digital weitergegeben. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich ständig vorm Computer sitze und es nur darüber geht. Wir sind schon viel zusammen und es ist bis jetzt alles sehr informativ.


Leidet die Vorbereitung mit dem SC Verl unter der dreitägigen Präsenzzeit pro Woche?


Capretti: Nein, die leidet nicht. Wir haben versucht, so gut es geht drumherum zu planen. Das Trainingslager in Marienfeld beziehen wir zum Beispiel von Donnerstag bis Sonntag. Da wäre ich dann sowieso dabei. Die nächsten drei Wochen sind dann dafür vorgesehen, dass wir einen Praktikumsblock machen. Die Zeit werde ich dazu nutzen, um bei uns im Verein zu arbeiten. So kann ich bei der Vorbereitung intensiv dabei sein. Natürlich wird es irgendwann mal so sein, dass ich auch mal eine Trainingseinheit fehle. Diese Einheiten werden dann aber schon vorher durchgeplant und strukturiert sein. Die Spieler müssen sie dann nur noch ausüben.


Mit Miroslav Klose und Kim Kulig treffen Sie beim Lehrgang auf große Namen. Auf der anderen Seite Rino Capretti, der Lehrer aus dem Kreis Gütersloh – wie fühlt es sich an mit solchen Persönlichkeiten ausgebildet zu werden?


Capretti: Es ist total spannend solche Größen auf einmal neben sich zu haben. Miro Klose, Kim Kulig oder Hanno Balitsch sind nur drei von ihnen. Wir haben eine ganz bunte Mischung. Viele arbeiten in Leistungszentren, unter anderem bei RB Leipzig und Borussia Dortmund. Als ich ankam, ging es aber nie um eine Hierarchie, die nach Erfolgen oder Bundesligaspielen gebildet wird. Alle waren direkt auf Augenhöhe. Auch ist jeder zu mir gekommen und hat zum Aufstieg gratuliert. Miro Klose sagte, er hat sich unsere Relegationsspiele angeschaut. Das ist toll. So wird einem der Einstieg total leicht gemacht.


Was kann man von solchen Persönlichkeiten lernen?


Capretti: Wir sind ständig im Austausch. Das ist von den Ausbildern auch so gewollt. Da ist es natürlich spannend, wenn die anderen von ihren Erfahrungen erzählen. Mit Miro Klose habe ich mich beispielsweise beim Essen auf italienisch unterhalten. Er hat über seine Zeit bei Lazio Rom und auch von der Weltmeisterschaft und der Nationalmannschaft gesprochen. Da hört man zu und nimmt total viel mit. Trotzdem ist er ein absolut bodenständiger, angenehmer Typ – wie alle anderen auch. Da gibt es viele Dinge, die ich aus Gesprächen herausziehen kann. Allein, wenn es um andere Sichtweisen geht.


ZUR PERSON

Seit dem 10. April 2017 ist Guerino Capretti Cheftrainer des SC Verl. Er wurde Nachfolger des damals entlassenen Andreas Golombek. Nach 112 Pflichtspielen an der Seitenlinie, darunter auch Partien im DFB- und Westfalenpokal, und einem Punkteschnitt von 1,66 stieg der 38-Jährige nach der vergangenen Regionalligasaison erstmals mit dem Sportclub in die 3. Liga auf. In Relegationsspielen setzten sich die Verler bedingt durch die Auswärtstor-Regelung gegen Lokomotive Leipzig durch (2:2, 1:1).

Mit dem Aufstieg ist der Deutsch-Italiener erstmals im Profifußball angekommen – sowohl als Spieler als auch als Trainer kam Capretti bislang nicht über ein Engagement in der Regionalliga hinaus. Als Innenverteidiger bestritt Capretti für den Sportclub 116 Partien, schoss dabei sechs Tore und bereitete außerdem einen Treffer vor.

Aufrufe: 026.7.2020, 14:00 Uhr
Christian Geisler / NW / FuPaAutor