2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Die Athletik-Mannschaft bei einer Teambuilding-Übung im diesjährigen Trainingslager in Dischingen. Fast alle Spielerinnen haben die Augen verbunden, nur die hinterste nicht, die mit vorher vereinbarten Berührungen die ganze Gruppe an ein vorgegebenes Ziel führen muss.	F.: Stefan Rommel
Die Athletik-Mannschaft bei einer Teambuilding-Übung im diesjährigen Trainingslager in Dischingen. Fast alle Spielerinnen haben die Augen verbunden, nur die hinterste nicht, die mit vorher vereinbarten Berührungen die ganze Gruppe an ein vorgegebenes Ziel führen muss. F.: Stefan Rommel

Der Trainer gibt Orientierung

Beim SC Athletik war nach dem schweren Unfall einer Mitspielerin weit mehr gefragt als nur sportliches Können +++ Andreas Wannenwetsch gibt Einblicke ins Seelenleben

Am kommenden Sonntag starten die Frauenfußballerinnen des SC Athletik Nördlingen in die neue Bezirksoberliga-Saison. Trainer des Teams ist seit acht Jahren Andreas Wannenwetsch (52), der in Giengen wohnt und schon allein deshalb Tausende von Kilometern für sein Team herunterspult. Unser Redakteur Robert Milde sprach mit ihm.

Herr Wannenwetsch, viele Fußballvereine beklagen den Nachwuchsmangel und können nur mit Spielgemeinschaften überleben. Wie sieht es in der Abteilung Frauenfußball des SC Athletik Nördlingen aus?

Wannenwetsch: Genauso. Vor knapp zwei Jahren hatten wir noch drei Mannschaften, zum Halbjahr der letzten Saison mussten wir wegen Personalmangel auch die zweite Mannschaft leider vom Spielbetrieb abmelden.

Können Sie im eigenen Verein in aller Ruhe arbeiten oder gibt es einen Konkurrenzkampf zwischen den Männern und den – seit vielen Jahren erfolgreicheren – Frauen?

Wannenwetsch: Da gibt es keine Konkurrenz und hat es in den letzten acht Jahren nie gegeben. Im Gegenteil, ich denke, der Rest vom Verein ist stolz auf das Frauenteam.

Trainer einer Frauenmannschaft zu sein, ist mehr als nur eine sportliche Aufgabe. Da ist der Coach auch Vaterersatz und Berater in allen wichtigen Lebensfragen, zumal dann, wenn eine Mannschaft so jung ist wie die Ihre. Richtig?

Wannenwetsch: Sehr richtig. Ich glaube, es wäre ein interessantes Buch, das ich nach meiner Trainertätigkeit schreiben könnte. Ob bei Athletik oder bei meinen vorherigen Vereinen. Es hat sich da in den Jahren nicht viel verändert. Du bist Ansprechpartner für viele und vieles.

Im Vorjahr hat Ihre Mannschaft in der Bezirksoberliga lange Zeit an der Tabellenspitze mitgespielt, den Aufstieg dann aber doch als Tabellenzweiter relativ klar verpasst. Was sind die Ziele für die am kommenden Wochenende beginnende neue Saison?

Wannenwetsch: Die Gründe für das Abschneiden sind relativ schnell zusammengefasst. Die schwere Verletzung unserer Stamm-Torfrau Christina Hauser im November, die beruflichen Verpflichtungen mehrerer Stammkräfte, die somit oft gefehlt haben, konnte die junge Mannschaft auf Dauer nicht kompensieren. Wie Sie ja wissen, hatten wir Ende des Jahres ein Ereignis mit dem schweren Verkehrsunfall einer Spielerin, das uns bis heute geprägt hat. Nach dem Unfall haben sich sicher die Ziele, die wirklichen Ziele im Leben von uns doch geändert. Wie sich das Team in der Folge des Geschehens und der Zeit danach präsentiert hat, ist mehr wert als jede Meisterschaft, die man gewinnen kann und hat mich unsagbar stolz gemacht. Ich bin deshalb mit dem sportlichen Ergebnis der Runde vollauf zufrieden. Das wichtigste Ziel ist für mich der Spaß am Spiel mit allem, was dazugehört. Ein Tabellenplatz im vorderen Tabellenfeld wäre toll.

Zu einem guten Abschneiden könnten heuer auch die drei Neuzugänge beitragen …

Wannenwetsch: Das wird sich zeigen. Klar ist, dass sie Verstärkungen für uns sind. Da die drei noch sehr jung sind, muss man ihnen Zeit zur Entwicklung geben. Deshalb nehme ich jetzt schon mal jeden Druck von ihnen. Das Abschneiden wird von so vielen Faktoren beeinflusst. Da kann man nur schauen, dass man gut vorbereitet ist und die Mannschaft schnell zusammenwächst. Was uns glaube ich sehr gut gelungen ist, wie die Ergebnisse aus der Vorbereitung und die Stimmung in der Mannschaft zeigen.

Der deutsche Frauenfußball war nach dem Olympiasieg 2016 in Rio auf dem Gipfel angekommen, nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Europameisterschaft 2017 in den Niederlanden ist Ernüchterung eingekehrt. Was ist nach Ihrer Ansicht schief gegangen nach dem Ende der Ära von Bundestrainerin Silvia Neid beim ersten internationalen Turnier der Nachfolgerin Steffi Jones?

Wannenwetsch: Ich werde es mir nie anmaßen, die Arbeit einer Trainerkollegin oder eines -kollegen aus der Ferne zu beurteilen. Was mich traurig macht, ist, dass alle im Erfolg immer dabei sind und „wir“ es wieder dem Rest gezeigt haben. Das heißt in Deutschland wohl immer, erster Sieger sein zu müssen. Im Turniermodus reicht halt meistens ein schlechteres Spiel, und es ist vorbei. Was für Ziele hätten wir denn, wenn nur „wir“ Deutsche immer Erster würden?

Sie selber sind schon seit acht Jahren Frauentrainer beim SC Athletik Nördlingen. Keine Spur vom „Verschleißerscheinungen“ …?

Wannenwetsch: Wie überall gibt es die natürlich. Alles, was sich bewegt, zeigt diese Erscheinungen. Was dies aber mehr als wettmacht, sind die doch zumeist positiven Erfahrungen mit dem Team und dessen Freude, gemeinsam Sport zu treiben. Freundschaften entstehen zu sehen, die weit über die Zeit auf dem Platz hinausgehen. Nur wenn man daran Freude hat, diese Erfahrungen zu machen, lässt sich der enorme Aufwand und der Verschleiß kompensieren.

Aufrufe: 08.9.2017, 09:59 Uhr
Rieser Nachrichten / Robert MildeAutor