2024-05-10T08:19:16.237Z

Vereinsnachrichten

SC Herford genauso schlecht wie der Hamburger SV!

Die Saisonbilanz des Westfalenligisten weist verblüffende Parallelen mit dem Verlauf der Zweitligisten auf.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte dem SC Herford ein Vergleich mit dem Hamburger SV womöglich sehr geschmeichelt. In der just beendeten Fußballsaison dürfte das Gegenteil der Fall sein, haben beide Mannschaften doch einen ebenso atemberaubenden wie langen Negativlauf hingelegt, der darin gipfelte, dass hier wie da die Saisonziele krachend verpasst wurden.

Die Parallelen sind verblüffend: Ähnlich wie der HSV in der 2. Bundesliga hat der Sport-Club in der Westfalenliga eine ganz starke Hinrunde gespielt, um dann in der zweiten Saisonhälfte komplett abzustürzen. Tiefpunkte beim SCH waren das unerklärliche 2:8 beim SuS Neuenkirchen Mitte März und die in der zweiten Maiwoche bekannt gewordene Trennung von Trainer Daniel Keller (29) zum Serienende – nur zweieinhalb Monate nachdem der Vertrag mit dem Coach vorzeitig über die Saison hinaus verlängert worden war.

Doch wie konnte es beim SC Herford zu diesem freien Fall kommen? In Zahlen ausgedrückt: 27 Punkten, nur eine einzige Niederlage (Ligabestwert) und Platz drei in der Hinrunde – gerade einmal vier Zähler hinter Spitzenreiter Preußen Münster II – stehen elf Punkte und der vorletzte Platz in der Rückrunden-Tabelle gegenüber. Als die Saison nach nur zwei Siegen im Jahr 2019 vor einer Woche endlich vorbei war, dürften alle Beteiligten froh gewesen sein. Oder doch nicht? „Nein, das nicht. Aber irgendwann waren wir in einem Negativstrudel drin, aus dem wir einfach nicht mehr herausgekommen sind“, sagt Daniel Keller.


"Die Mentalität ist stiften gegangen"

Bei der Ursachenforschung für diesen Absturz fallen bei den Verantwortlichen, aber auch bei den Fans und Beobachtern immer wieder zwei Schlagworte: Fehlende Einstellung und Verletzungspech. „Fußball ist sehr komplex, der Kopf spielt eine wichtige Rolle“, sagt Coach Keller, „in der Hinrunde hat die Mannschaft mit allem darum gekämpft, Siege zu verteidigen. Oder der Torwart hat in der Schlussminute spektakulär noch einen Ball gehalten. Wir waren sehr effektiv. Es hat vieles geklappt, was in der Rückrunde nicht mehr geklappt hat. Hier ist ein Stück weit die Mentalität stiften gegangen, die gewisse Bereitschaft alles zu investieren fehlte. Die Truppe ist nicht mehr geschlossen aufgetreten. Das ist aber nur ein Teil der Geschichte.“

Hans-Dieter Menke, 2. Vorsitzender der Fußball-Abteilung und wichtiger Entscheidungsträger, sieht das ähnlich: „Ich habe der Mannschaft ins Gesicht gesagt, dass ihr eigener Anspruch und die eigene Leistungsbereitschaft meilenweit auseinanderliegen.“ Und: „Die Rückrunde war eine Katastrophe. Darum mussten wir auf der Trainerposition die Reißleine ziehen. Es hat sich gezeigt, dass die Mannschaft eine harte Hand braucht. Die war nicht da. Daniel hat als Trainer Top-Fähigkeiten – aber er hat die Mannschaft nicht erreicht.“

Wirklich nicht? „Nach so einer Rückrunde muss sich jeder hinterfragen. Dass von allen Seiten Fehler gemacht worden sind, ist klar“, sagt Keller, „ich habe das ganze analysiert und weiß, was ich anders machen würde. Ja, ich würde mit dem Wissen von heute ein, zwei Entscheidungen anders treffen. Hinterher ist man immer schlauer – das ist ja immer so.“ Das ist auch Führungsspieler und Vizekapitän Joschka Matys, der den SC Herford nach sieben Jahren verlassen wird. „Wir haben viel zu viele Gegentore kassiert. Das hat mit der Einstellung zu tun“, sagt der 31-Jährige, „wir sind personell eine der besten Mannschaften der Liga gewesen. Aber wir haben viel zu wenig investiert, um oben dranzubleiben. Als dann klar war, dass nach oben nichts mehr geht, hat sich die Truppe noch mehr hängengelassen.“


„Wir haben einen Spieler, der mich die ganze Zeit vollquatscht."

Nur warum hat sie das getan? „Wenn wir das wüssten, hätten wir es abgestellt“, betont „Hansi“ Menke und nennt ein Beispiel: „Wir haben hier einen Spieler, der mich die ganze Zeit vollquatscht. Aber auf dem Platz bringt er keine Leistung. Ich nenne aber keinen Namen.“

Gemeint könnte Christian Müller sein. Der Ex-Profi von Arminia Bielefeld war Ende Oktober 2018 spektakulär nachverpflichtet und als Zeichen dafür gedeutet worden, dass der SC Herford, der zu diesem Zeitpunkt ganze drei Punkte hinter der Tabellenspitze lag, ganz oben angreifen will. Doch Müller zeigte kaum einmal jenes Können, das ihn in der Nachbarstadt zum Publikumsliebling aufsteigen ließ.

Bliebt noch eine Frage: Warum ist der Vertrag mit Daniel Keller ohne Not erst Ende Februar – zu diesem Zeitpunkt war der Sport-Club noch Dritter – verlängert worden? „Ich hatte seinerzeit viel in der Firma zu tun und hatte mich im Verein darum etwas rar gemacht“, sagt Menke, „ich muss zugeben: Wenn ich da gewesen wäre, wäre es womöglich nicht zu dieser Entscheidung gekommen.“ Will sagen: Der 2. Vorsitzende hatte trotz aller Erfolge schon damals seine Bedenken, ob Keller der richtige Mann ist.


"Der Kopf ist das dritte Bein"

Immerhin: Kellers Nachfolger scheint nicht mehr lange auf sich zu warten. Menke: „Wir sind in guten Gesprächen. In Kürze wissen wir mehr.“ Und Daniel Keller selbst? „Du musst als Trainer sehr viel tun, damit eine Mannschaft als Gesamtheit funktioniert. Dass der Spruch von Christoph Daum ’Der Kopf ist das dritte Bein’ stimmt, hat diese Saison bewiesen. Ich wäre gerne geblieben. Trotz allem: Ich bin Fußballer durch und durch und werde sicher weiter als Trainer arbeiten.“

Aufrufe: 02.6.2019, 13:15 Uhr
FuPaAutor